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Indien: Bei Trump mit den Schultern zucken, auf billiges Öl achten und zusehen, wie Europa zahlt

Der Westen wirft Neu-Delhi vor, "Russlands Krieg zu unterstützen", indem es russisches Öl importiere, und eine Nation von 1,4 Milliarden zieht ihre roten Linien. Dabei geht es um Souveränität, aber auch darum, ob rechtliche Übergriffe hingenommen werden.
Indien: Bei Trump mit den Schultern zucken, auf billiges Öl achten und zusehen, wie Europa zahltQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Hindustan Times

Von Manish Vaid

Während die US-Rhetorik gegen Indien immer offener erpresserisch wird und Spitzenpolitiker Neu-Delhi vor den Konsequenzen seines Energiehandels mit Russland warnen, kommt Druck aus immer weiteren Richtungen.

Die neuesten Bemerkungen von US-Präsident Donald Trump haben eine Neufestlegung weiter erschwert. Zusammen mit einem Zoll von 25 Prozent auf indische Importe sprach Trump Warnungen bezogen auf Indiens anhaltenden Handel mit Russland im Bereich Energie und Verteidigung aus und warf Neu-Delhi vor, Amerikas Gegner durch die fortgesetzten Ölkäufe indirekt zu unterstützen.

Trump ging sogar so weit, vorzuschlagen, Indien und Russland sollten "ihre toten Wirtschaften zusammen niederreißen", und stellte ihre wirtschaftlichen Beziehungen als gegen US-Interessen gerichtet dar.

Trumps Aussagen waren nicht einfach emotionale Reaktionen – ihnen folgte eine ganze Reihe anderer Aussagen von US-Vertretern. Außenminister Marco Rubio erklärte am Freitag, der Erwerb russischen Öls durch Indien sei "irritierend".

"Indien hat großen Energiebedarf. Das schließt die Fähigkeit mit ein, Öl, Kohle und Gas und die Dinge, die es braucht, um seine Wirtschaft zu betreiben, wie jedes andere Land, zu kaufen. Und es kauft sie von Russland, weil russisches Öl sanktioniert und billig ist – das heißt in vielen Fällen, sie verkaufen es unter dem Weltmarktpreis wegen der Sanktionen … Unglücklicherweise hilft das, die russischen Kriegsanstrengungen aufrechtzuerhalten. Daher ist dies ganz bestimmt ein irritierender Punkt in unserer Beziehung mit Indien – nicht der einzige irritierende Punkt."

Am Sonntag warf ein Spitzenberater von Präsident Donald Trump Indien vor, Russlands Krieg in der Ukraine durch den Kauf von russischem Öl zu finanzieren. "Was er [Trump] sehr deutlich sagte, ist, dass es inakzeptabel ist, dass Indien weiter diesen Krieg finanziert, indem es Öl von Russland kauft", sagte Stephen Miller, stellvertretender Stabschef des Weißen Hauses und einer der einflussreichsten Berater des Präsidenten. "Die Leute werden schockiert sein, wenn sie erfahren, dass Indien beim Kauf von russischem Öl geradezu mit China verbunden ist. Das ist eine erstaunliche Tatsache", sagte Miller auf Fox News.

Dies zeigt eine deutliche Verschärfung des Tons und verdeutlicht, dass von beiden US-Parteien der Druck auf Indiens Russland-Politik weiterbestehen dürfte, gleich, wer die Regierung stellt.

Die indische Regierung wies diese Äußerungen scharf zurück und kündigte an, Neu-Delhi werde weiter Öl von Moskau kaufen, wenn das den nationalen Interessen diene. "Die Regierung ist entschlossen, das Wohlergehen indischer Konsumenten an die erste Stelle zu setzen. Unsere Energiekäufe werden auf dem Preis, der Verfügbarkeit und den Marktbedingungen beruhen", heißt es in der Erklärung.

Trotz Trumps Behauptung, Indien habe nach seinen Drohungen aufgehört, russisches Öl zu kaufen, sagte die indische Regierung, ihr seien keine Unterbrechungen der Importe bekannt. Mitarbeiter der Öl- und Gasindustrie haben bestätigt, dass die Regierung keine offiziellen Aufforderungen an Raffinerien geschickt habe, den Kauf russischen Öls zu beenden.

