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RT Deutsch-Interview: "USA haben Situation in Afghanistan nie unter Kontrolle gehabt"

Trotz der Bereitstellung zusätzlicher Mittel für Afghanistan rücken Taliban weiterhin gegen US-Truppen und lokale Sicherheitskräfte vor. Einige afghanische Gesetzgeber fragen sich, ob das Land angesichts dieser Umstände überhaupt noch US-Hilfe braucht. RT Deutsch sprach mit einer paschtunischen Journalistin.
RT Deutsch-Interview: "USA haben Situation in Afghanistan nie unter Kontrolle gehabt"Quelle: Reuters

von Ali Özkök

Ein kürzlich erschienener Bericht des Generalinspekteurs des Pentagons an den Kongress stellt eine frühere Einschätzung des US-Militärs in Frage, wonach die jüngste Erhöhung der Unterstützung für die afghanischen nationalen Sicherheitskräfte angeblich dazu beigetragen hätte, das Blatt zu wenden.

Die Hoffnung war, dass die afghanische Armee, kurz ANA, auf diese Weise in die Lage versetzt würde, die Taliban nach Jahren der Stagnation wieder zurückzudrängen. Erhebung ergaben jedoch, dass sich im ersten Quartal 2018 die Bedrohung durch die Taliban nicht verringerte.

"Die Taliban halten weiterhin Territorium und starten verheerende Terroranschläge in Kabul und im ganzen Land", schrieb Glenn Fine, der stellvertretende Generalinspekteur des Pentagon, in einer einleitenden Anmerkung zu dem Bericht, der am Montag veröffentlicht wurde.

Im Gespräch mit RT Deutsch kritisierte die paschtunische Journalistin Farzana Shah die US-Militärpräsenz in Afghanistan. Shah, die in der paschtunisch-pakistanischen Grenzstadt Peschawar lebt, sagte:

Vor Ort ist unsere Einschätzung, dass das US-Militär die Situation in Afghanistan zu keinem Zeitpunkt jemals in den Griff bekommen hat.

Die Taliban erheben nachts Straßen- und Mautgebühren auf den Autobahnen nach Kabul. Die Händler müssen an sie zahlen, um ihre Früchte und andere Waren mit Lastwagen an die Märkte zu bringen. Es gibt auch Zeiten, in denen NATO-Fahrzeuge bezahlen müssen", fügte sie hinzu.

Bis zu 50 Prozent des Landes von Taliban kontrolliert oder akut bedroht

Die Regierung Trump hat im August des vergangenen Jahres die US-Afghanistan-Politik geändert und 3.000 zusätzliche Truppen in das Land entsandt. Vorbild dafür war offenbar die massive Truppenverstärkung der USA im Irak des Jahres 2007, als diese Maßnahme des früheren Präsidenten George W. Bush vorübergehend zu einem Rückgang der konfessionell aufgeladenen Auseinandersetzungen beitragen konnte.

Doch wie im Irak scheint der Erfolg auch hier kein dauerhafter zu sein. Kabul ist vielmehr weit davon entfernt, die von Washington vorgegebene Zahl an kontrollierten Gebieten zu erreichen. Demnach fordern die USA, dass Kabul Territorien unter ihre Kontrolle bringen müsse, in denen mindestens 80 Prozent der afghanischen Bevölkerung leben. Ende Januar lag dieser Wert bezüglich kontrollierter Gebiete jedoch erst bei 65 Prozent, verglichen mit 64 Prozent im letzten Quartal, so der Bericht. Es gab nur wenige Veränderungen im Kontrollumfang. Zusammen mit den umkämpften Gebieten haben die Taliban auf fast die Hälfte Afghanistans einen mehr oder minder spürbaren Zugriff.

Die Kolumnistin für das pakistianische Nachrichtenportal PakTribune und freie Journalistin Farzana Shah sieht hinter dem Festhalten der USA an einer Präsenz in Afghanistan handfeste geopolitische Motive:

Die USA halten an ihrem Narrativ fest, um ihren Aufenthalt in Afghanistan zu verlängern, vor allem wegen des sich entwickelnden China-Pakistan-Wirtschaftskorridors, kurz CPEC. Da Russland auch eine führende Rolle im China-Pakistan-Wirtschaftskorridor übernehmen will, würde der Abzug aus Afghanistan Russland über Pakistan den Weg freimachen hin zum CPEC-Handel.

Afghanische Armee klagt über Rekrutierungsprobleme

Die aufgelistete Truppenstärke der afghanischen Streitkräfte ist im Januar von 331.708 im Vorjahr auf nunmehr 313.728 gesunken, legte der Bericht offen. Die geschätzte Zahl der tatsächlichen Soldaten liegt elf Prozent unter dem von der afghanischen Regierung gesetzten Ziel von 352.000. Das ist ein deutlicher Indikator dafür, dass die afghanische Armee Rekrutierungsschwierigkeiten hat. Farzana Shah stellte außerdem Fragen hinsichtlich der Art der US-Operationen und deren Verbündete am Boden. RT Deutsch sagte sie:

Die USA operieren kaum am Boden, sondern hauptsächlich in der Luft. Afghanische Kräfte hingegen operieren am Boden und sind deutlich weniger in der Lage, Terroristen zu eliminieren. Außerdem sind die Einheiten des afghanischen Geheimdienstes NDS kaum zuverlässig. Ein beispielhaftes Ergebnis für den Zustand der US-unterstützten Kräfte ist das Kundus-Massaker von 2009.

