Lateinamerika

Venezuela: Regierung und Teile der Opposition einigen sich – Guaidó bricht Dialog mit Maduro ab

Regierung und Teile der Opposition haben bei den seit Monaten laufenden neuen Verhandlungen zur Überwindung der schweren Krise des Landes erste Einigungen erzielt, während der selbst ernannte "Interimspräsident" Juan Guaidó zuvor den international vermittelten Dialog abbrach.
Venezuela: Regierung und Teile der Opposition einigen sich – Guaidó bricht Dialog mit Maduro abQuelle: www.globallookpress.com

Die venezolanische Regierung und ein gemäßigter Teil der Opposition unterzeichneten vergangene Woche ein Abkommen im Rahmen des "Mesa Nacional de Diálogo por la Paz" (Nationaler Verhandlungstisch für den Frieden), in dem sie seit mehreren Monaten zusammenarbeiten.

Diese erste Vereinbarung zwischen der Regierung und der Opposition umfasst folgende Punkte:

  • Rückkehr der Parlamentsfraktion der regierenden Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) und alliierter Bewegungen in das nationale Parlament (Asamblea Nacional, AN);
  • Neubesetzung des Nationalen Wahlrates (Consejo Nacional Electoral, CNE) und Garantie des Abstimmungsverfahrens;
  • Aufforderung an das Justizsystem, sich über die Wahrheitskommission auf Maßnahmen zur Lösung des Freiheitsentzuges in den Fällen zu einigen, in denen das venezolanische Rechtssystem dies zulässt;
  • Bekräftigung und Verteidigung der Rechte Venezuelas am Gebiet Esequiba Guyana im Rahmen politischer Verhandlungen;
  • Zurückweisen der Sanktionen und Forderung nach deren sofortiger Aufhebung;
  • Ausarbeitung eines Programms für den Austausch von Öl für Lebensmittel, Arzneimittel und Gütern der Grundversorgung gemäß den Mechanismen der Vereinten Nationen

Bei den verhandlungsbereiten Teilen der Oppostion handelt es sich um kleinere Parteien und Bündnisse. Namhaftester Vertreter ist dabei die Partei Avanza Progresista des früheren Präsidentschaftskandidaten der Opposition Henry Falcón. Dieser trat bei den Wahlen 2018 gegen den amtierenden venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro an und konnte gut 21 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen. Damit setzte Falcón sich bereits damals von der Strategie des Wahlboykotts anderer Oppostionsparteien wie der Voluntad Popular von Juan Guaidó und Leopoldo López ab.

Präsident Maduro äußerte sich zufrieden über die mit einem Teil der Opposition erzielte Einigung, die er als "klugen und notwendigen Schritt" für den Frieden und die Stabilität des lateinamerikanischen Landes bezeichnete, das sich in einer tiefen wirtschaftlichen und politischen Krise befindet. Maduro dankte der norwegischen Regierung für ihre Vermittlungsbemühungen und versicherte, dass andere politische Kräfte, die ihn als Präsidenten ablehnen, an den Verhandlungen teilnehmen können.

Rückkehr ins Parlament, Erneuerung des Wahlrates und "offene Türen"

Zu den bedeutendsten Punkten der Vereinbarung zählt die Rückkehr der Regierungsfraktion in das nationale Parlament (AN). Deren Abgeordnete hatten die Teilnahme an den Sitzungen des Parlaments mit der Begründung eingestellt, dass sich dieses Gremium unter "Missachtung" der Urteile des Obersten Gerichtshofs (TSJ) konstituiert hatte.

Wir wollen, dass die Nationalversammlung aus dem Zustand der Missachtung herauskommt, deshalb ist es ein gewaltiges Abkommen", kommentierte Maduro diesen Teil der Übereinkunft.

Hinsichtlich der Einigung, die Behörden des Nationalen Wahlrates (CNE) zu erneuern, der für die Organisation der Wahlen in dem lateinamerikanischen Land zuständig ist, sagte der Präsident:

Wir waren stets offen für die weitreichendsten Garantien dafür, dass die kommenden Wahlen eine breite politische Beteiligung haben werden.

Der Minister für Kommunikation, Jorge Rodríguez, erklärte, die Regierung sei weiterhin bereit, die Verhandlungen fortzusetzen:

Wir haben uns keiner Initiative verschlossen, um unter Venezolanern die Probleme zu lösen, die nur die Venezolaner angehen, und wir werden uns dem auch zukünftig nicht.

Der "Nationale Verhandlungstisch für den Frieden" wurde eingerichtet, um eine "politische Lösung" im Rahmen der venezolanischen Verfassung zu erreichen, sagte der Minister. Es gibt Teilvereinbarungen und eine offene Agenda für andere politische Organisationen, die sich anschließen wollen, so Rodríguez weiter.