Indiens Weg wird rauer, während die globalen Energieflüsse zunehmend als Waffe eingesetzt werden, aber er wird auch klarer. Das ist nicht länger nur eine Frage, ob man Sanktionen einhält. Es geht darum, der Politisierung des Handels zu widerstehen und die Handlungsfähigkeit in einer fragmentierten Weltordnung zu sichern. Die Botschaft an den Westen lautet: Indiens Energieentscheidungen werden nicht durch von außen gezogene rote Linien diktiert.

Indiens Antwort ist kein Rückzug, sondern eine Neukalibrierung durch Diversifizierung, industrielle Kursänderungen und rechtliche Schutzmaßnahmen. Sie signalisiert das Aufkommen einer neuen Energiediplomatie: einer, die agil, vielschichtig und ohne jede Einschränkung souverän ist.

Druck der EU

Die Veränderung in der US-Rhetorik Indien gegenüber erfolgte nur Tage, nachdem die EU ihr 18. Sanktionspaket gegen Russland verabschiedet hatte, das auf raffinierte Erdölprodukte aus russischem Rohöl abstellt. Indem sie Begrenzungen für den Import von Diesel und anderen Treibstoffen, die aus vergünstigtem russischem Öl raffiniert wurden, einführte, zog die EU Indiens größte private Raffinerien, Nayara Energy und Reliance Industries Ltd. (RIL) in eine geopolitische Auseinandersetzung, durch die sie sich seit 2022 mit strategischer Raffinesse navigiert hatten.

Den Kern der EU-Sanktionen bildet eine neue Strategie, um den Ursprung des Rohöls nachzuverfolgen, selbst wenn es bereits raffiniert worden ist. Anders gesagt: Indischer Diesel oder Kerosin, das aus russischem Ural-Rohöl erzeugt wurde, wird jetzt als von russischem Ursprung behandelt, ganz gleich, wo es raffiniert wurde. Das hat für die Raffinerie von Nayara Energy in Vadiar, der zweitgrößten in Indien, unmittelbare Folgen. Ebenso für Reliance, die den weltgrößten Raffineriekomplex in Jamnagar betreiben und gelegentlich russisches Öl gekauft haben, um von den bedeutenden Abschlägen zu profitieren.

Die EU ging noch weiter. Sie hat den Preisdeckel für mit dem Schiff transportiertes russisches Rohöl von 60 auf 47,60 US-Dollar je Barrel gesenkt, wirksam ab 3. September 2025. Das schränkt die Möglichkeit indischer Raffinerien ein, Ural-Rohöl zu Preisen zu sichern, die hohe Margen garantieren, die zuvor zwischen 15 und 20 Dollar je Barrel lagen. Diese Kursdifferenz machte die indischen Produkte auf dem europäischen Markt sehr wettbewerbsfähig. Jetzt, da Europa verschlossen ist und die Raffinerien gezwungen sind, ihre Fracht in Regionen mit geringerer Nachfrage und Kaufkraft umzulenken, könnten die zu erwartenden Margen auf acht bis zwölf Dollar sinken, mit zusätzlichen ein bis zwei US-Dollar pro Barrel an Erfüllungskosten.

Die Reaktion Indiens war schnell und einhellig. Das Außenministerium verurteilte den Schritt als "einseitig und das Gebiet der Rechtskraft überschreitend" und wies die Vorstellung zurück, seine Energieentscheidungen könnten zu Geiseln der EU-Logik der Sekundärsanktionen werden.

Außenminister Vikram Misri unterstrich, Indiens Energiesicherheit ist "nicht verhandelbar" – ein Prinzip, das Indien nicht aufgeben werde, nur um westlichen Vorlieben nachzugeben. Selbst Nayara Energy, zu 49,13 Prozent im Besitz der russischen Rosneft und schon lange als verwundbar angesehen, brach sein übliches Schweigen, um die Sanktionen als nicht gerechtfertigt zu verurteilen, während es überlegt, durch internationale Schiedsmechanismen rechtliche Schritte zu unternehmen.

