
Der "islamische Nuklearschirm" spielt China in die Hände

Von Geworg Mirsajan
Eine islamische NATO. So bezeichnen einige russische und ausländische Medien die Gründung einer Militärallianz zwischen dem reichsten arabischen Land, dem Königreich Saudi-Arabien, und dem mächtigsten islamischen Staat – dem atomar bewaffneten Pakistan. Das entsprechende Abkommen wurde am 17. September zwischen dem de-facto-Herrscher Saudi-Arabiens, Kronprinz Mohammed bin Salman, und dem pakistanischen Premierminister Shehbaz Sharif unterzeichnet.

Alle Experten sind sich einig, dass der Anstoß für die Unterzeichnung des offiziellen Bündnisses der Angriff Israels auf Katar am 9. September war, vor dem die US-Amerikaner, die eigentlich Verbündete Katars sind, das Land nicht geschützt haben. Sie taten dies nicht, weil sie es nicht konnten, sondern weil sie es nicht wollten, denn für Washington ist das Bündnis mit Israel wichtiger als die Beziehungen zu den Arabern – zu allen Arabern. Das Wall Street Journal räumt ein:
"Vor dem Hintergrund des sinkenden Vertrauens in die USA sucht Saudi-Arabien nach neuen regionalen Verbündeten."
Verbündete, die über Macht verfügen, entschlossen sind, diese einzusetzen, und wenn möglich denselben Gott verehren wie die Araber. Und aus dieser Perspektive ist die Auswahl nicht groß.
Man hätte die Kandidatur der Türkei in Betracht ziehen können – allerdings stehen die Araber den imperialen Ambitionen der Türkei misstrauisch gegenüber. Die Türken haben einst den Nahen Osten beherrscht (vom 16. Jahrhundert bis zum Ende des Ersten Weltkriegs) und die Araber wie Menschen zweiter Klasse behandelt. Ägypten – einst militärischer Führer der arabischen Welt – befindet sich seit dem "Arabischen Frühling" in einer tiefen Krise. Syrien existiert de facto nicht mehr. Bleibt also nur noch Pakistan.
Zumal Islamabad für Riad kein wirklich neuer Verbündeter ist. Die Länder arbeiten seit den 1960er Jahren eng zusammen, und seit dem Iran-Irak-Krieg sind pakistanische Soldaten auf dem Territorium Saudi-Arabiens stationiert (um die saudisch-irakische Grenze zu schützen).
Derzeit sind dort zwischen 1.500 und 2.000 Soldaten stationiert, die der saudischen Armee "operative, technische und beratende Unterstützung" leisten. Im Gegenzug hat Saudi-Arabien Pakistan finanziell unterstützt. Dr. Ali Awadh Asseri, der ehemalige saudische Botschafter in Pakistan, schreibt:
"Der Verteidigungspakt spiegelt auch die Dankbarkeit Pakistans für die unveränderte Unterstützung Saudi-Arabiens in schwierigen Zeiten wider – sei es in Form von vergünstigten Krediten, Zahlungsaufschüben für Erdöl oder kontinuierlicher humanitärer und politischer Hilfe."
Diese Hilfe floss unter anderem in die Entwicklung des pakistanischen Atomprogramms. Saudi-Arabien (dem die US-Amerikaner die Herstellung einer Atombombe untersagt hatten) investierte in Pakistans "islamisches Atomschwert", um im Falle eines Notfalls darauf zählen zu können. Der saudische Kronprinz soll im Jahr 2024 dem US-amerikanischen Senator Lindsey Graham gesagt haben:
"Ich brauche kein Uran, um eine Bombe zu bauen – ich werde es einfach in Pakistan kaufen."
Und nun kann sich Saudi-Arabien offiziell auf Pakistan verlassen, ohne irgendwelche Käufe tätigen zu müssen. Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert saudische Beamte mit den Worten:
"Es handelt sich um ein umfassendes Verteidigungsabkommen, das alle militärischen Mittel umfasst."
Mit der Formalisierung seines Bündnisses mit Pakistan sendet Riad nicht nur ein Signal an die Vereinigten Staaten, sondern auch an Iran und Israel. Es demonstriert ihnen seine neuen Abschreckungsinstrumente – und damit auch die neuen Risiken, die für Teheran und Tel Aviv im Falle aggressiver Handlungen gegen das Königreich Saudi-Arabien entstehen.