"Ein anderer Weg als der des Hasses"

Der Parlamentsabgeordnete der an der Einigung beteiligten Oppositionspartei Cambiemos Timoteo Zambrano verwies auf den dreimonatigen Prozess, der dem Abkommen vorangegangen war, und forderte, "die verlorene Zeit aufzuholen". "Wir wollen (...) einen anderen Weg als den des Hasses."

"Wir haben entschieden, einen Schritt voranzugehen", unterstrich Zambrano und bat die Regierungen rund um den Globus um deren Unterstützung.

Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Wir haben den gemeinsamen Willen, einen grundlegenden Prozess für einen 'Nationalen Verhandlungstisch für Venezuela' einzuleiten.

Zambrano versicherte, dass dies die erste in einer Reihe von Vereinbarungen ist, die darauf abzielen, "die Hindernisse zu beseitigen, die der Demokratie schaden":

Es ist kein einfacher Weg, aber er ist anders. Wir verpflichten uns zu transparentem und seriösem Handeln.

Die Reaktion von Guaidó

Der Oppositionsabgeordnete und Vorsitzende des entmachteten Parlaments Juan Guaidó, der als selbst ernannter "Interimspräsident" über keinerlei tatsächliche Regierungsmacht in Venezuela verfügt und international lediglich von einer Minderheit der Staatengemeinschaft anerkannt wird, hatte einen Tag zuvor erklärt, dass er den Dialog mit der Maduro-Regierung unter der Schirmherrschaft Norwegens nicht fortsetzen wird. Als Grund nannte er, dass sein Vorschlag zur Lösung der politischen Krise von der Regierung nicht akzeptiert worden war.

Dem Mitglied der Führungsriege der rechtsgerichteten Partei Voluntad Popular zufolge beinhaltete sein Vorschlag folgende Punkte: den Rücktritt Maduros vom Amt des Präsidenten, den Rückzug seiner selbst von der "Interimspräsidentschaft", die er nach seiner Selbsternennung im Januar diesen Jahres übernommen hatte, und die "Bildung eines pluralistischen Regierungsrates", der den Eintritt der "humanitären Hilfe" und die Durchführung von "freien Wahlen" erleichtern würde.

Darüber hinaus bekräftigte Guaidó, dass die Maßnahmen zur Ausübung von Druck "innerhalb und außerhalb Venezuelas zunehmen werden, um eine endgültige Lösung der Krise zu erreichen".

Die Vorgeschichte der Verhandlungen

Die von der Delegation unter der Leitung Guaidós am 15. September verlassene neue Gesprächsrunde hatte Mitte Mai mit der Vermittlung der norwegischen Regierung begonnen, vier Monate nach der Selbsternennung Guaidós zum "Interimspräsidenten".

Eine vorangegangene Verhandlungsrunde war im Januar 2018 abgebrochen worden, nachdem die Delegierten der Opposition den Verhandlungstisch mit der Begründung verließen, dass die Bedingungen eines vorherigen Abkommens abgeändert worden sein. Abgesandte der Regierung erklärten seinerzeit, dass ein Delegationsmitglied der Opposition, Julio Borges, vor der Unterzeichnung einer Übereinkunft einen Telefonanruf erhielt, der den Abschluss einer Vereinbarung verhinderte.

Nach dem Scheitern der damaligen Verhandlungen unterzeichnete die Regierung Maduro eine Vereinbarung mit dem weiterhin gesprächsbereiten und gemäßigten kleineren Teil der Opposition, die sich zur Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen von 2018 bereit erklärte.

Die gegenwärtigen neuen Verhandlungen finden auf der Karibikinsel Barbados statt, auf die sie nach ersten Begegnungen in der norwegischen Haupstadt Oslo verlegt worden waren. Aus Protest gegen die Zustimmung des Guaidó-Lagers zur Verschärfung der Wirtschafts- und Finanzsanktionen der Vereinigten Staaten gegen Venezuela hatte sich deren Regierungsdelegation von den Gesprächen zurückgezogen.

Dagegen erklärte Guaidó, dass sein "Vorschlag" während der Gesprächsrunde auf Barbados der wahre Grund für den Rückzug der Maduro-Delegation vom Verhandlungstisch gewesen war. Die nunmehr getroffene Vereinbarung zwischen der Regierung und Teilen der Opposition steht in einem beachtlichen Kontrast zur Agenda der Guaidó-Fraktion, die einmal mehr in den Ruf des Erfüllungsgehilfen außenpolitischer Interessen der USA gerät.

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