Uruguay: OAS-Chef wird wegen Einmischung in Venezuela aus Regierungspartei ausgeschlossen
von Maria Müller
Der umstrittene Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) verkündete jüngst, erneut für dieses Amt kandidieren zu wollen. Die USA und Kolumbien hätten ihn dazu aufgefordert, doch es gebe auch Unterstützung von anderen amerikanischen Staaten, begründete Luis Almagro seine Entscheidung. Er ist seit dem Jahr 2015 Präsident der Organisation, der 34 Staaten angehören. Sein Mandat endet 2020.
Widerstand gegen Luis Almagro
Doch in seinem Herkunftsland Uruguay formierte sich schon seit langem Widerstand gegen das aggressive und stark ideologisch gefärbte Auftreten des früheren Außenministers des südamerikanischen Landes. Mit einer Rhetorik wie aus den Zeiten des Kalten Krieges agiere er als politischer Fürsprecher von Umsturzaktionen gegen unliebsame progressive Regierungen, so der Vorwurf seiner Gegner.
Seine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Venezuelas, doch inzwischen auch in die Kubas und Nicaraguas, überschritten bei Weitem die Kompetenzen eines Generalsekretärs der OAS. Er habe mit seinen Äußerungen nicht nur die Grundprinzipien der Organisation selbst verletzt, sondern auch das internationale Recht der Vereinten Nationen missachtet, halten Kritiker ihm vor. So habe Almagro wiederholt mit einer militärischen Intervention in Venezuela gedroht.
Almagro will eine militärische Intervention nicht ausschliessen
Tatsächlich hatte der OAS-Präsident erklärt, man dürfe "keine Option ausschließen", um Venezuelas Regierungschef Nicolás Maduro zu Fall zu bringen. Für diese Aussage erntete der 55-Jährige entschiedenen Widerspruch. Selbst seine bisherigen Verbündeten, die Regierungen der "Staatengruppe von Lima", distanzierten sich von Almagro und erklärten:
Wir weisen jegliche Aktion oder Erklärung zurück, die eine militärische Intervention in Venezuela bedeutet.
In der Folge wies der Präsident Uruguays, Tabaré Vázquez, darauf hin, dass man Almagros Wiederwahl nicht unterstützen werde. Sein Außenminister Nin Novoa sagte: "Alle wissen, wie ein Krieg beginnt, doch niemand weiß, wie er endet."
Das Ausschlussverfahren in der Frente Amplio
In Uruguays Regierungsbündnis Frente Amplio (FA – "Breite Front") wollte man endlich Nägel mit Köpfen machen und Luis Almagro jede moralische und politische Legitimation entziehen. Als erste forderte die Kommunistische Partei seinen offiziellen Ausschluss aus der Koalition. Woraufhin Uruguays Ex-Präsident José Mujica meinte, dass Almagro bereits seit 2015 symbolisch ausgeschlossen sei – denn er habe ihm damals einen klaren Trennungsbrief geschrieben.
Doch die Mehrheit der Links-Koalition entschied sich für den formalen Schritt. Nach einer ausführlichen Begründung des FA-Schiedsgerichts Anfang Dezember beschloss nun am vergangenen Samstag die Plenarsitzung einstimmig den Ausschluss von Almagro.
Die Position Luis Almagros ist mit den Prinzipien der Frente Amplio in Fragen des Völkerrechts und mit dem Grundsatz der Nichteinmischung unvereinbar. Sie sind unverzichtbare Säulen des interamerikanischen Verbundes", heißt es in dem Begründungstext.
Verstoß gegen die Charta der OAS
Nach Ansicht des Schiedsgerichts verstößt Almagro sogar gegen die OAS-Charta, Artikel 2 B, indem er "den Sturz einer lateinamerikanischen Regierung durch militärische Gewalt" befürworte. In dem Urteilsspruch des Schiedsgerichtes wird des Weiteren an die historische Rolle der OAS erinnert, die in früheren Jahrzehnten den Einmarsch von US-Truppen in Ländern Lateinamerikas politisch unterstützte. Deshalb seien die Statuten der Organisation prinzipiell erneuert worden.
