Mammutprozess gegen Drogenboss "El Chapo": Auch der "Krieg gegen die Drogen" steht vor Gericht
Er ist neben Pablo Escabor der wohl bekannteste Drogenboss der jüngeren Geschichte – Joaquín "El Chapo" Guzmán Loera. Immer wieder gelang es dem aus ärmsten Verhältnissen stammenden Boss des mexikanischen Sinaloa-Kartells, der Verhaftung zu entgehen, oder gleich zweimal aus einem Hochsicherheitsgefängnis zu fliehen. Nach seinem letzten Ausbruch aus dem Hochsicherheitsgefängnis El Altiplano, wurde er auf der Flucht letztendlich im Juli 2015 dingfest gemacht. Am 19. Januar 2017 erfolgte schließlich die Auslieferung an die USA, wo am 13. November unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen der Mammutprozess gegen den 61-Jährigen begann.
Das US-Gerichtsbarkeit in Brooklyn beschuldigt ihn des Schmuggels von Heroin, Kokain, Marihuana und Crystal Meth im Wert von 14 Milliarden US-Dollar über zweieinhalb Jahrzehnte in die Vereinigten Staaten. Neben Drogenhandel, wird dem Mexikaner zudem Geldwäsche und das Führen einer kriminellen Organisation zur Last gelegt. Immer wieder hätte Guzmán auch selbst angelegt, wenn es darum ging seine Macht zu erweitern, oder zu festigen. Die Verantwortung für 3000 Morde glaubt man ihm nachweisen zu können.
Doch auch auf Mexiko selbst wirft der Prozess, der unter extremen Sicherheitsvorkehrungen stattfindet, ein verheerendes Licht.
Mehr als 100.000 Menschen sind in den vergangenen Jahren Opfer von Gewalttaten geworden, 30.000 Menschen verschollen. Wir befinden uns in einer extrem schlechten Lage. Unser gesamtes politisches System ist korrupt", fasste der mexikanische Schriftsteller Juan Villoro die desolaten Folgen des Drogenterrors für Mexiko zusammen.
Nach Ansicht der Anwälte von El Chapo sei jedoch nicht er der wahre Boss des Sinaloa-Kartells, sondern sein ehemaliger "Geschäftspartner" Ismael "El Mayo" Zambada García. Der Verteidigung unter Anwalt Jeffrey Lichtman zufolge, seien die mexikanische Polizei und Politiker des Landes zudem nicht nur korrupt, sondern hätten sich auch jahrelang mit García verschworen, um El Chapo gegen Unsummen an Bestechungsgeldern ins Visier zu nehmen.
In Raum 8D des Bundesbezirksgerichts in Brooklyn sagte nun Garcías Bruder Jesus Zambada García gegen Guzmán aus. Demnach habe er für das Sinaloa-Kartell über Jahre monatlich mindestens 300.000 US-Dollar in die Bestechung hochrangiger Offizieller und Politiker investiert. Unter denjenigen, die gerne die Hand aufhielten, hätte sich unter anderem auch Genaro García Luna befunden, seines Zeichens Architekt des unter dem ehemaligen mexikanischen Präsidenten Felipe Calderón militarisierten Drogenkriegs. Dieser habe demnach bei mehreren Gelegenheiten jeweils mindestens drei Millionen US-Dollar in bar erhalten. Calderón selbst sei ebenfalls mit sagenhaften Millionenbeträgen bestochen worden.
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Neben dem ehemaligen Präsidenten, sei Jesus Garciá von seinem Bruder dazu beauftragt worden, auch den "aktuellen" Präsidenten zu schmieren. Da er dies jedoch vertraulich aussagte, bleibt demzufolge unklar, ob sich die Verteidigung auf den amtierenden Präsidenten Enrique Peña Nieto oder den designierten Präsidenten Andrés Manuel López Obrador bezog. Garciá sei bereit, diese Bombe vor Gericht platzen zu lassen, erklärte die Verteidigung von El Chapo gegenüber dem Richter Brian M. Cogan. Kaum war die Nachricht durch die Mauern des Gerichts gesickert, da fühlte sich der amtierende mexikanische Präsident zu einem scharfen Dementi genötigt.
Die Regierung von Enrique Peña Nieto hat den Kriminellen Joaquín Guzmán verfolgt, gefasst und ausgeliefert. Die Behauptungen seines Anwalts sind absolut falsch und zudem diffamierend", ließ der Präsidentensprecher verlautbaren.
