Lateinamerika

Kolumbien: Zahlreiche Unregelmäßigkeiten bei Parlamentswahl

Am Sonntag haben in Kolumbien die Parlamentswahlen und Vorwahlen der Präsidentschaftskandidaten stattgefunden. Die Rechte erreichte eine Mehrheit im Kongress. Nach zahlreichen Anzeigen wegen Wahlbetrugs spricht die linke Opposition nun von "dunklen Ergebnissen".
Kolumbien: Zahlreiche Unregelmäßigkeiten bei Parlamentswahl Quelle: Reuters © Reuters

von Maria Müller

Am vergangenen Sonntag fanden in Kolumbien die Wahlen zum Parlament statt. Auch über die Präsidentschaftskandidaten von zwei großen Parteienkoalitionen wurde abgestimmt. In der rechten Koalition "Große Befragung für Kolumbien" setzte sich der Rechtsanwalt Ivan Duque durch, der dem Ex-Präsidenten Alvaro Uribe nahesteht. Die Rechte erreichte außerdem eine knappe Mehrheit im Kongress.

Die linke Koalition "Gesellschaftliche Gleichberechtigung für den Frieden" wählte mit über 80 Prozent den Kandidaten Gustavo Petro, früherer Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá. Der Zusammenschluss aus Mitte-Links-Parteien, den Grünen und einer Indigenenpartei unterlag im Parlament, verzeichnete jedoch einen Zugewinn an Sitzen. 

Die FARC-Partei hatte nach zahlreichen Angriffen ihre Wahlkampagne eingestellt und erreichte nur 54.000 Stimmen. Gemäß der Friedensvereinbarung besetzte sie vier Jahre lang fünf Sitze im Senat, um dort bei den Debatten über die Gesetze des Friedenspaktes mitreden zu können.

Am 27. Mai soll der nächste Präsident Kolumbiens definitiv gewählt werden. Bei einem Patt wird es eine Ballotage-Runde geben.

Rund 36 Millionen Kolumbianer waren zum Urnengang aufgerufen, davon 720.000 im Ausland. Doch die niedrige Stimmabgabe lag erneut bei knapp 46 Prozent, in einigen Departments bei nur 30 Prozent. Die Nichtwähler sind die Mehrheit im Land, eine Konstante im politischen Leben Kolumbiens. 

Die Organisation der Amerikanischen Staaten hatten diesmal nur eine kleine Gruppe von 20 Wahlbeobachtern aus 11 Ländern eingesetzt. Auch die Mission der Union Südamerikanischer Staaten (UNASUR) begleitete den Urnengang.

Vier Tage vor der Abstimmung besuchte der Links-Kandidat Gustavo Petro den Generalsekretär der OAS, Luis Almagro, und bat um eine erweiterte Beobachtergruppe und um mehr Mittel, damit sie ihrer Aufgabe in dem großen Land auch gerecht werden können. Almagro reagierte nicht auf diesen Wunsch.

Petro kritisierte außerdem, dass die besonderen Schutzmaßnahmen für seine Person von der kolumbianischen Regierung nie verwirklicht wurden. Denn bereits im Jahr 2014 hatte der internationale Menschenrechtsgerichtshof der OAS von Kolumbien den Schutz des Politikers eingefordert. In der Endrunde der Wahlkampagne war auf ihn ein Attentat verübt worden, dem er dank der schusssicheren Scheiben seines Autos unverletzt entkam. 

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Friedlicher Urnengang mit zahlreichen Unregelmäßigkeiten

Am Tag des Urnengangs verlief alles friedlich. Doch zahlreiche Unregelmäßigkeiten werfen große Fragezeichen hinsichtlich der Ergebnisse auf. Insgesamt wurden 2.000 Beschwerden eingereicht.

Auf Twitter kritisierte Gustavo Petro am Sonntag, dass die gesetzlichen Normen von der Regierung mehrfach verletzt wurden:

Ich kann nicht überprüfen, ob die von der Wahlbehörde angegebenen Ergebnisse im Fall meiner Wahl wahrhaftig sind. Sie hat die Stimmenzahlen der Wahltische nicht on-line veröffentlicht. Entgegen dem Richterspruch wurde meinen Wahlzeugen die Anwesenheit an den Tischen verweigert.

