Indiens Ex-Außenminister: Russland ist keine Bedrohung für den indopazifischen Raum
Indien habe "durchgesetzt", dass in einer gemeinsamen Erklärung mit den USA, Japan und Australien Russland wegen des Konflikts in der Ukraine weder erwähnt noch verurteilt wurde. Darauf wies der ehemalige Außenminister Kanwal Sibal gegenüber RT. Sibal erklärte, dass die Aufmerksamkeit des sogenannten "Quad"-Bündnisses auf den indopazifischen Raum gerichtet bleiben sollte und Neu-Delhi keinen Streit mit Moskau habe.
Die Staats- und Regierungschefs des Quadrilateralen Sicherheitsdialogs gaben am Dienstag nach einem Gipfeltreffen in Tokio eine gemeinsame Erklärung ab. Diese konzentrierte sich im Wesentlichen auf Sicherheitsfragen im Südchinesischen Meer und in Asien im weiteren Sinne. Die Ukraine wurde kurz als "tragischer Konflikt" und "humanitäre Krise" erwähnt, auf die alle vier Staats- und Regierungschefs ihre Antworten erörterten.
Alle vier verwiesen auf die "Achtung der Souveränität und der territorialen Integrität", verurteilten Moskau jedoch nicht und nannten es nicht einmal beim Namen.
Sibal, ein altgedienter indischer Diplomat, der zwischen 2001 und 2002 Indiens Außenminister war, erklärte am Dienstag gegenüber RT, dass es sich hierbei nicht um ein Versehen handele. Er stellte fest:
"Russland ist keine Bedrohung für die Stabilität und Sicherheit der Länder im indopazifischen Raum."
"Deshalb wird die Einbeziehung Russlands oder des Ukraine-Konflikts ein Problem sein, denn zumindest Indien wird diese Art der Erweiterung der indopazifischen Agenda nicht akzeptieren."
Da Neu-Delhi Investitionen im Fernen Osten Russlands tätigt und weiterhin russisches Öl kauft, wurden in einer separaten Erklärung des Indo-Pacific Economic Framework – einer von den USA einberufenen Koalition von 13 pazifischen Ländern – am Montag weder die Ukraine noch Russland erwähnt.
In beiden Erklärungen habe Indien "die Einbeziehung der Ukraine oder Russlands im Sinne einer Verurteilung nicht zugelassen", abgesehen von der Erwähnung der humanitären Situation, so Sibal weiter.
Während US-Präsident Joe Biden in einem Bericht des Weißen Hauses über das Treffen des US-Staatschefs mit dem indischen Premierminister Narendra Modi am Dienstag in Tokio den "ungerechtfertigten Krieg Russlands gegen die Ukraine" verurteilte, gab Modi keine derartige Erklärung ab.
Sibal fügte zur bilateralen Erklärung hinzu:
"Indien hat nichts über die Ukraine gesagt, überhaupt nichts."
Mit Blick auf das Kommuniqué der Vierergruppe fügte er hinzu:
"Indiens Standpunkt hat sich durchgesetzt, und wir werden keine Verurteilung Russlands oder irgendeine negative Bezugnahme auf Russland akzeptieren."
Als Gründungsmitglied der Bewegung der Blockfreien Staaten während des Kalten Krieges rüstete Indien sein Militär mit sowjetischen Waffen aus, ohne jemals ein Bündnis mit der UdSSR einzugehen. Einigen Analysten zufolge stammen bis heute 85 Prozent der wichtigsten indischen Waffensysteme aus Russland oder der Sowjetunion, und in militärischen, wirtschaftlichen und politischen Fragen bezeichnen Neu-Delhi und Moskau ihre Beziehungen offiziell immer noch als "besondere und privilegierte strategische Partnerschaft".
Zwar haben die USA Indien neue Waffensysteme angeboten und Biden hat Modi gedrängt, die Käufe von russischem Öl nicht zu erhöhen, doch war das Weiße Haus bisher nicht in der Lage, Neu-Delhi für Sanktionen gegen Moskau oder eine offizielle Verurteilung der russischen Militäroperation in der Ukraine zu gewinnen.
Es stehe "überhaupt nicht zur Debatte", dass Indien Russland sanktioniere, sagte Sibal und fügte hinzu:
"Russland hat uns noch nie in der Geschichte sanktioniert, aber der Westen hat uns jahrelang sanktioniert."
"Indien wird sich an alle vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossenen Sanktionen halten."
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