Natürlich gibt es eine Reihe technischer Einschränkungen für den nuklearen Schutzschirm (darunter die Flugzeit bis nach Israel), aber diese sind überwindbar. Sowohl durch die Weiterentwicklung des pakistanischen Raketenprogramms als auch durch die mögliche zukünftige Stationierung pakistanischer Raketen auf saudischem Territorium. Letztlich wird Pakistan zu einer wichtigen Einflussgröße in allen Gleichungen, die den arabisch-iranischen und den arabisch-israelischen Konflikt betreffen. Die Jerusalem Post stellt dazu fest:
"Die Sicherheitsarchitekturen Südasiens und des Nahen Ostens werden immer stärker miteinander verflochten."
Und in diesem Prozess der Verflechtungen verliert auch Indien. Es sieht so aus, als würde Saudi-Arabien im Falle eines neuen indisch-pakistanischen Krieges auf der Seite Pakistans kämpfen. Das bedeutet, dass die Monarchien am Persischen Golf (wo Saudi-Arabien der unangefochtene Anführer ist) nicht mehr als Quelle für sichere Energielieferungen nach Indien dienen können. Dies unterstreicht wiederum die Weitsicht des indischen Premierministers Narendra Modi, der vor einigen Jahren auf russische Energieträger gesetzt und jegliche Forderungen der Vereinigten Staaten, den Kauf von russischem Erdöl einzustellen, kategorisch abgelehnt hat.
Vom Bündnis profitieren aber nicht nur Riad und Islamabad (das noch mehr Geld von Saudi-Arabien erhalten wird). Es ist nicht auszuschließen, dass China – der wichtigste Handelspartner Saudi-Arabiens, ein ebenso wichtiger Militärpartner Pakistans sowie regionaler Gegner Indiens und globaler Rivale der Vereinigten Staaten – seine Hand im Spiel hatte, als diese Militärallianz gegründet wurde.
Die Formalisierung der saudisch-pakistanischen Beziehungen stärkt die Position Chinas im Nahen Osten und schafft einen zusätzlichen Spannungsherd für regionale Konkurrenten wie Indien. Diese Allianz (wie zuvor auch die durch Peking vermittelten saudisch-iranischen Abkommen) wird zu einem Instrument Pekings, um Einfluss auf die Angelegenheiten im Nahen Osten zu nehmen. Und in Zukunft könnte dieses Instrument noch erweitert werden. Beispielsweise durch die Formalisierung anderer de facto-Allianzen, wie der zwischen Kairo und Riad, was zum Anschluss Ägyptens an die saudisch-pakistanische Achse führen könnte.
Aber selbst in diesem Fall kann man nicht von der Gründung einer Art NATO für den Nahen Osten sprechen. Weder hinsichtlich der kollektiven Macht noch hinsichtlich des politischen Willens für ein solches Bündnis. Die Länder des Nahen Ostens haben einfach zu viele Gegensätze, und die Vereinigten Staaten würden es nicht zulassen, dass Saudi-Arabien eine islamische NATO gründet.
Es ist eine Sache, die Augen vor der saudisch-pakistanischen Allianz zu verschließen, die Riad eher als Absicherung der US-amerikanischen Garantien darstellt. Eine ganz andere Sache ist es jedoch, deren vollständigen Ersatz durch Pakistan oder China zu akzeptieren.
Sollte Saudi-Arabien diesen Weg einschlagen, könnten die USA in Erinnerung rufen, dass Kronprinz Mohammed bin Salman aufgrund des besonderen Erbfolgerechts in Saudi-Arabien keinen uneingeschränkten Anspruch auf den Thron hat und man auf einen anderen Prinzen setzen kann. Glücklicherweise gibt es mehrere Tausend zur Auswahl. Und dann würden nicht einmal die Atomwaffen Pakistans Saudi-Arabien retten können.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 19. September 2025 zuerst auf der Webseite der Zeitung "Wsgljad" erschienen.
Geworg Mirsajan ist außerordentlicher Professor an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation, Politikwissenschaftler und eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Geboren im Jahr 1984 in Taschkent, erwarb er seinen Abschluss an der Staatlichen Universität des Kubangebiets und promovierte in Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt USA. Er war in der Zeit von 2005 bis 2016 Forscher am Institut für die Vereinigten Staaten und Kanada an der Russischen Akademie der Wissenschaften.
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