Heute proklamiert die Verfassung der OAS die Nichteinmischung als grundlegendes Prinzip von unumstößlichem Charakter. Wer dessen uneingeschränkte Gültigkeit missachtet, muss unbedingt bestraft werden," heißt es weiter in der Begründung zu Almagros Ausschluss.
Die OAS-Charta bestimme in Art.2, Buchstabe B, dass die Verteidigung der repräsentativen Demokratie nach dem Grundsatz der Nichteinmischung zu gestalten sei. "Kein Umstand der inneren Ordnung kann einen Verstoß gegen den Grundsatz der Nichteinmischung rechtfertigen", heißt es darin. Für die Frente Amplio sei die Verteidigung dieser Grundsätze existenziell, unabhängig davon, wie man die innere Situation in einem Land beurteile. Ein Blick in den Text der Charta der OAS legt übrigens auch (in Kapitel II, Art.3e) die weitgehende Toleranz gegenüber unterschiedlichen politischen Systemen offen:
Jeder Staat hat das Recht, ohne Einmischung von außen sein politisches, wirtschaftliches und soziales System zu wählen und sich in der Weise zu organisieren, wie es seinem souveränen Willen entspricht. Er hat die Pflicht, nicht in die Angelegenheiten eines anderen Staates einzugreifen. Unter diesen Voraussetzungen werden die amerikanischen Staaten umfassend zusammenarbeiten, unabhängig von der Art ihres politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systems.
OAS-Chef missachtet Välkerrecht
Das in der UN-Charta fixierte Völkerrecht bringe zum Ausdruck, dass "derjenige, der zu Handlungen gegen das Völkerrecht auffordert, ein Delikt oder Verbrechen begeht und vor ein Gericht gestellt werden muss", so das Parteitribunal. Auch in den Reihen der Opposition in Uruguay regt sich Widerspruch gegen eine Wiederwahl Almagros. So sprach sich Senator Jorge Larrañaga von der mitte-rechts zu verortenden Nationalpartei gegen eine weitere OAS-Präsidentschaft seines Landsmannes aus. Almagros politischer Richtungswechsel nach Ende seiner Außenministertätigkeit sei zu extrem und nicht nachvollziehbar.
Solche Leute, die sich völlig umdrehen und den Machtzentren gefällig sind, sobald sie in einem internationalen Sessel platznehmen, sind nicht vertrauenswürdig", sagte Parteichef Larrañaga.
Am Tag vor dem Ausschluss aus der FA schrieb Almagro einen Brief an das Parteitribunal und beschimpfte die Institution, wie er es gegenüber Kritikern ganz undiplomatisch zu tun pflegt. Doch vor allem bestätigte er den Vorwurf, das Grundprinzip seiner eigenen Organisation zu missachten oder nicht zu begreifen. Statt auf die Frage der Statuten und deren Gültigkeit einzugehen, konterte er polemisch, dass sich seine frühere Partei mit seinem Parteiausschluss auf das gleiche Niveau wie die "Diktaturen" in Venezuela und Kuba begeben würde.
Nach den Normen der OAS wird der Generalsekretär in der Generalversammlung mit einer einfachen Stimmenmehrheit von 18 Ländern gewählt. Kurz nach seiner Erstwahl 2015 hatte Almagro vor dem Permanenten Rat der Organisation erklärt, er werde nur fünf Jahre im Amt bleiben, um Staaten Mittelamerikas und der Karibik die Möglichkeit zu geben, diese Position einzunehmen.
Am Fall Almagro wird einmal mehr deutlich, wie sehr das real existierende internationale Recht im Bewusstsein der Völker unterdrückt wird. Die Öffentlichkeit erfährt kaum davon, dass in den Statuten der OAS der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Mitgliedsstaaten höchste Bedeutung zugemessen wird – ungeachtet der internen Probleme eines Landes. Die USA – und die tonangebenden internationalen Medien – setzen seit Jahren alles daran, diesen Grundsatz vergessen zu machen. Stattdessen wird die gewaltsame Einmischung als scheinbare Rechtsnorm propagiert, um illegalen militärischen Überfällen wie in Afghanistan, Irak, Serbien, Libyen oder Syrien den Anschein von Legalität zu verschaffen. Für Washington steht heute Venezuela auf dem Programm.
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