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Wiederwahl? Erdoğan will neue Verfassung ausarbeiten lassen

Der türkische Präsident Erdoğan erklärte, er habe ein Team von Juristen ernannt, um mit der Arbeit an einer neuen Verfassung zu beginnen. Kritiker behaupten, dies könnte ihm ermöglichen, auch nach dem Ende seiner Amtszeit im Jahr 2028 an der Macht zu bleiben.
Wiederwahl? Erdoğan will neue Verfassung ausarbeiten lassen© Yavuz Ozden/ dia images via Getty Images

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan scheint eine Grundlage für seine Wiederwahl vorzubereiten. Das aktuelle Grundgesetz des Landes sieht nicht vor, dass ein amtierender Präsident für eine dritte Amtszeit nominiert werden kann.

Die bevorstehenden Verfassungsänderungen kündigte Erdoğan am Dienstag während einer Rede vor Mitgliedern seiner Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) an. Er teilte seinen Parteifreunden mit, er habe zehn Rechtsexperten beauftragt, eine neue Verfassung auszuarbeiten. "Seit gestern haben wir zehn meiner juristischen Kollegen mit der Arbeit an der neuen Verfassung beauftragt, mit der wir die Vorbereitungen für die neue Verfassung fortsetzen werden. Seit 23 Jahren haben wir immer wieder unsere Absicht bekundet, unsere Demokratie mit einer zivilen und freiheitlichen Verfassung zu krönen", so Erdoğan.

Er betonte, die derzeitige Verfassung, die 1982 verabschiedet und danach mehrfach geändert wurde, trage noch immer "die Rückstände aus der Zeit des Putsches" in sich.

Der türkische Präsident bezog sich damit auf die Tatsache, dass die Verfassung während der Herrschaft von General Kenan Evren verabschiedet wurde, der am 12. September 1980 die zivile Regierung der Türkei durch einen Militärputsch stürzte. "Eine neue, zivile Verfassung wird uns die Möglichkeit geben, uns davon für immer zu befreien", betonte Erdoğan. "Wir sind entschlossen, die neue Verfassung zu schaffen, die auch ein Beweis für die Reife der türkischen Politik sein wird".  

Die Gegner von Präsident Erdoğan sind der Ansicht, dass der Kampf gegen das Erbe des verstorbenen Generals Evren, der im Jahr 2014 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, nur ein Vorwand für die Schaffung einer neuen Verfassung sei, berichtet die Zeitung Kommersant.

Das derzeitige Grundgesetz wurde bereits 2017 geändert. Das Ziel war es, ein präsidiales Regierungssystem in der Türkei zu schaffen, das das parlamentarische System ersetzt. Die aktuelle Verfassung verbietet es dem Staatschef, ein drittes Mal für den Posten zu kandidieren. Erdoğan, der sich 2023 zur Wiederwahl gestellt hat, hat bereits das gesamte Limit ausgeschöpft.

Der türkische Präsident hat öffentlich erklärt, er wolle die Verfassungsänderungen in Angriff nehmen, nicht weil er eigene Interessen verfolge, sondern weil er im Interesse der Nation agiere. "Wir wollen die neue Verfassung nicht für uns, sondern für unser Land. Ich habe kein Interesse daran, wiedergewählt zu werden oder erneut zu kandidieren", sagte Erdoğan vergangene Woche nach der Rückkehr von einem Forum der Organisation Türkischer Staaten in Ungarn.

Er forderte die größte Oppositionspartei, die Republikanische Volkspartei (CHP), zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung auf: "Die ganze Frage ist, ob sich die Republikanische Volkspartei auch auf den Weg machen wird, um mit uns eine gemeinsame, zivile Verfassung zu erarbeiten". Er rief die CHP zur Zusammenarbeit auf. "Wir sagen, lasst uns zusammenarbeiten. Setzen wir unsere Kommissionen ein, und mit diesen Kommissionen formulieren wir die zivile Verfassung so schnell wie möglich und legen sie unserem Volk vor.

Im vergangenen November schlug Erdoğans Verbündeter in der parlamentarischen Koalition, Devlet Bahçeli, Vorsitzender der Partei der Nationalistischen Bewegung(MHP), vor, die Verfassung zu ändern, um die Macht des amtierenden Präsidenten auf unbestimmte Zeit zu verlängern. "Wäre es nicht natürlich und richtig, unseren Präsidenten erneut zu wählen, wenn der Terrorismus ausgerottet ist, die Inflation einen schweren Schlag erlitten hat und die Türkei politische und wirtschaftliche Stabilität gewährleistet?"

Es sollte eine Verfassungsänderung in Erwägung gezogen werden, um Erdoğans Möglichkeit einer erneuten Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen zu sichern, sagte Bahçeli in einer Parlamentsrede vor MHP-Abgeordneten.

Nach Ansicht der Zeitung Türkiye Today werde es für die AKP-Mitglieder nicht einfach sein, die Verfassung zu ändern. Erdoğans Partei benötige die Unterstützung von mindestens 360 (von 600) Mitgliedern der Großen Nationalversammlung (Parlament), um ein Volksreferendum zu organisieren, und 400 Stimmen für eine direkte Annahme einer Verfassungsänderung. Die Regierungskoalition schaffe dies nicht, betont die Zeitung.

Wenn Erdoğan jedoch wiedergewählt werden will, könnte er dies auf legale Weise und ohne Verabschiedung einer neuen Verfassung tun. Artikel 116 des derzeitigen Grundgesetzes des Landes gibt dem amtierenden Präsidenten die Möglichkeit, ein drittes Mal zu kandidieren, wenn die Große Nationalversammlung während seiner zweiten Amtszeit aus irgendeinem Grund vorgezogene Präsidentschaftswahlen ankündigt.

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