Asien

Östliches Wirtschaftsforum Wladiwostok: Südostasien wendet sich Russland zu

Die westliche Annahme, Russland sei nach 2022 zunehmend international isoliert, entbehrte seit jeher jeglicher Grundlage. Im Gegenteil, wie das Östliche Wirtschaftsforum in Wladiwostok gerade wieder einmal zeigt, kann Moskau nicht nur seine diplomatischen, sondern auch seine Wirtschafts- und Handelsbeziehungen rund um den Globus ausbauen.
Östliches Wirtschaftsforum Wladiwostok: Südostasien wendet sich Russland zuQuelle: Sputnik © Alexandr Wilf/RIA Nowosti

Von Pjotr Akopow

Hauptgast des Östlichen Wirtschaftsforums in Wladiwostok ist der malaysische Premierminister Anwar Ibrahim, der gestern bereits Gespräche mit Wladimir Putin geführt hat und heute gemeinsam mit ihm auf dem Forum sprechen wird.

Leider kennt man bei uns nicht nur den 77-jährigen malaysischen Premierminister, sondern auch sein Land mit 35 Millionen Einwohnern nicht besonders gut, obwohl dieser Staat keinen gewöhnlichen Platz in der Welt einnimmt und die Region, die er repräsentiert, bereits zu einem der wichtigsten Zentren der entstehenden Weltordnung geworden ist.

Die Rede ist von Südostasien, das in der ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) zusammengeschlossen ist. Es ist größer als Indochina: Die zehn Staaten der Region sind seit Jahrzehnten dabei, sich zu integrieren, und das mehr als erfolgreich (ihr gemeinsames BIP ist größer als das Indiens, während die Bevölkerung der ASEAN-Staaten nur halb so groß ist wie die Indiens). Die ersten Schritte wurden 1967 unternommen, und damals schaute keines der fünf Gründungsländer nach Moskau. Um genau zu sein, sahen sie darin eine Quelle potenzieller Probleme, denn der Vietnamkrieg fand in der Nähe von Malaysia, Indonesien, Singapur, Thailand und den Philippinen statt. Ja, es waren die Amerikaner, die Krieg führten, aber sie machten auch allen Angst vor der "roten Ansteckungsgefahr", die sich in der gesamten Region ausbreiten würde, falls sie das kommunistische Nordvietnam nicht besiegen sollten.

Die UdSSR und China – die ohnehin schon zerstritten waren, unter anderem wegen Meinungsverschiedenheiten über den "Revolutionsexport" – waren Verbündete: Moskau unterstützte zwar die nationale Befreiungsbewegung und die lokalen kommunistischen Parteien, war aber längst nicht darauf erpicht, überall Kommunisten an die Macht zu bringen, im Gegensatz zu Peking, das damals seinen revolutionären Enthusiasmus noch nicht verloren hatte. Dies verängstigte die Thailänder, die Malaysier und alle anderen, zumal es in fast allen Staaten der Region eine beträchtliche und (auch aufgrund ihres Reichtums) sehr einflussreiche chinesische Minderheit gab. Die Amerikaner und die Briten nutzten die (realen und eingebildeten) Ängste der lokalen Eliten vor einer chinesischen Expansion geschickt aus und banden so die Regierungen der Länder dieser Region noch enger an den Westen.

Unser Staat verfügte über die Erfahrung enger freundschaftlicher Beziehungen nur mit einem dieser Länder – Indonesien. Doch nach einem erfolglosen kommunistischen Aufstand 1965 kam es dort zu einem Machtwechsel, und wir verloren unsere Position in der Region. Es gab Kontakte zu Singapur, das einen starken Aufschwung erlebte, es gab noch Verbindungen zu Birma, das sich der Außenwelt verschloss, und es gab gelegentliche Versuche, sich Malaysia anzunähern, aber all das war sehr begrenzt. Die amerikanische Position in der Region schien stark zu sein, doch dann begann sich die Welt rasch zu verändern. China schlug den Weg des Waren- statt des Revolutionsexports (und der Anziehung von Investitionen) ein, und die Angst der ASEAN vor dem Kommunismus ließ nach. Schließlich holte man in Moskau die rote Fahne ein. Gleichzeitig machte die Region große Fortschritte – die wirtschaftlichen Wachstumsraten beeindruckten die Welt, und die Bezeichnung Südostasien bekam einen stolzen Beiklang. Aus der "Fünf" wurde eine "Zehn": Vietnam, Laos, Kambodscha, Brunei und Birma, das zu Myanmar geworden war, kamen hinzu. Die ASEAN-Staaten waren keineswegs mehr eine US-amerikanische Zone, aber sie wollten auch keine chinesische Marionette werden. Der ASEAN-Verband ging seinen eigenen Weg und stärkte sowohl die Region als Ganzes als auch seine einzelnen Länder.

