Lateinamerika

Vermeintliche Flüchtlingskrise: Wie Kolumbien die Welt an der Nase herumführt

Auch in Lateinamerika werden gerne propagandistische Mittel ausgeschöpft: Nachdem ausgewanderte Kolumbianer in großer Zahl wieder aus Venezuela zurückkehrt sind, malt Kolumbien das Horrorszenario einer Flüchtlingskrise. Dabei geht es um etwas ganz anderes.
Vermeintliche Flüchtlingskrise: Wie Kolumbien die Welt an der Nase herumführt© Jaime Saldarriaga

von Maria Müller

Wenige Tage nach der Rundreise des jüngst entlassenen US-Außenministers Rex Tillerson durch Südamerika begann eine neue Etappe im Propaganda-Krieg gegen Venezuela. Diesmal wird ein in den letzten Monaten angeblich verstärkter Exodus aus Venezuela in die Nachbarstaaten durch aufgebauschte Zahlen dramatisiert. Demzufolge sei eine riesige Flüchtlingswelle nach Kolumbien, Brasilien und in andere Staaten Lateinamerikas unterwegs.

Kolumbiens Regierung will an der Grenze zu Venezuela "Flüchtlingslager" nach dem Vorbild der Türkei bauen. Man wolle sich angesichts einer möglichen Migrationskrise auf eine solche Situation vorbereiten. 

Türkei zu Beratungszwecken angefragt

Präsident Juan Manuel Santos erbat sogar offiziell Hilfe und Beratung von der türkischen Regierung, da diese im Umgang mit den drei Millionen Flüchtlingen aus Syrien Erfahrung habe.

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Die Zusammenarbeit zwischen Kolumbien und der Türkei hatte schon vor einem Jahr begonnen, als es noch keinerlei Anzeichen für außergewöhnliche Migrantenströme aus Venezuela gab. Juan Carlos Restrepo, ein Sicherheitsberater von Präsident Santos, und zwei weitere hohe Beamte besuchten vom 7. bis 14. Mai 2017 mehrere Flüchtlingslager in der Türkei. Man wolle mithilfe der türkischen Regierung einen Sicherheitsplan ausarbeiten, um notfalls mehrere Millionen flüchtiger Venezolaner aufnehmen zu können. Die Türkei erklärte sich bereit, Kolumbien in diesem Fall hilfreich zur Seite zu stehen. 

Nun tönt seit einem Monat die dazugehörige Propagandatrommel über die großen "Flüchtlingsbewegungen" aus Venezuela. Laut US-Medien sollen 500.000 Venezolaner in den vergangenen Monaten nach Kolumbien gekommen sein.

Angespannte Versorgungslage und Kriegsangst beschleunigen Rückkehrbewegung

Die Realität der Migranten sieht bei näherem Hinschauen jedoch anders aus. Etwa 70 Prozent der Menschen, die heute nach Kolumbien kommen, sind rückkehrwillige Exil-Kolumbianer. In den vergangenen 20 Jahren hatten sich rund fünf Millionen auf der Flucht vor Krieg und Armut dauerhaft oder verübergehend in Venezuela niedergelassen. Sie wurden dort ohne viel Aufsehen in das soziale System integriert und den Venezolanern gleichgestellt. Venezuela erbat nie internationale Hilfe angesichts dieses beträchtlichen finanziellen Solidaritätsaufwands.

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Madeleine Labbiento Noda, Beauftragte der UNO-Flüchtlingsorganisation ACNUR in Venezuela, erklärte dazu:

Von den Vertriebenen, die in Venezuela leben, sind 99 Prozent Kolumbianer. Nach unserer Schätzung gibt es dort gegenwärtig rund 172.957 Personen, die von ACNUR als Heimatvertriebene eingestuft werden.

Mit dem Abschluss des Friedensvertrages zwischen kolumbianischer Regierung und Guerilla entstand eine Rückkehrbewegung von Kolumbianern in ihre alte Heimat. Sie wollen wieder in ihre angestammten Gebiete, wo sie auch Land und Besitztümer zurückgelassen hatten. Vielleicht beschleunigen die schwierige Versorgungslage und der komplizierte Alltag in Venezuela diesen Prozess. Vielleicht auch die Angst vor einem möglichen Krieg in Venezuela.

