"Vernichtet sie" – Indonesien setzt Militär gegen Unabhängigkeitsbewegung in Westpapua ein
Der seit 1963 von Indonesien besetzte Westteil der Insel Neuguinea ist seit Jahrzehnten Schauplatz einer gewaltsamen Unterdrückung der Unabhängigkeitsbewegung der melanesischen Papua und der von ihnen geformten Republik Papua Barat, die international nicht anerkannt ist. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung setzt die indonesische Regierung auf Militär und bezeichnet die Aktivisten der Papua-Unabhängigkeitsbewegung wie etwa die West Papua National Liberation Army (WPNLA) als Terroristen.
Seit April dieses Jahres spitzt sich die Situation in Westpapua zu. Das berichtet das britische Nachrichtenmagazin The Guardian. Es kam zu Gewaltakten zwischen der Papua-Unabhängigkeitsbewegung und indonesischer Polizei sowie Militär. Am 28. April wurden bei einem Gefecht im Bezirk Puncak – einer Hochburg der Unabhängigkeitsbewegung – mehrere WPNLA-Kämpfer sowie ein hochrangiger Offizier der indonesischen Polizei getötet. Daraufhin startete die indonesische Regierung eine groß angelegte Militäroperation, die bis heute andauert.
Die seit 2019 sukzessiv ausgebaute indonesische Militärpräsenz wurde weiter verstärkt. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters verlegte Indonesien das 315. Garuda-Bataillon nach Westpapua, dessen Soldaten den Beinamen "Satans Truppen" für ihre zahlreihen Einsätze in dem gewaltsamen Konflikt in Osttimor erhielten. Indonesiens Präsident Joko Widodo betonte gegenüber den indonesischen Medien, er habe den Einsatz umfangreicher Sicherheitskräfte befohlen, um "alle Rebellen aufzuspüren und zu fangen". Der Vorsitzende des indonesischen Parlaments, Bambang Soesatyo, forderte die Regierung zu einem schonungslosen Umgang mit den Rebellen auf:
"Vernichtet sie zuerst. Wir können später über Menschenrechte diskutieren."
Übergriffe auf Journalisten und Aktivisten
Seit Anfang Mai berichten Journalisten und Aktivisten aus Westpapua von Übergriffen durch das indonesische Militär und die Polizei. Im Bezirk Puncak ist das Internet lahmgelegt – nach Angaben der indonesischen Regierung handelt es sich um ein Kabelproblem. Rode Wanimbo, Frauenkoordinatorin der Evangelischen Kirche von Papua, äußerte, bereits beim Westpapua-Aufstand von 2019 sei das Internet unterbrochen gewesen. Wanimbo schildert bei The Guardian die dramatische Lage im Bezirk Puncak:
"Tausende wurden in Puncak vertrieben, fünf ganze Dörfer sind in den Dschungel geflohen. Krankenhäuser und Schulen wurden vom Militär übernommen. Die Soldaten sind überall. Wir leben in einem Kriegsgebiet."
Am 9. Mai wurde der bekannte Aktivist und Organisator der Proteste von 2019, Victor Yeimo, mit dem Vorwurf des Hochverrats, Aufruhrs sowie der Beleidigung der indonesischen Flagge und Hymne verhaftet. Yeimo ist gleichzeitig internationaler Sprecher des West Papua National Committee, einer Dachorganisation zahlreicher papuanischer Unabhängigkeits-Organisationen. Seine Anhänger fürchten seitdem um die Gesundheit des 38-Jährigen, von dem es bislang keine Nachricht gibt.
Extremely concerned about detention of #WestPapua pro-independence activist Victor Yeimo. He is at risk of torture or ill-treatment by the Indonesian security forces and must be given access to legal representation immediatelyhttps://t.co/zDppHpTc3Rpic.twitter.com/xKLqa0P2BM
— Josef Benedict (@josefroy2) May 10, 2021
Auch der bekannte westpapuanische Journalist Victor Mambor berichtet von Übergriffen auf seine Person. Nach kritischen Berichten über den indonesischen Militäreinsatz wurde sein Auto zerstört, und er erhielt Morddrohungen. Seine Anwältin Veronica Koman berichtet bei The Guardian, dies sei "ein weiterer Akt der Belästigung papuanischer Journalisten". Sie verdeutlicht:
"Wenn man eine Story bringt, die nicht auf Linie der Regierung ist, wird man attackiert."
Benny Wenda, der Präsident der Provisorischen Regierung der Republik Westpapua, betont die Bedeutung des Journalisten Mambor und seiner kritischen Plattform Jubi:
"Sie haben ihn und seine Journalisten schon viele Male angegriffen, verhaftet, diffamiert und geschlagen. Sie wollen Victor zum Schweigen bringen, damit er nicht von dem militärischen Übergriff auf Puncak berichten kann."
Nach der niederländischen Kolonialherrschaft folgte die Besetzung durch Indonesien
Die Insel Neuguinea wurde im 19. Jahrhundert von den Niederlanden als Kolonialbesitz beansprucht. 1884 besetzten deutsche und britische Kolonialtruppen den östlichen Teil der Insel (heute Papua-Neuguinea). Seit 1895 war die niederländische Herrschaft über den westlichen Teil der Insel als Teil der Kolonie Niederländisch-Indien zwischen den Kolonialmächten anerkannt. Nach zahlreichen Aufständen wurde im Oktober 1961 ein erstes Parlament in Westpapua gegründet. Mit der niederländischen Kolonialmacht wurde eine Unabhängigkeit der Republik Westpapua für das Jahr 1970 vereinbart. Dem kam Indonesien zuvor, das selbst erst 1949 seine Unabhängigkeit von den Niederlanden errungen hatte.
1962 landeten indonesische Truppen in Westpapua und begannen einen militärischen Konflikt. Auf Druck der USA willigten die Niederlande 1963 ein, mit Indonesien das New Yorker Abkommen zu schließen, das einen Übergang Westpapuas in das indonesische Herrschaftsgebiet regelte. In den Folgejahren sicherten sich US-Unternehmen die Schürfrechte für die Bodenschätze Westpapuas. 1969 inszenierte Indonesien einen Volksentscheid, den sogenannten Act of Free Choice, bei dem – unter Beihilfe durch die UNO – ausgesuchte Stammesführer aus Westpapua unter Androhung von Gewalt abstimmen durften. Einstimmig votierten alle für einen Verbleib innerhalb Indonesiens. Benny Wenda machte gegenüber The Guardian deutlich:
"Wir Westpapuaner nennen ihn den Act of no Choice."
Mit der indonesischen Besetzung der Insel startete der Unabhängigkeitskampf der melanesischen Bevölkerung der Papua. 1971 gründeten sie die Republik Westpapua – heute vor allem getragen von der West Papua Liberation Organisation (WPLO) und der WPLNA. Die Bewegung wurde von der indonesischen Regierung gewaltsam unterdrückt. Die Regierung der Republik Westpapua spricht von 50 Jahren der Massaker und bis zu 500.000 Todesopfern – mit dem Ziel, die Papua zur Minderheit der Bevölkerung zu machen. Gleichzeitig siedelten seit 1963 mehrere Hunderttausend Indonesier auf die Insel. Heute stellen sie etwa die Hälfte der fast drei Millionen Einwohner Westpapuas.
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