Die Ergebnisse der Urnen wurden stattdessen telefonisch an die Zentrale übermittelt, was kein objektives Überprüfen ermöglichte. Es wurden auch keine nachträglichen Kontrollauszählungen durchgeführt. Petro kritisierte zudem, dass die Wahlbehörde seinen Vertretern die Kontrollen des Wahlsystems erschwerte.

Einige Kandidaten der FARC-Partei konnten ihre Stimme nicht abgeben, da ihre Personalausweisnummer nicht im Verzeichnis auftauchte, obwohl sie sich eingeschrieben hatten. Der kolumbianische Politologe Álvaro Villarraga erklärte dazu gegenüber der Presse:

Das Wahlsystem in Kolumbien ist sehr veraltet, es ermöglicht Manipulationen aller Art. In dem Friedensvertrag von Havanna steht, dass das System modernisiert werden muss, um seine Transparenz und effektive Kontrollmöglichkeiten zu garantieren.

Vermisst: Stimmzettel in 26 Wahllokalen

In mehreren Großstädten fehlten Stimmzettel. Juan Carlos Galindo, Direktor der Wahlbehörde, versicherte, dass 30 Millionen solcher Zettel gedruckt wurden. Doch gegen Mittag waren sie trotz niedriger Stimmabgabe aus 26 Abstimmungszentren des Landes verschwunden. Die Bürger mussten mit Fotokopien vorlieb nehmen. Die schwarz-weiss-Kopien ließe sich jedoch nicht durch unterschiedliche Farben wie die gedruckten Zettel unterscheiden. Manche Leute erklärten auf Facebook, dass man ihnen einfach eine Kopie in die Hand drückte, ohne zu berücksichtigen, für wen sie stimmen wollten. Offensichtlich lagen die Zettel nicht in den Kabinen aus, sondern mussten am Wahltisch abgeholt werden.

Der Generalstaatsanwalt leitete inzwischen ein Untersuchungsverfahren gegen Beamte der Wahlbehörde wegen unterlassenem Vorausplanen beim Verteilen der Wahlzettel ein. In den sozialen Netzen tauchten im Laufe des Tages Amateur-Videos von Bürgern auf, die Unregelmäßigkeiten beobachteten. So wurde am Eingang eines Wahllokals in Tumaco der Stimmenkauf von Sympathisanten eines rechten Kandidaten registriert. Zwei Frauen verteilten an der Tür des Lokals Geld an Wähler. 

In zwei anderen Lokalen wurde gefilmt, wie die Beisitzer am Wahltisch die Stimmzettel der linken Koalition versteckten. Das soll vielerorts vorgekommen sein. Aus Madrid meldete eine Wählerin, dass das kolumbianische Konsulat die Wahlergebnisse manipuliert habe und veröffentlichte die Fotos der Formulare.

Die Beobachtermission der UNASUR verkündete am Tag danach auf einer Pressekonferenz eine Reihe von "Empfehlungen", die in Wahrheit eine Kritik am praktizierten System Kolumbiens darstellen.

So habe man bereits im Jahr 2014 angemahnt, das Wählerverzeichnis zu bereinigen und zu aktualisieren. Das ist bis heute nicht geschehen. Dieser Arbeitsprozess sollte zudem extern überprüft werden.

Auch sollten die Wahlkreise neu umverteilt werden. Die Stimmzettel müssten grafisch neu gestaltet werden, sie seien unübersichtlich. Die Beamten der Obersten Wahlbehörde an den Tischen müssten besser ausgebildet sein und das Protokoll für Ausnahmesituationen wie im Fall der fehlenden Karten kennen.

Der OAS-Generalsekretär Luis Almagro hat bis jetzt zu allem geschwiegen. Auf seiner Twitter-Seite finden sich seit dem Besuch von Gustavo Petro keine weiteren Kommentare. Im Fall des Wahlbetrugs in Honduras sagte er zum Urnengang, er sei von "niedriger Qualität", und forderte Neuwahlen. Ohne Nachdruck und Konsequenzen. Im Fall von Venezuela will er die Präsidentschaftswahlen von vorneherein verbieten. Die Demokratie- und Menschenrechts-Rhetorik wird immer brüchiger. 

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