
Warum drohen die USA mit einer Invasion in Mexiko?

Von Geworg Mirsajan
Am 3. September fand ein Treffen zwischen US-Außenminister Marco Rubio und der mexikanischen Präsidentin Claudia Sheinbaum statt.
Es handelte sich dabei keineswegs um ein rein protokollarisches Treffen. Die Aufgabe des US-Außenministers bestand darin, die zwischen Washington und Mexiko-Stadt entstandenen Spannungen aufgrund des von US-Präsident Donald Trump erklärten Kampfes gegen die Drogenkartelle sowie der von ihm für diesen Kampf vorgesehenen Methoden zu entschärfen.
"Es geht darum, dass der US-Präsident terroristischen Organisationen, die mit dem Drogenhandel in Verbindung stehen, den Krieg erklären will", erklärte Rubio.
In der Tat: Trump gab dem US-Militär das Mandat, den Krieg gegen die Drogenkartelle in jedem beliebigen Gebiet zu führen, und vor einigen Tagen versenkten sie ein Boot, das vermutlich Drogen aus Venezuela transportierte. Rubio erklärte, dass die USA weiterhin die Infrastruktur der Kartelle zerstören würden – ebenso wie die Transportmittel, mit denen diese Drogen in die USA schmuggeln.

"Das sind keine Börsenmakler. Das sind keine Immobilienmakler, die nebenbei mit Drogen handeln. Wenn jemand sich auf einem Boot befindet, das in Richtung USA fährt und mit Kokain oder Fentanyl beladen ist, stellt er eine unmittelbare Bedrohung für die Vereinigten Staaten dar", erklärte Rubio.
Die Mexikaner haben allen Grund zu befürchten, dass das US-Militär das nächste Mal nicht nur ein Boot auf See angreifen würde, sondern ein Drogenlabor in Mexiko. Denn die mexikanischen Drogenkartelle sind derzeit die wichtigsten Akteure auf dem kriminellen Markt in der westlichen Hemisphäre. Sie konnten ihre kolumbianischen Konkurrenten verdrängen und kontrollieren nun die gesamte Drogenlieferkette in die USA – von der Produktion in Südamerika bis zum Verkauf auf den US-amerikanischen Straßen.
Daher signalisiert die Führung des Weißen Hauses, dass Washington dieses Problem mit Gewalt lösen werde, und zwar ohne Rücksicht auf die Souveränität Mexikos. Damit wird deutlich angedeutet, dass es sogar zu einer Invasion von US-Truppen in Mexiko kommen könnte.
Wie der US-Präsident erklärte, schätzt er Sheinbaum, ist jedoch der Ansicht, dass sie das Problem mit den Drogenkartellen nicht allein lösen könne.
"Ich schätze die Präsidentin sehr. Ich halte sie für eine hervorragende Frau. Tatsächlich ist sie in mancher Hinsicht eine bemerkenswerte Frau, sehr elegant und attraktiv. Aber Mexiko wird von den Drogenkartellen kontrolliert. Die Kartelle haben die Macht", so Trump.
Er machte den mexikanischen Behörden bereits das Angebot, sich freiwillig mit der von den USA vorgeschlagenen Lösung des mexikanischen Problems einverstanden zu erklären – insbesondere mit der Stationierung von US-Truppen in Mexiko. Sheinbaum lehnte dies jedoch ab.
"Unter keinen Umständen werden wir eine Einmischung oder andere Maßnahmen aus dem Ausland akzeptieren, die die Integrität, Unabhängigkeit und Souveränität des Landes beeinträchtigen", erklärte die mexikanische Präsidentin.
Zuvor hatte sie auch bestätigt, dass "Präsident Donald Trump in einem Telefonat tatsächlich vorgeschlagen hat, dass die US-amerikanische Armee [in Mexiko] einmarschieren solle". Und natürlich wurde ihm dies verweigert.
Die Forderungen Trumps mögen zwar gerechtfertigt erscheinen, sind jedoch im Grunde genommen nicht umsetzbar. Es ist richtig, dass Mexiko die Drogenkartelle – eine Reihe von Organisationen, die über eigene Mini-Armeen und enorme finanzielle Ressourcen verfügen – nicht allein besiegen kann. Die Verantwortung dafür liegt jedoch nicht nur bei der mexikanischen Führung, sondern auch bei den USA. Denn diese Mini-Armeen werden mit Waffen ausgerüstet, die aus den USA nach Mexiko gelangen. Dies geschieht dank der Regeln des nahezu freien Waffenverkaufs auf dem US-amerikanischen Binnenmarkt. Und die Drogenkartelle erhalten das nötige Geld für diese Waffen und für den Kampf gegen die mexikanischen Behörden durch den Verkauf von Drogen in den USA.