Juan Carlos Restrepo, Flüchtlingsbeauftragter des kolumbianischen Präsidenten, bestätigte vor kurzem ebenfalls:

Rund 70 Prozent der Menschen, die über die Grenze nach Kolumbien kommen, sind hier geboren. Manche haben gemischte Familien beider Nationalität.

Doch Präsident Juan Manuel Santos gibt eine andere Version zum Besten. Für ihn handelt es sich allemal um Venezolaner: "Die Ankunft von Venezolanern ist vielleicht das schwerste Problem, das Kolumbien gegenwärtig lösen muss", sagte er noch am 19. Februar nach dem Besuch von Rex Tillerson. Und weiter:

Kolumbien ist bereit, internationale humanitäre Hilfe entgegenzunehmen, um der Situation zu begegnen.

USA und EU sagen Hilfsmittel zu

Tillerson hatte noch in Bogotá verkündet, die USA würden prüfen, Kolumbien Gelder zu übergeben, um dem vorgeblichen Ansturm von Venezolanern Herr zu werden.

Inzwischen hat die Europäische Union ebenfalls Gelder zugesagt. Der EU-Kommissar für Humanitäre Hilfe und Krisenmanagment, Christos Stylianides, versicherte am 18. März, dass die EU zwei Millionen Euro an Kolumbien überweisen wird. Davon sollen zwei Millionen für die Betreuung venezolanischer "Flüchtlinge" in Kolumbien bereitgestellt werden. 

Die Heimkehrer werden nun auch in den Medien als "venezolanische Flüchtlinge" bezeichnet. Man verstärkt so erneut das Bild von kriegsähnlichen Zuständen und einem "humanitäres Chaos" in Venezuela. Die Kampagne nützt Kolumbien, um internationale Zuschüsse für den Bau von Auffanglagern zu ergattern. Eine wichtige Infrastrukturmaßnahme für den geplanten Krieg gegen Venezuela, ein von langer Hand vorbereiteter Schachzug.

Nach einem Bericht von Christian Krüger, dem Direktor der kolumbianischen Einwanderungsbehörde, gibt es keine eindeutigen Zahlen über registrierte Migranten aus Venezuela. Im Jahr 2017 verblieben 143.000 venezolanische Bürger nach Ablauf der dreimonatigen Turistenfrist illegal in Kolumbien und können als inoffizielle Migranten bezeichnet werden. Des Weiteren sind rund 362.000 Venezolanern überwiegend ein- und ausgereist, teilweise in Drittländer.

Man habe rund 632.000 Personen als "Pendler" registriert, denn rund 20 Prozent der Grenzbevölkerung in Venezuela sind Kolumbianer.

Kolumbien hat mehr Auswanderer als Venezuela

Die kolumbianische Regierung hat 50.000 Venezolanern eine "Grenzkarte" ausgestellt, damit diese sich auch ohne Pass flexibel im Grenzgebiet aufhalten können. Außerdem besitzen 150.000 Venezolaner eine "spezielle Aufenthaltsgenehmigung", wodurch sie zwei Jahre lang in Kolumbien arbeiten und studieren können. All das erhöht natürlich die Zahl der Menschen an den Grenzstellen täglich um mehrere tausend.

Diese Grenze war schon immer sehr durchlässig, nicht erst heute. Die Fotos von den Tausenden von Venezolanern an den Grenzübergängen sind echt. Sie werden überall in der Presse gezeigt. Nur das andere Foto wird nicht gezeigt, wenn die gleichen Mitbürger noch am selben Tag wieder zurückkehren, oder am darauffolgenden Tag", erzählte eine Venezolanerin den Journalisten.

Nach den Daten der Internationalen Migrantenorganisation (OIM) hat nicht Venezuela, sondern Kolumbien die meisten Auswanderer Südamerikas. Das kolumbianische Außenministerium nennt die Zahl von 4,7 Millionen Bürgern im Ausland. Hat jemals eines der Nachbarländern von Kolumbien den Bau von Flüchtlingslagern an der Grenze Kolumbiens gefordert?

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