Lateinamerika

Kolumbien: Beim Verhältnis zu Venezuela geben die USA den Ton an

Bei seiner Amtseinführung erhielt der neue Präsident Iván Duque von den USA politische Anweisungen gegen Venezuela. In 36 Städten des Landes demonstrierten derweil Zehntausende von Oppositionsanhängern gegen den Schützling der extremen Rechten.
Kolumbien: Beim Verhältnis zu Venezuela geben die USA den Ton an

von Maria Müller

Am vergangenen Dienstag fand die Amtseinführung des neuen Präsidenten Kolumbiens, Iván Duque, statt. Zu den Feierlichkeiten erschienen zehn Präsidenten Lateinamerikas und Vertreter weiterer 17 Staaten. Die USA waren durch ihre UNO-Botschafterin Nikki Haley vertreten. Haley nutzte bei ihrem Besuch in Bogotá die Gelegenheit, um den 42-jährigen Präsidenten auf die Erwartungen einzuschwören, die man in Washington an ihn hat.

Am Tag von Duques Amtseinführung von Ivan Duquegab sie die Richtung für die kommenden Entwicklungen bekannt. Gegenüber Reportern in Bogotá äußerte sie sich über Kolumbiens neuen Präsidenten:

Duque versteht, dass es nicht in erster Linie darum geht, individuell Maßnahmen gegen die Krise in Venezuela anzuführen, sondern darum, dass sich die ganze Region daran beteiligt.

Nach Meinung von Haley kann Duque "leichter mit ihnen reden" als die Vereinigten Staaten, weshalb sie ihn bat, "die ganze Region an Bord zu nehmen". Mit ihren Worten hob sie auf eine Erklärung Duques in den USA ab, der dort im Juni seinen Antrittsbesuch absolviert hatte. Als Gastgeschenk beteuerte er im Weißen Haus, Maßnahmen gegen Venezuela ergreifen zu wollen.

Am Mittwoch reiste die US-Gesandte direkt in eine der Grenzregionen zu Venezuela, ins Departamento de Santander, um sich selbst ein Bild vor Ort zu machen. In der Nähe der Grenzstadt Pamplona soll es laut Nicolás Maduro Trainingscamps der kolumbianischen Armee für Venezolaner geben. Sie würden dort auf Fake-Angriffe getrimmt, mit denen dann der Vorwand für ein internationales militärisches Eingreifen in Venezuela geliefert werden soll. Im Juni erschien dort auch eine aus Argentinien stammende Einheit der "Weißhelme". Nach syrischem Vorbild?

Iván Duque bezog sich in seiner Rede zum Amtsantritt auf das Nachbarland Venezuela. Er nannte dessen Präsidenten zwar nicht direkt beim Namen, doch betonte er, "jede Art von Diktatur auf dem amerikanischen Kontinent zurückzuweisen". Politische Beobachter interpretieren diese Worte als eine indirekte Botschaft an Caracas. Die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten sind seit über einem Jahr auf dem Tiefpunkt.

Die beiden Ex-Präsidenten Kolumbiens bzw. Mexikos, Juan Manuel Santos und Enrique Peña Nieto, führten bis vor kurzem eine aggressive Kampagne gegen Venezuela an. Beides sind Staaten, deren Ausmaß an Menschenrechtsverletzungen alles übertrifft, was es in der Neuzeit in Lateinamerika gegeben hat. Weltweit nehmen sie dabei führende Plätze ein. Duque erklärte während der feierlichen Amtseinführung, er werde als Präsident "demokratische Werte" fördern, die 8,3 Millionen Opfer des Bürgerkrieges würden entschädigt werden.  

Gleichzeitig kündigte der Präsident an, die Abmachungen des Friedensvertrages "korrigieren" zu wollen. Völkerrechtlich ist ein unterzeichneter Friedensvertrag unter UNO-Garantie nicht einseitig veränderbar. Das ist für Iván Duque kein Problem, das war schon seine bisherige Praxis im Parlament.

Auf seiner Reise nach Washington am 5. Juni führte der junge Präsident vielversprechende Gespräche mit hohen Regierungsvertretern. Er traf sich u.a. mit US-Vizepräsident Mike Pence im Weißen Haus. Duque bedankte sich für "die große Unterstützung", die er von den hohen US-Beamten für einen künftigen Konfrontationskurs gegen die Regierung in Caracas erhielt.

Das Ergebnis war hochgradig positiv. Ich hatte Gespräche mit dem Vizepräsidenten Mike Pence, mit Gina Haspel, der Direktorin des CIA, und mit dem Außenminister Mike Pompeo", erklärte Duque dort vor der Presse.

Auch gegenüber dem früheren US-Präsidenten Barack Obama betonte Duque, wie wichtig es sei, dass beide großen Parteien im Kongress die künftige kolumbianische Außenpolitik unterstützten. Obama habe ebenfalls sehr zustimmend reagiert, freute sich der Kolumbianer. Die Zeichen stehen auf Krieg und Destabilisierung in Südamerika. Heute ist deutlich zu erkennen, dass die vorherige Entwaffnung der FARC-Guerilla darin eine wichtige Rolle spielte. 

Obwohl die neue Regierung im Parlament eine Mehrheit hat, ist sie doch auch mit einer geeinten und erstarkten Opposition der linken Mitte konfrontiert. Der unterlegene Präsidentschaftskandidat Gustavo Petro hatte immerhin acht Millionen Stimmen gegenüber den zehn Millionen des Iván Duque erhalten. Letzterer gilt als Schützling des rechtsaußen stehenden Ex-Präsidenten und heutigen Senators Álvaro Uribe, dessen Rolle in der neuen Regierung federführend sein dürfte.

Doch der Mann geriet in den vergangenen Monaten immer mehr in Konflikte der Justiz. Sein Bruder sitzt bereits in Untersuchungshaft. Santiago Uribe wurde des Mordes angeklagt, woraufhin Álvaro Uribe Zeugen bestochen und bedroht haben soll. Der wagemutige Staatsanwalt des Verfahrens beklagt sich inzwischen wegen Rufmordes durch Álvaros Medienmacht. Er belangte ihn bisher auch nur wegen Sabotage des Verfahrens, nicht wegen Mordes. Dennoch schwächt das schon zu Beginn das Ansehen der neuen Regierung.

Am Dienstag riefen der Oppositionsführer Gustavo Petro zusammen mit dem Anführer der neuen FARC-Partei Rodrigo Londoño (Timochenko) zu landesweiten Demonstrationen auf. In 36 Städten und Gemeinden gingen Zehntausende auf die Straße. "Wir kämpfen für den Frieden, das Leben und die soziale Gerechtigkeit", stand auf den Spruchbändern der Demonstrationen. Die Menschen fordern von der neuen Regierung, die Friedensvereinbarungen zu respektieren und die Welle der Gewalt gegen Menschenrechtsaktivisten und soziale Anführer zu stoppen.

In Kolumbien gibt es laut UNO 7,7 Millionen unversorgte Binnenflüchtlinge und 8,3 Millionen unentschädigte Opfer des Bürgerkrieges. Seit dem Friedensvertrag wurden 300 Friedensaktivisten und Bauernvertreter ermordet, ebenso 50 ehemalige FARC-Mitglieder und deren Familienangehörige. Die Regierung hat ihre Verpflichtungen aus den Friedensvereinbarungen nur zu 18 Prozent erfüllt. Die internationalen Friedensmillionen sind bis heute nicht abgerechnet, ihr Verbleib ist nur teilweise geklärt.

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