Im Endeffekt führt die Unfähigkeit Washingtons, die Drogenkartelle auf seinem Territorium zu bekämpfen, dazu, dass mexikanische Kriminelle reicher und mächtiger werden als die mexikanische Regierung. Zur Veranschaulichung: Das gesamte Verteidigungsbudget Mexikos belief sich im Jahr 2024 auf knapp 17 Milliarden US-Dollar. Im Jahr 2022 erzielten die mexikanischen Drogenkartelle durch den Transfer illegaler Migranten über die Grenze – also durch ein Geschäftsfeld, das eigentlich nicht zu ihrem Kerngeschäft gehört – Einnahmen in Höhe von 13 Milliarden US-Dollar.
Und Sheinbaum steht nun vor einer schwierigen Entscheidung: Sie kann Trump nicht dazu zwingen, gegen die Drogenkartelle in den USA vorzugehen – schon allein deshalb, weil eine Einschränkung des freien Waffenverkaufs den Interessen der größten republikanischen Lobbyorganisation namens "Nationale Gewehr-Vereinigung" (National Rifle Association) zuwiderläuft, die Hunderttausende privater Waffenverkäufer vereint.
Das Pentagon an möglichen Angriffen auf mexikanisches Territorium zu hindern, ist ebenfalls nicht möglich, da das Land nicht über ausreichende Ressourcen verfügt.
Ebenso wenig ist Sheinbaum in der Lage, auf eine mögliche Verletzung der mexikanischen Souveränität hart zu reagieren, beispielsweise durch den Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Das Handelsvolumen zwischen den USA und Mexiko übersteigt 800 Milliarden US-Dollar, und ohne diesen Handel würde die mexikanische Wirtschaft in Schwierigkeiten geraten. Gleiches gilt für den Fall, dass Trump beschließt, als Vergeltungsmaßnahme für den "unzureichenden Kampf Mexikos gegen die Drogenkartelle" Zölle auf mexikanische Importwaren zu erheben. Bliebe eine harte Reaktion auf mögliche Angriffe jedoch aus, könnte dies das Ende ihrer Präsidentschaft bedeuten, da dies die Beliebtheit der Präsidentin unter den Bürgern erheblich beeinträchtigen würde.
Daher versucht Sheinbaum, zu manövrieren. Einerseits spricht sie über nationale Souveränität und deren Schutz, andererseits versucht sie, Trump mit einzelnen Zugeständnissen zu beschwichtigen. So hatte Mexiko beispielsweise im Februar 29 festgenommene Kartellchefs an die USA ausgeliefert. Im August folgten weitere 26.
Das Treffen mit Rubio stellt ebenfalls einen solchen Beschwichtigungsversuch dar. Laut einer gemeinsamen Pressemitteilung werden die beiden Seiten im Kampf gegen die grenzüberschreitende Kriminalität "auf der Grundlage der Gegenseitigkeit, der Achtung der Souveränität und territorialen Integrität, der gemeinsamen und differenzierten Verantwortung sowie des gegenseitigen Vertrauens" zusammenarbeiten. Zu diesem Zweck sollte eine spezielle hochrangige Arbeitsgruppe eingerichtet werden. Dabei wird jedes Land laut dem mexikanischen Außenminister Juan Ramón de Fuente die Kriminalität "auf seinem eigenen Territorium" bekämpfen.
Sheinbaum ist vermutlich der Ansicht, dass die Einrichtung dieser Arbeitsgruppe Trump beruhigen könnte: Sie könnte als Signal für die Kooperationsbereitschaft Mexikos dienen und das Weiße Haus davon abhalten, Sanktionen zu verhängen.
Und Rubio scheint zufrieden zu sein. "Dies ist die engste Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit, die wir jemals mit einem Land hatten, auf jeden Fall aber in der Geschichte der US-amerikanisch-mexikanischen Beziehungen", sagte der US-Außenminister. Die Frage ist nur, ob Trump zufrieden ist, und wenn ja, wie lange seine Zufriedenheit angesichts einer neuen Reihe von Drohungen gegen Mexiko noch anhält.
Geworg Mirsajan ist außerordentlicher Professor an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation, Politikwissenschaftler und eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Geboren wurde er 1984 in Taschkent. Er machte seinen Abschluss an der Staatlichen Universität Kuban und promovierte in Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt USA. Er war von 2005 bis 2016 Forscher am Institut für die Vereinigten Staaten und Kanada an der Russischen Akademie der Wissenschaften.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 4. September 2025 auf der Homepage der Zeitung Wsgljad erschienen.
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