Erst vor Kurzem kam es bei Nayara Energy zu einem Führungswechsel; Geschäftsführer Alessandro des Dorides trat mitten in den sich entwickelnden Folgen der EU-Sanktionen und operativer Ungewissheit zurück. Dieser Schritt war nicht nur symbolisch. Der Tanker Talara, den BP gechartert hatte, verließ den Hafen von Nayara, ohne Treibstoff zu laden, nachdem die Sanktionen verkündet worden waren. Das deutet an, dass die EU ihre Politik aggressiv durchsetzen will, und Firmen, die dem Risiko europäischer Sanktionen ausgesetzt sind, zunehmend Bedenken haben dürften, Geschäfte mit indischen Raffinerien zu machen, die mit russischen Rohstoffen arbeiten. Naynara mag nicht der Letzte sein, der einem derartigen Druck ausgesetzt ist. Auch Reliance bewertet trotz seiner diversen Quellen bereits seine Bezugsstrategien in Vorwegnahme genauerer Beobachtung.

Die finanziellen Risiken sind enorm. Indiens Treibstoffexporte nach Europa, die im Jahr 2024 mit 19 Milliarden US-Dollar ihren Höhepunkt erreicht hatten, fielen bereits bisher um 27 Prozent auf 15 Milliarden US-Dollar. Wenn die neuesten Beschränkungen der EU vollständig in Kraft getreten sind, schätzen Analytiker, dass Indien bis zu fünf Milliarden US-Dollar jährlich verlieren könnte, abhängig von der Strenge der Umsetzung und der Fähigkeit der Raffinerien, alternative Käufer in Asien oder Afrika zu finden. Das schiere Ausmaß dieser Verluste würde nicht nur die Marge der Raffinerien beseitigen, sondern auch Indiens derzeitige Haushaltspuffer verringern und möglicherweise seine makroökonomische Stabilität beeinträchtigen.

Neugestaltung der indischen Energiepolitik

Indien gibt nicht nach. Stattdessen vollzieht es eine leise, aber überlegte Neuausrichtung seiner Energiestrategie. Führende indische Raffinerien erhöhen ihre Importe aus dem Irak, Nigeria und Saudi-Arabien, während sie im Stillen längerfristige Verträge mit US-Rohöllieferanten suchen, obwohl deren Produkt preislich weit weniger wettbewerbsfähig ist als russisches Ural mit Abschlag. Das Ziel ist strategisch: eine zu große Abhängigkeit von einem einzelnen geopolitischen Lieferanten zu vermeiden, während man die Energiesicherheit zu Indiens eigenen Bedingungen absichert.

Für Reliance Industries geht die Umsteuerung tiefer. Nachdem die Firma bereits zehn bis 15 Milliarden US-Dollar in ihre ehrgeizige Initiative Chemikalien aus Rohöl investiert hat, schirmt sich das Unternehmen gegen die Volatilität der Treibstoffexporte ab, indem es sich auf die Petrochemie und Spezialmaterialien mit stabileren Margen und globaler Nachfrage konzentriert. Diese Neubestimmung wird sich vermutlich im Gefolge der EU-Sanktionen beschleunigen, was Reliance einen strategischen Schutz vor dem Gebrauch des Handels als Waffe verleiht.

Während Reliance eine von Innovationen getriebene Wende anstrebt, bleibt Nayara in geopolitischen Risiken verstrickt. Angesichts des Anteils von Rosneft und seiner Anfälligkeit für Sanktionen wird jede Restrukturierung eine sorgfältige juristische Planung benötigen. Die Firma soll die Schaffung einer Zweckgesellschaft oder Divestment-Strategien erwägen, um ihre Handlungen zu isolieren.

In dieser Patt-Situation geht es nicht nur um Öl, es geht um Souveränität. Indien, das seit 2022 dem westlichen Druck gegen russisches Öl widerstanden hat, sieht in den Sanktionen der EU eine strategische rote Linie. Die wirklichen Risiken liegen nicht im verlorenen Handel, sondern in der Rechtfertigung rechtlich übergriffiger Kontrollen, die das Recht des Globalen Südens erodieren, unabhängige wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen.

Während die EU behauptet, es ginge darum, Schlupflöcher zu stopfen, sieht Indien ein Vorgehen mit doppeltem Maß. Europäische Länder importieren immer noch russisches LNG und verlassen sich auf Nermittler, während sie Indien für die Raffinerie des Rohöls strafen.

Die Zeit der stillen Kompromisse ist vorüber. An ihre Stelle tritt ein energischeres Indien, das seine Energiepolitik neu definiert, sich geopolitischem Druck widersetzt und seine Autonomie mit Pragmatismus und Entschlossenheit verteidigt.

Manish Vaid ist Forscher an der Observer Forschungsstiftung und befasst sich mit strategischen Energiefragen und grünen Transitionen.

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