Vor Gericht erwähnte Garciá die mutmaßliche Präsidenten-Bestechung dann jedoch nicht mehr. Dafür habe laut derNew York Times "die Regierung" dem Gericht "ein mysteriöses Memo" vorgelegt, dass dessen Titel zufolge "ein Kreuzverhör" Garciás "ausschließen" sollte. Die Mitteilung, die als Verschlussache eingereicht wurde, sorgte seitens der Verteidigung für Empörung.
Auch diejenigen im Gerichtssaal fragten sich, ob die Geschichte von einem korrupten Präsidenten tatsächlich erzählt werden würde", heißt es bei der bekanntesten US-amerikanischen Zeitung.
Letztendlich erklärte Richter Cogan, dass er sich mit den Staatsanwälten darauf geeinigt habe, die Anzahl der Kreuzverhör-Fragen der Verteidigung an García zu beschränken – angeblich, um "Personen und Entitäten" zu schützen, die nicht direkt in den Fall involviert seien und andernfalls in Schwierigkeiten geraten könnten.
Doch nicht nur Mexiko leidet unter der Schneise der gesellschaftlichen Verwüstung, die der Rauschgifthandel und Drogenkonsum hinterlässt. Was die einen als gelungenen Schlag der US-amerikanischen Antidrogenbehörde DEA (Drug Enforcement Administration) gegen das organisierte Verbrechen interpretieren, offenbart für die anderen vielmehr deren Versagen. Im Hinblick auf die Festnahme bekannter Größen des Drogenhandels und etwa die öffentlichkeitswirksame Verbrennung von Betäubungsmitteln war der sogenannte "Kampf gegen die Drogen" in der Tat ein Erfolg. In Hinblick auf den Schmuggel von Drogen in die USA, deren Verbreitung in Mittel- und Südamerika, die Zahl der Drogentoten und die gigantischen Gewinne ist der Misserfolg der Antidrogenbehörde eklatant. Mit anderen Worten, sitzt nicht nur Guzmán nun vor Gericht, sondern mit ihm auch der "Krieg gegen die Drogen".
So schätzt die Drug Policy Alliance, dass der "Kampf gegen den illegalen Drogenhandel" die US-Steuerzahler jährlich 58 Milliarden US-Dollar kostet. Das Jahr 2017 forderte einen hohen Tribut und stellte einen neuen Rekord auf: Demnach wurden 15.900 Todesfälle durch Heroin-Überdosen registriert. Ein trauriger Höchstwert an Todesfällen auch durch Kokain-, Meth- und Fentanyl-Missbrauch.
Eduardo Balarezo, einer von Guzmáns Verteidigern, erklärte, dass er sein Augenmerk auch auf die Abmachungen werfen werde, die Prozesszeugen ausgehandelt hätten. Ebenso beabsichtige er, die Taktik der DEA-Agenten in Frage zu stellen. Es wäre zumindest kein Präzedenzfall, dass sich entsprechende Agenten dubioser Machenschaften schuldig machten. Immer wieder wurden DEA-Mitarbeiter in der Vergangenheit für den Einsatz zweifelhafter Informanten und unangemessener Nähe zu Drogenhändlern zum mutmaßlichen Zweck der Strafverfolgung kritisiert.
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Nicht zuletzt Washingtons Unterstützung der korrupten mexikanischen Sicherheitsbehörden böte genügend Anlass für intensive Untersuchungen und entsprechende Fragen. Im Laufe des vergangenen Jahrzehnts lieferten die USA Hilfe im Wert von 1,6 Milliarden US-Dollar an die mexikanische Regierung, darunter Black-Hawk-Hubschrauber und Abhörgeräte. Doch die Gewalt verschärfte sich nur noch weiter. Auch hier stellt sich die Frage nach Motiv und Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens. Letztendlich folgt auch der Drogenhandel mit seinen gigantischen Gewinnmargen der Logik des Marktes, wonach die Nachfrage das Angebot bestimmt. Würde der Krieg gegen die Drogen als militärischer Konflikt eingestuft, wäre er einer der tödlichsten und längsten der Welt. Parallelen zum so genannten "Krieg gegen den Terror" sind nicht von der Hand zu weisen.
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