Argentinien: Eklatante Rechtsbrüche bei der Kreditvergabe des IWF weiterhin ungeklärt
Von Maria Müller
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat die seit vier Jahren verzögerte Klärung eines Falls von gigantischer Wirtschaftskriminalität erneut verschoben.Noch am 9. November 2023 hatte das Unabhängige Bewertungsbüro (OEI) des IWF verkündet, dass nach der Stichwahl in Argentinien eine Expertendelegation in dem Land eintreffen werde. Sie wolle ihre Untersuchung des "Sonderkredits" von 56 Milliarden Dollar an den Präsidenten Mauricio Macri (2018) durch eine Reihe von Gesprächen mit den Verantwortlichen vor Ort vertiefen.
Doch kaum wurde der Wahlsieg des ideologischen Wirtschaftsliberalen Javier Milei bekannt, da verschob die IWF-Untersuchungskommission ihren späten Besuch auf Februar 2024, ohne ein konkretes Datum zu nennen. Offenbar versucht der IWF weiterhin, den Skandal auf dem Rücken der Bevölkerung Argentiniens auszusitzen.
Um die Größenordnung dieses Kredits von 56 Milliarden Dollar - 45 Milliarden ausgezahlt – einordnen zu können, sollte man ihn mit den 47 Milliarden Dollar vergleichen, die die Europäische Union im ersten Kriegsjahr für die Ukraine bezahlte. Oder mit dem zusätzlichen Hilfspaket von 50 Milliarden Euro für die Ukraine, auf die sich die EU-Staaten gerade geeinigt haben. Doch in Argentinien herrscht kein Krieg, keine teuren Waffenkäufe dominieren die Staatsausgaben. Hier herrscht die Finanzmafia.
Schuldentilgung im "rechtsfreien Raum"
Kristalina Georgieva, die Nachfolgerin von Christine Lagarde, der für den Kredit verantwortlichen Generaldirektorin des Internationalen Währungsfonds, setzt die gleiche Linie fort. Georgieva verlor bislang kein Wort über die rechtlichen Verfehlungen des IWF und befürwortet neue Schulden. Wenige Tage nach ihrem Treffen mit Milei in Davos gab es am 31. Januar einen neuen Kredit in Höhe von 4,7 Milliarden Dollar für Argentinien, um die Schuldentilgung (im rechtsfreien Raum) mit neuen Schulden zu bedienen.
Angesichts der schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten bei der Kreditvergabe können die im Januar in Davos mit Präsident Javier Milei ausgehandelten Zahlungsvereinbarungen nur als illegal und untragbar bezeichnet werden, genauso wie der gesamte IWF-Kredit von 2018. Dazu gehören auch die besonders hohen Zinsen für Sonderkredite, die im Falle Argentiniens jährlich eine Milliarde Dollar betragen.
Ohne zuvor zu klären, ob die gigantische Überschuldung Argentiniens durch den IWF überhaupt rechtens ist, können keine neuen Tilgungsraten vereinbart werden, die darauf aufbauen und den Anspruch erheben, legal zu sein. Der Versuch beider Seiten, in komplizenhafter Gemeinsamkeit die wirtschaftskriminelle Geschichte der Kreditvergabe zu vertuschen, nimmt vor allem dem IWF den letzten Rest an Glaubwürdigkeit.
Ein politischer Kredit für die organisierte Kapitalflucht
Die Nachfolge-Regierung Fernandez-Kirchner übernahm eine unbezahlbare Schuldenlast. Der IWF hatte entgegen seinen Prinzipien gehandelt, der Kredit überstieg den zulässigen Höchstbetrag für Argentinien um 1.100 Prozent. Dem IWF war zudem bekannt, dass Argentinien zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig war. Im Mai 2023 veröffentlichte der argentinische Rechnungshof seinen Untersuchungsbericht. Dabei hat man zahlreiche Unregelmäßigkeiten festgestellt.
"Der Kredit stellte das 127-fache der Schuldenkapazität unseres Landes dar", erinnerte sich der staatliche Rechnungsprüfer Francisco Fernandez. "Das ist die größte Summe in der Geschichte des IWF, und die größte in der Geschichte Argentiniens." Seine Kollegin Graciela de la Rosa sagte, dass es sich um einen "politischen Kredit" gehandelt habe, der zur Kapitalflucht genutzt wurde und die Zukunft von Generationen von Argentiniern gefährdet.
Und weiter stellte sie fest:
"Artikel VI der Satzung des IWF verbietet ausdrücklich die Verwendung von Auszahlungen zur Deckung eines beträchtlichen oder kontinuierlichen Kapitalabflusses. Außerdem kann der IWF das Mitgliedsland auffordern, Kontrollmaßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass die Mittel des Fonds für diesen Zweck verwendet werden. Doch der IWF hat keine Kontrollen verlangt".