Inmitten der Pattsituation im inzwischen 17-jährigen Krieg beginnen afghanische Politiker in Kabul allmählich zu realisiern, dass die Unterstützung durch die USA nicht ausreicht. Mohammad Alam Ezedyar, erster stellvertretender Sprecher der Oberkammer des afghanischen Parlaments, sagte am Montag, dass Kabul das Sicherheitsabkommen mit den USA ändern sollte, berichtete TOLO News.

Was haben wir mit diesem Sicherheitsabkommen erreicht? Nichts, außer Bekanntheit", stimmte Senator Zalmai Zabuli zu.

Senator Mohammad Hanif Hanifi wiederum argumentierte:

Die ausländischen Streitkräfte in Afghanistan haben ihre Verpflichtungen nicht erfüllt.

US-Präsenz in Afghanistan soll auch Iran unter Kontrolle halten

Illustrativ für die mangelnde Stabilität in Afghanistan wurden am Dienstag nach einer vermuteten Autobombenexplosion in der Stadt Kandahar im Süden Afghanistans 38 Menschen getötet und Dutzende verletzt. Am Montagabend hatten die Taliban in der Provinz Ghazni bereits sieben Offiziere der afghanischen Armee getötet.

"Ich glaube, dass die USA die Situation im Norden Afghanistans bequem übersehen. Der jüngste Verlust von Bezirk um Bezirk in Farah und jetzt sogar in Ghazni spricht für diese Annahme. Die USA wollen offenbar länger in Afghanistan bleiben als sie es den eigenen Bürgern vermittelt haben", sagte Farzana Shah gegenüber RT Deutsch und fügte weiter hinzu:

Die US-Präsenz in Afghanistan für die kommenden Jahre dient langfristig ihren Interessen. Nach der Verschrottung des Atomwaffendeals mit dem Iran ist es verständlich, dass die USA den Iran über die Afghanistan-Front ins Visier nehmen wollen.

Taliban-Kämpfer hatten die afghanische Polizei und Truppen in der westlichen Stadt Farah über Nacht angegriffen, sagten Beamte am Donnerstag. Die Sicherheitskräfte kämpften darum, die Kontrolle über eine Stadt wiederzuerlangen, die bereits seit Monaten unter dem wachsenden Druck der Kämpfer gestanden hatte.

"Eine Reihe von Taliban stieß mit afghanischen Truppen in verschiedenen Teilen der Stadt zusammen", zitierte Reuters Fazel Ahmad Sherzad, den Polizeichef der Stadt. "Im Moment gibt es keine Kämpfe, aber eine Such- und Räumungsaktion ist im Gange", sagte er. US-Streitkräfte haben in Farah mit A-10-Angriffsflugzeugen und Kampfdrohnen Luftunterstützung geleistet, während die afghanische Luftwaffe mit eigenen Hubschraubern und A-29-Bodenangriffsflugzeugen zahlreiche Schläge durchgeführt hat.

Makabere "Yanny und Laurel"-Witzelei offenbarte ungewollt Angriffspotenzial der Taliban

In diesem Zusammenhang entschuldigte sich die US-Luftwaffe für einen inzwischen gelöschten Tweet, der auf ein populäres virales Video verwies und das man zum Anlass nahm, um sich über Taliban-Kämpfer lustig zu machen, die von den A-10-Flugzeugen in Farah getötet wurden.

Die Taliban-Streitkräfte in Farah-Stadt #Afghanistan hätten viel lieber #Yanny oder #Laurel gehört als das ohrenbetäubende #BRRRT, das sie von unserer #A10 bekommen haben", hieß es im gelöschten Tweet.

Das im Original-Tweet erwähnte Yanny und Laurel-Video machte zu diesem Zeitpunkt im Internet die Runde. In diesem Zusammenhang wird darüber diskutiert, ob es sich bei einem Wort, das in einer Tonspur wiederholt wird, um "Yanny" oder "Laurel" handelt. Das im Tweet referenzierte #BRRRT bezieht sich auf den Klang der 30 Millimeter GAU-8 Rotationskanone des A-10-Kampfflugzeugs, das dieses markante Geräusch macht, wenn es fast 4.000 Schuss Munition mit abgereichertem Uran pro Minute auf feindliche Panzer oder Infanterie regnen lässt.

Die US-Mission in Afghanistan wird demnächst einen neuen Kommandanten entsenden, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag. Armee-Generalleutnant Scott Miller wird Armee-General John "Mick" Nicholson ersetzen, erklärten namentlich ungenannte Quellen im Pentagon gegenüber der Agentur.

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