Lateinamerika

Bolivien: OAS präsentiert weiterhin keine Beweise für "Betrug" bei Präsidentschaftswahl

Direkt nach der Präsidentschaftswahl in Bolivien deutete die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in einem Vorbericht Betrug an und trug so entscheidend zum Staatsstreich und Rücktritt von Präsident Evo Morales bei. Ein Abschlussbericht liegt noch immer nicht vor.
Bolivien: OAS präsentiert weiterhin keine Beweise für "Betrug" bei PräsidentschaftswahlQuelle: AFP © Olivier Douliery

Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) verfügt bislang über keinen endgültigen Bericht zu den Präsidentschaftswahlen in Bolivien am 20. Oktober 2019. Dies geht aus einem Schreiben der OAS an das Forschungsinstitut Centro Estratégico Latinoamericano de Geopolítica (CELAG) hervor. Darin antwortet die OAS auf die Bitte von CELAG um Informationen zum besagten Bericht.

Mehr zum Thema - Wer steckt hinter dem Staatsstreich in Bolivien?

In der auf dem Twitter-Kanal von CELAG veröffentlichten Antwort vom 25. Oktober schreibt die OAS:

Diesbezüglich informieren wir Sie, dass, sobald der Abschlussbericht und alle seine Anhänge vorliegen, dieser öffentlich zugänglich sein wird.

Eine Information darüber, wann die Arbeit am Abschlussbericht beendet sein wird, enthält das Schreiben nicht. Es ist unterzeichnet von Gerardo de Icaza, dem Direktor der Abteilung für Zusammenarbeit bei Wahlbeobachtungen der OAS.

Über einen Monat nach der Präsidentschaftswahl in Bolivien sind die einzigen veröffentlichten offiziellen Dokumente der OAS zu dieser Wahl die Pressemitteilung vom 21. Oktober und die Vorberichte vom 23. Oktober sowie vom 10. November.

Aufgrund dieser Vorabmeldungen und Vorberichte, aus denen selbst ihr "vorläufiger" Charakter hervorgeht, wurde die Information eines angeblichen Wahlbetruges verbreitet und der "demokratische Protest" gegen den amtierenden Präsidenten Morales gerechtfertigt. Dieser zog sich am 10. November von seinem Amt und anschließend ins Exil nach Mexiko zurück, um angesichts der eskalierenden Gewalt im Land sowie speziell gegen ihn und Anhänger seiner Partei Movimiento al Socialismo (MAS) und der Gewerkschaftsbewegungen weiteres Blutvergießen zu vermeiden.

Mehr zum Thema - Bolivien: Zehntausende Fake-Accounts auf Twitter für Putsch-Propaganda

Kritik am Vorbericht und am Vorgehen der OAS

Kritik an der Arbeit und am Vorgehen der OAS im Rahmen ihrer Wahlbeobachtermission in Bolivien übt neben CELAG auch das Center for Economic and Policy Research (CEPR). Bei ihren Untersuchungen des Vorberichts der OAS erkennen beide Forschungseinrichtungen darin gravierende Unstimmigkeiten. CELAG hatte deshalb weitere Informationen von der OAS zu ihrer Analyse der Präsidentschaftswahlen und der Veröffentlichung des Abschlussberichtes angefordert. Dem ist die OAS bislang nicht nachgekommen.

Sowohl CELAG als auch CEPR weisen die Behauptung des OAS-Vorberichts zurück, dass es im Verlauf der Stimmenauszählung zu schwer erklärlichen Unstimmigkeiten zugunsten von Morales gekommen sei. Den Untersuchungen von CELAG und CEPR zufolge ergeben sich die Stimmenzunahmen für Morales aus der Reihenfolge der Auszählung der Wahlkreise. Die Ergebnisse aus den ländlichen Wahlkreisen mit traditionell hohem Stimmenanteil für Morales wurden erst später übermittelt.

Dieser Umstand sei der OAS zudem bekannt gewesen. Insgesamt sei das Ausmaß des Stimmenzuwachses und damit der Wahlsieg für Morales in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen mathematisch übereinstimmend mit dem Trend der Resultate der Auszählung. Zu keinem Zeitpunkt hätten daher "Überraschungen" oder "Unregelmäßigkeiten" zugunsten Morales vorgelegen, wie von der OAS behauptet.

Mark Weisbrot, Co-Direktor des CEPR, wirft der OAS eine politische Einflussnahme und "üble Täuschung der Öffentlichkeit" vor, die den Staatsstreich in Bolivien maßgeblich befördert habe und diesen unterstütze. Dies sei nicht das erste Mal, dass sich die OAS derart politisch in Wahlen in der Region einmischt. Da sie überwiegend aus den USA finanziert werde, sei die Organisation entsprechend anfällig für politische Einflussnahmen aus Washington.

CELAG sieht in Bolivien weder einen Wahlbetrug noch einen Volksaufstand am Werk, sondern ein Netzwerk von Machtinteressen.

Kein 'Betrug' oder Volksaufstand. Hinter jedem Staatsstreich steckt ein Hintergrund: Das ist das Netzwerk der Macht der Verantwortlichen für den Staatsstreich in Bolivien.

Kritik kommt auch von Abgeordneten des US-Kongresses. In einem offenen Brief an den Leiter der OAS-Beobachtermission in Bolivien, Manuel González, ziehen sie mit einem zehn Punkte umfassenden Fragenkatalog implizit den Vorbericht der OAS in Zweifel.

Unterdessen haben auch zahlreiche Ökonomen und Statistiker eine Stellungnahme unterzeichnet, in der sie das Vorgehen der OAS bei den Wahlen in Bolivien kritisieren und der dadurch verbreiteten Behauptung eines "Wahlbetruges" widersprechen. Sie bestätigen den Sieg von Morales in der ersten Wahlrunde und fordern, die demokratischen Institutionen und Prozesse zu respektieren.

Mehr zum Thema - Die geopolitische Bedeutung des "Lithium-Dreiecks" in Südamerika

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.