Prosur: Neue Regionalorganisation in Lateinamerika – gegen Unasur und pro USA?
Das Forum für den Fortschritt und die Entwicklung Lateinamerikas (Prosur) veranstaltet am Freitag seinen ersten Gipfel in Santiago de Chile, der Hauptstadt Chiles. Diese neue Organisation für die Integration der Staaten der Region wird hauptsächlich vom Gastgeberpräsidenten Sebastián Piñera und dessen kolumbianischen Amtskollegen Iván Duque befördert und getragen.
Als Duque am 14. Januar 2019 bekannt gab, dass er die Schaffung dieser neuen Organisation unterstützt, erklärte er, dass eines ihrer Ziele darin besteht, die Union der Südamerikanischen Nationen (Unasur) zu ersetzen. In diesem Sinne sagte der Präsident Kolumbiens, dass die neue Institution "mehr als eine bürokratische Organisation oder im Dienste einer bestimmten Regierung, sondern ein südamerikanisches Koordinierungsorgan sein wird".
In die gleiche Richtung äußerte sich die Sprecherin der chilenischen Regierung, Cecilia Pérez, gegenüber Tele13, dass Unasur "sich seit fünf Jahren nicht mehr getroffen hat" und schließlich "ein Forum voller Bürokratie, ohne jegliche Vereinbarung" sei. Stattdessen schlägt sie nun "etwas anderes vor, das das Potential Südamerikas mit unterschiedlichen Ideologien stärken wird" und zu dem "jeder zur Teilnahme eingeladen worden ist". Des Weiteren sagte sie, dass zwischen neun und zehn Länder die Teilnahme entweder über ihre Präsidenten oder Regierungschefs bestätigt haben.
Mitte Februar erklärte Piñera jedoch, dass die venezolanische Regierung unter der Leitung von Nicolás Maduro nicht zur Teilnahme an Prosur eingeladen wurde. Laut Piñera liegt dies daran, dass sie "nicht den Anforderungen entspricht": "Die volle Gültigkeit von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die uneingeschränkte Achtung der Freiheit und der Menschenrechte".
Obwohl angekündigt worden war, dass der Oppositionsführer im venezolanischen Parlament und selbsternannte Präsident Venezuelas, Juan Guaidó, am Gipfel teilnehmen würde, hieß es nunmehr, dass ihn seine Frau Fabiana Rosales beim Treffen vertreten wird. Das sagte der chilenische Außenminister Roberto Ampuero in einem Interview mit Radio Cooperativa, ohne weitere Angabe von Gründen. Er stellte jedoch klar: "Wenn wir über Venezuela sprechen, müssen wir entweder auf der Seite des Diktators oder der Demokraten stehen" und machte deutlich, dass Chile letzteres unterstützt.
Unasur gelähmt
Im April letzten Jahres sandten mit Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Paraguay und Peru, sechs der zwölf Länder, aus denen sich Unasur zusammensetzt, einen Brief an Bolivien, das turnusmäßig die Präsidentschaft der Organisation innehatte, um angeblich die Reaktivierung des Organismus wegen seiner "Lähmung" zu fordern.
Diese Staaten wiesen darauf hin, dass sie bis zur Wiederaufnahme der Aktivitäten von Unasur auf keiner der unterschiedlichen Ebenen der Organisation mit dieser zusammenarbeiten werden. Vier Monate später, als Duque die Macht in Kolumbien übernahm, kündigte das Land direkt seinen Austritt aus dem regionalen Staatenbündnis an.
Im Juli 2018 sprach der ecuadorianische Präsident Lenín Moreno von der Verlegung des Unasur-Hauptsitzes in den Westen der Hauptstadt Quito, wo momentan noch eine indigene Universität ihren Lehrbetrieb unterhält. Doch schließlich gab er erst vor wenigen Tagen den endgültigen Rückzug seines Landes aus der Organisation bekannt.
Kritik aus Chile am Gipfel
Abgesehen von der gemeinsamen Initiative und Förderung durch die Staatschefs von Chile und Kolumbien gab es kritische Stellungnahmen zu Prosur von verschiedenen Seiten, darunter auch aus dem Gastland des Gipfels. Der ehemalige chilenische Präsident Ricardo Lagos sagte gegenüber Radio Duna: "Es kann keine lateinamerikanische Einheit geben, die ideologisch ist, das kann nicht der Lauf der Dinge sein". "Eine andere Sache ist, dass es zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Übereinstimmung gibt, denn darum geht es bei der Demokratie", erklärte er, und fügte hinzu, dass es passieren könnte, dass Südamerika "durch seine jeweiligen Präsidenten mehr nach links oder mehr nach rechts gerichtet ist". Lagos bestand jedoch darauf, dass er nicht denkt, dass "Prosur das Beste für Chile ist".