Weder Recht noch Gesetz noch Kontrollen
An dieser Stelle sei angemerkt, dass der IWF weder Kontrollen von der argentinischen Regierung verlangt, noch die vorgeschriebenen eigenen Kontrollen durchgeführt hat: Laut dem internen IWF-Bericht (EPE) vom Dezember 2021 schloss der Vorstand nur vier von zwölf geplanten (monatlichen) Überprüfungen ab. Nach einem Jahr, im August 2019, stellte er dann fest, dass das Kreditprogramm "aus dem Ruder gelaufen" sei und beendete die Auszahlungen. Doch dieses Jahr genügte, um das Manöver der Kapitalflucht vollständig durchzuführen. Seitdem ist das Geld verschwunden, was der interne Bericht ("Ex-Post-Bewertung EPE im Fall von Mega-Krediten") im Jahr 2021 bestätigte. Der Text enthält eine Selbstkritik am bisherigen Management des IWF.
Die nach argentinischem Gesetz reglementierten Verfahrensweisen für eine Kreditaufnahme dieser Größenordnung erfordern eine Risiko- und Solvenzanalyse und die Stellungnahme der Zentralbank über die Auswirkungen der Operation auf die Zahlungsbilanz. Laut der Verfassung Argentiniens muss die Kreditaufnahme vom Kongress genehmigt und in das Haushaltsgesetz des entsprechenden Jahres aufgenommen werden. Das ist alles nicht geschehen. Der Kredit wurde noch nicht einmal durch eine Präsidialverordnung legalisiert. Macri unterzeichnete den Vorgang, zusammen mit dem laut Gesetz nicht befugten Finanzminister sowie dem Direktor der Zentralbank (ohne deren obligatorische Expertise).
Die Rechnungsprüferin Graciela de la Rosa fügte noch hinzu, dass der Mega-Kredit von Macri "nicht dafür gedacht war, die Verpflichtungen aus früheren Auslandsschulden zu begleichen. Stattdessen bezahlte er damit die in seiner Regierung entstandenen Schulden, darunter die von seinen Freunden, und die Kapitalflucht." (Das Thema der "Freunde Macris" ist einen Fortsetzungsartikel wert.)
Zahlreiche verschleppte Verfahren wegen Wirtschaftskriminalität
Im Fall der Anleihen beim Internationalen Währungsfonds eröffnete der Staatsanwalt Jorge Di Lello ein Verfahren gegen den heutigen Ex-Präsidenten Mauricio Macri und einen Großteil seines Kabinetts, da die Verträge hinter dem Rücken des Parlaments ausgehandelt und unterzeichnet wurden. Doch wie immer bei den zahlreichen Verfahren wegen Wirtschaftskriminalität gegen die Macri-Familie werden die Untersuchungen jahrelang verschleppt und gelangen nicht bis zur Verurteilung.
Wie können Milliardenbeträge einfach so verschwinden? Die Namen der Finanz-Profis, die das Geld ins Ausland gebracht haben, sind bis heute nicht bekannt. Ihre Konten im argentinischen Bankensystem sind bisher nicht identifiziert. Vielleicht ist es ein nützlicher Hinweis, dass sich im Rahmen der Panama-Untersuchungen herausgestellt hatte, dass sämtliche Kabinettsmitglieder der Regierung Macri Gelder in Offshore-Banken außerhalb Argentiniens deponiert haben. Mauricio Macri selbst besaß zwei heimliche Offshore-Firmen in Panama – er ist mit den Tricks der Kapitalflucht und Steuerhinterziehung bestens vertraut.
Erstaunlich, dass er trotz zahlreicher Ermittlungsverfahren wegen Wirtschaftskriminalität weder verurteilt noch in seiner politischen Amtsausübung jemals eingeschränkt wurde.
Die Wirtschaftsprüferin De la Rosa sieht eine beiderseitige rechtliche Verantwortung, sowohl des IWF als auch der Regierung Macri. Auch sie bestätigte, dass immer noch offene Gerichtsverfahren wegen Wirtschaftskriminalität gegen den Ex-Präsidenten Macri laufen. Unter seiner Regierung legte die Staatsverschuldung Argentiniens um gut 30 Prozent zu, die heute die astronomische Summe von 325 Milliarden US-Dollar erreicht hat. Das sind fast 100 Prozent des BIP.
Doch welches Gericht auf dieser Erde wagt es, den Internationalen Währungsfonds strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen? Die "Experten" des Fonds mussten sowohl die argentinischen Gesetze als auch die eigenen Rechtsnormen kennen und wussten um die Illegalität ihres Handelns. Eine deutliche Sprache spricht die Verzögerungstaktik des Organismus, mit der er bis jetzt eine objektive, unabhängige juristische Aufklärung verhindert hat.
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