Und dies, obwohl kein anderer regionaler Zusammenschluss (weder im arabischen, lateinamerikanischen noch europäischen Raum) eine solche Vielfalt aufweist – absolute und konstitutionelle Monarchien, Bundes- und Einheitsstaaten, kommunistische Länder, buddhistische, muslimische (einschließlich Indonesiens, des bevölkerungsreichsten Staates der islamischen Welt) und katholische. Darüber hinaus sind fast alle Länder multiethnisch und haben sogar schlechte Erfahrungen mit interethnischen Beziehungen – sowohl innerhalb des Landes als auch mit seinen Nachbarn. Mit anderen Worten: eine gewaltige Aufgabe für die Integration.

Und es gibt auch einen externen Faktor: Die Region liegt zwischen Indien und China, den beiden mächtigsten asiatischen Zivilisationen, die Einfluss auf ihre Nachbarn beanspruchen. Dies ist eine historische, jahrhundertealte (und sogar jahrtausendealte) Gegebenheit, aber es gibt auch eine Errungenschaft der letzten zwei Jahrhunderte – den angelsächsischen (und im weiteren Sinne – westlichen) Einfluss. Praktisch alle ASEAN-Länder, mit Ausnahme Thailands, waren Kolonien (Brunei erlangte erst vor 40 Jahren seine Unabhängigkeit), aber auch nach der Erlangung der Souveränität blieb der angelsächsische Einfluss enorm (der menschliche, finanzielle und humanitäre englische Einfluss wurde durch den militärischen und geopolitischen amerikanischen Einfluss ergänzt). Und am Rande dieser Region befindet sich schließlich Australien, das nicht nur ein wichtiger Handelspartner ist, sondern auch einen Teil der angelsächsischen Welt im pazifischen Raum darstellt.

Doch all diese geografischen und geopolitischen Schwierigkeiten bedeuten nicht, dass die ASEAN-Gruppe antriebslos den Wellen ausgeliefert ist – im Gegenteil, sie fühlt sich auf der Weltbühne immer sicherer. Zudem zeigt sie schon seit langem ein Interesse an Russland. Und, was besonders wichtig ist, sie beugt sich nicht dem Druck von außen – das heißt aus dem Westen – und baut ihre Beziehungen zu Russland als einem wichtigen Machtzentrum der neuen Weltordnung auf. So wie es auch die ASEAN-Länder selbst sein möchten.

Es ist kein Zufall, dass Premierminister Ibrahim bei seinem Treffen mit Putin nicht nur über das große Potenzial der Beziehungen zu Russland (sowohl seines Landes als auch der ASEAN insgesamt) sprach, sondern auch über die Tatsache, dass es Hindernisse für seinen Besuch in unserem Land gab: "Es ist nicht einfach, aber wir haben uns entschieden, hierherzukommen, weil es die richtige Entscheidung ist." Es ist klar, dass der Westen alle Länder des Bündnisses ASEAN, eines der Machtzentren der Welt, unter Druck setzt, aber alle finden, unabhängig von der Geschichte der Beziehungen zu Russland, die Kraft, ihre Interessen zu verteidigen. Allein in den letzten Monaten reiste Putin nach Vietnam, der designierte indonesische Präsident nach Moskau und nun auch der malaysische Premierminister nach Wladiwostok.

Südostasien kennt seine Interessen, hat die eigene Geschichte nur zu gut in Erinnerung und will nicht länger die angelsächsischen Märchen von der "roten Gefahr", also der "russischen Bedrohung" hören. Die russische Bedrohung existiert nur für die angelsächsische globale Weltordnung, aber die ASEAN-Länder glauben schon nicht mehr an deren lichte Zukunft.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 5. September 2024 auf RIA Nowosti erschienen.

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