Asien

China spricht die Sprache des Pragmatismus, die USA beherrschen jene der Konfrontation

Die jüngsten Äußerungen von Emmanuel Macron haben die Erosion von Washingtons "Nullsummen"-Diplomatie im Gegensatz zu Pekings "Win-Win"-Ansatz aufgezeigt. Aber wenn man nicht am Tisch sitzen will, sollte man auch nicht erwarten, ein Essen serviert zu bekommen.
China spricht die Sprache des Pragmatismus, die USA beherrschen jene der Konfrontation

Eine Analyse von Timur Fomenko

Im Laufe des Wochenendes hat der französische Präsident Emmanuel Macron politische Schockwellen ausgelöst, nachdem er China besucht hatte und anschließend erklärte, dass die Europäische Union ihre Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten verringern müsse. Zudem forderte er die westeuropäischen Nationen auf, keine "Anhängsel" Amerikas zu sein.

Es überrascht nicht, dass Macrons China-Reise in gewissen Kreisen Washingtons und westlichen Mainstream-Medien schlechtgeredet wurde und man ihn in schlechtes Licht rückte. Man warf dem französischen Präsidenten vor, die Bemühungen untergraben zu haben, "China unter Kontrolle zu bringen" und argumentierte dabei, dass Chinas überwältigende strategische Priorität in Wirklichkeit stets die Beziehungen zu Russland gewesen sei.

Aber ist es nicht erwähnenswert, dass China die diplomatische Fähigkeit bewiesen hat, gleichzeitig gute Beziehungen zu Russland und zu Frankreich zu unterhalten? Sich sowohl mit Wladimir Putin als auch mit Emmanuel Macron zu treffen und guten Willen zu zeigen? Und wenn ja, was sagt uns das über den aktuellen Stand der amerikanischen Diplomatie, wo eine "Alles-oder-Nichts"-Denkweise den Tag beherrscht, die verlangt, dass jedes Land der Erde Partei ergreift und sich gegen die Idee einer nuancierten, ausgewogenen "Win-Win"-Beziehung sträubt? Chinas diplomatische Erfolge haben in vielerlei Hinsicht das Versagen der amerikanischen Diplomatie ans Licht gezerrt.

Es gab eine Zeit, da war die US-Diplomatie pragmatisch und klug und China ist das beste Beispiel dafür. In den 1970er-Jahren ebneten Richard Nixon und Henry Kissinger meisterhaft den Weg zur Aufnahme von Beziehungen zum China von Mao Zedong, da sie glaubten, dass Peking als kritischer strategischer Partner in den Kalten Krieg eingebunden werden könnte, obwohl das Land selbst ein kommunistischer Gegner war. Dies war wohl einer der klügsten diplomatischen Schritte des 20. Jahrhunderts. Doch irgendwie sind die Lehren daraus von den aktuellen Außenpolitikern in Washington vergessen worden, die von einer "Nullsummen"-Diplomatie einer amerikanischen Hegemonie besessen und ideologisch eifrig genug sind, um das Konzept von Pragmatismus, Kompromissen und Engagement im Umgang mit anderen Ländern zu meiden.

Aufgebläht durch den korrosiven Einfluss des militärisch-industriellen Komplexes und der mit ihm verbundenen neokonservativen Extremisten, dreht sich die zeitgenössische Doktrin der amerikanischen Außenpolitik um die fortwährende Schaffung und Aufrechterhaltung von Spannungen und Konflikten, um Länder in den eigenen geopolitischen Orbit zu zwingen, wobei sie jedes einzelne Dilemma als einen Konflikt von "gut gegen böse" präsentieren, in dem sich die USA als einzige "gute Kraft" darstellen. Es ist eine Denkweise, die sich nach Amerikas "Sieg" im Kalten Krieg gefestigt hat, zusammen mit dem Glauben, dass die Hegemonie der USA über die Welt ein göttliches Recht darstellt. In diesem verzerrten Weltbild wird Frieden als "Politik der Beschwichtigung" verspottet, und jeder, der sich nicht der Agenda des ewigen Krieges und des Wettrüstens anschließt, wird als moralisch zerfressen verhöhnt. Verbündete sollen nicht angehört, sondern auf Biegen und Brechen dazu gezwungen werden, Amerikas Willen zu folgen.

Dieser außenpolitische Fanatismus hat die Fähigkeit der USA lahmgelegt, außerhalb ihrer eigenen ideologischen Disposition, pragmatische Beziehungen zu Ländern und zum Wohle der Allgemeinheit aufzubauen. Das ist genau das Gegenteil dessen, was China mit seiner Diplomatie in Ländern auf der ganzen Welt einsetzt. Und durch eine ironische Wendung hat dies die Fähigkeit der USA eingeschränkt, die eigenen Interessen zu sichern und zu bekommen, was sie wollen, oder einfach nur "mit am Tisch zu sitzen". Sehr aufschlussreich ist zum Beispiel, wie China eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Iran vermitteln konnte. In ihrer aktuellen Perspektive haben die USA für so etwas keinerlei diplomatische Kapazitäten übrig, weil zum einen ihre gesamte Nahostpolitik auf einer Aversion gegen den Frieden basiert, bei der Iran ständig als "Bedrohung" bekämpft werden muss, während gleichzeitig die eigenen militärischen Fähigkeiten als Hebel genutzt werden, um Sicherheitsgarant für den eigenen strategischen und kommerziellen Vorteil zu sein.

Ebenso ist dieser bizarre militaristische Eifer der Grund dafür, dass die USA darauf aus sind, den Konflikt in der Ukraine zu verlängern, in der Überzeugung, dass Russland niemals ein Kompromiss angeboten werden darf, während man gleichzeitig versucht, dasselbe Vorgehen in der Straße von Taiwan zu wiederholen. Was aber, wenn andere Länder andere Vorstellungen haben? Oder dieser Agenda der USA nicht mehr folgen wollen? Was ist, wenn eine Nation wie China durch gute Beziehungen zu möglichst vielen Nationen die internationale Perspektive prägen kann? Die USA haben die Bedeutung der Diplomatie über Bord geworfen und kennen nur die Sprache der Sanktionen, der Eindämmung, des Militarismus und der Konfrontation und geraten dadurch ins Hintertreffen gegenüber China, das die Bedeutung echter gegenseitiger Interessen schätzt und seinen Einfluss entsprechend geltend macht.

Hätte die aktuelle Generation der US-Außenpolitiker in den 1970er-Jahren im Weißen Haus gesessen, wäre die große geopolitische Annäherung an Peking nie zustande gekommen, denn das einzige Ziel wäre Hegemonie, Hegemonie und noch mehr Hegemonie gewesen. Daher wird heute daran gezweifelt, dass die USA in irgendeiner Weise mit China zum Wohle der Allgemeinheit zusammenarbeiten können. Aber wenn man nicht am Tisch sitzen will, sollte man auch nicht erwarten, ein Essen serviert zu bekommen. Es sind diese Vorstellungen von Größenwahn, die China zunehmend wie einen Königsmacher und Amerika wie einen aus den Fugen geratenen Eiferer erscheinen lassen.

Aus dem Englischen

Timur Fomenko ist ein politischer Analyst.

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