Der Journalist José Robredo analysierte im Dialog mit RT, dass "sich Präsident Piñera bemüht hat, seine Führungsrolle in der Region zu stärken, indem er den neoliberalen Aufschwung in Lateinamerika ausnutzt und damit die regionale Ächtung seiner ersten Regierung hinter sich lassen will". Darüber hinaus erläuterte er, dass "die internationale Agenda ein Instrument war, um die Aufmerksamkeit von einer mittelmäßigen Regierungsarbeit mit ihren schlechten wirtschaftlichen Ergebnissen abzulenken, die für einen Abbau der Rechte steht und deren Wahlkampfslogan 'bessere Zeiten' weit davon entfernt ist, erfüllt zu werden."
Robredo betonte auch, dass "eine Reihe von Aktivitäten und Demonstrationen gegen dieses Treffen" parallel zum Gipfel stattfinden werden. Schließlich erklärten bereits oppositionelle Parlamentarier, "angeführt von der 'Frente Amplio Chileno'", den einen Tag zuvor im Land eingetroffenen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro zur Persona non grata.
Im Dienste des Nordens
Als Duque die Gründung dieses neuen Gremiums ankündigte, machte er ohne Umschweife deutlich, dass Prosur gemeinsame Aktionen koordinieren würde, um die Regierung Maduros in Venezuela zu "beenden", die er als "Diktatur" bezeichnete.
Vor diesem Hintergrund meinte der internationale Analyst Leandro Morgenfeld, dass diese neue Organisation "eindeutig mit der US-Strategie des 'Teile und Herrsche' zu tun hat, um die Länder der Region zu dominieren". "Diese neue Entwicklung, die sie in Gang setzen wollen", ist eine Koordination der "ultra-rechten Regierungen, um die bolivarianische Achse und jegliche politischen Optionen, die sich gegen sie selbst richten, anzugreifen", fügte er in einer Telefonkonferenz hinzu. In diesem Zusammenhang forderte er, "sich nicht verwirren zu lassen", da dieses Forum "eher als 'Pronorte' bezeichnet werden sollte, weil es nichts mit der Förderung der regionalen Integration zu tun hat, um eine größere Autonomie zu erlangen und als überregionaler Block über mehr Verhandlungsmacht zu verfügen". Im Gegenteil, so der Experte, "es geht darum, jene rechtsextremen Sektoren und Regierungen zu unterstützen, die sich Woche für Woche einen Wettbewerb darum liefern, wer sich den Anweisungen und Interessen Washingtons am folgsamsten unterordnet".
Einige Staaten weigerten sich hingegen, sich dieser Initiative anzuschließen. So im Falle von Bolivien, Venezuela und auch von Uruguay, das zwar teilnehmen wird, allerdings lediglich als Beobachter. In einer Pressekonferenz sagte der Präsident Uruguays Tabaré Vázquez, dass es notwendig sei, "Fehler zu vermeiden, die zuvor gemacht wurden". In diesem Sinne vertrat er die Ansicht, dass, wenn Unasurs Problem darin bestand, dass es "eine bestimmte politische Ideologie" gehabt habe, man "denselben früheren Fehler begeht", nun einen anderen Integrationsprozesses "mit einer ebenfalls politisch-ideologischen Zielsetzung" ins Leben zu rufen.
Entsprechend dieser Analyse fügte Robredo hinzu, dass "trotz dessen, dass es sich Piñeras Worten nach nicht um einen 'ideologischen' Block handeln würde, die regionale Agenda der konservativen Kräfte, der extremen Rechten und der Regierung von Donald Trump erfüllt wird". "Piñera, Duque, Bolsonaro und Mauricio Macri stehen an der Spitze der neoliberalen Welle, die den Kontinent erfasst und auf den Widerstand der sozialen Bewegungen, der Organisationen der Linken und der gesellschaftlichen Mehrheit trifft", so Robredo.
Morgenfeld zufolge soll sich Prosur nicht nur "als Sammelbecken für die konservative Offensive in der Region etablieren", sondern auch Staaten wie "Kuba, Venezuela, Bolivien und Mexiko schwächen", die eine "viel souveränere Position in Bezug auf die Außenpolitik und die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder" haben.
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