Lateinamerika

UN-Sonderberichterstatterin verurteilt Sanktionen der EU und USA gegen Venezuela als rechtswidrig

Alena Douhan, die UN-Sonderberichterstatterin zu den "negativen Auswirkungen der einseitigen Zwangsmaßnahmen auf die Wahrnehmung der Menschenrechte", hat zum Abschluss ihres fast zweiwöchigen Besuchs in Venezuela eine erschütternde humanitäre Bilanz der Folgen der EU- und US-Sanktionen gegen das südamerikanische Land gezogen.
UN-Sonderberichterstatterin verurteilt Sanktionen der EU und USA gegen Venezuela als rechtswidrigQuelle: Reuters © Manaure Quintero

In ihrem vorläufigen 17 Seiten umfassenden Bericht, der demnächst dem UN-Menschenrechtsrat vorgelegt werden soll, dokumentiert die UN-Sonderberichterstatterin, Alena Douhan, detailliert die Auswirkungen der insbesondere von den USA und der EU forcierten Sanktionen:

"Es ist besorgniserregend, dass die Sanktionen gegen Öl, Bergbau, die Wirtschaftsblockade gegen Venezuela, das Einfrieren des Vermögens der BCV (Banco Central de Venezuela), die bestehende wirtschaftliche und humanitäre Misere verschlimmert haben, indem sie die Generierung von Einkommen und die Verwendung von Ressourcen zur Entwicklung und Aufrechterhaltung der Infrastruktur und der Sozialprogramme verhindern". 

Die Sonderberichterstatterin betont in diesem Zusammenhang, dass vor den Sanktionen 76 Prozent der gesamten staatlichen Einnahmen in Sozialprogramme investiert worden waren. Infolge der Sanktionen sei es zu einer starken Verringerung des Imports in den Bereichen Maschinen, Ersatzteile, Lebensmittel und medizinischer Bedarf gekommen. Dies habe fatale Auswirkungen auf die Lebensqualität und sogar "Überlebensmöglichkeiten", insbesondere der ärmsten Bevölkerungsschichten. Hierbei verweist Alena Douhan unter anderem auf die Beschränkung des Zugangs zu Ersatzteilen für die lebensnotwendige Wiederherstellung der Wasser- und Stromversorgung Venezuelas.

Das Lateinamerika-Portal amerika21greift in einem Artikel das Beispiel des Krankenhauses für Kinderkardiologie in Caracas auf. Hier gebe es einen 5-fachen Rückgang bei Operationen – von durchschnittlich 1.000 Eingriffen pro Jahr im Zeitraum 2010 bis 2014 fielen diese unter anderem infolge der Sanktionen auf 162 im Jahr 2020. Laut dem Bericht der UN-Sonderberichterstatterin sind aufgrund der Sanktionen derzeit nur knapp 20 Prozent der medizinischen Geräte überhaupt einsatzbereit. 

Ebenso dramatisch zeigt sich laut dem UN-Bericht die Situation der Nahrungssicherheit: 

Die sanktionsbedingte Behinderung von Nahrungsmittelimporten habe in den letzten sechs Jahren zu einem kontinuierlichen Anstieg von Unterernährung geführt. Über 2,5 Millionen Menschen leben derzeit "in einer Situation der Nahrungsunsicherheit", so das Fazit der Untersuchung.

Vernichtendes Urteil zu rechtlichen Grundlagen der Sanktionen

Die UN-Sonderberichterstatterin beurteilt auch die rechtlichen Grundlagen der Sanktionen. So hätte bereits die Entscheidung der Obama-Regierung, Venezuela zur "Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA" zu erklären, in gravierender Weise internationales Recht verletzt. Die Beschlagnahmung staatlichen venezolanischen Vermögens im Ausland verletze die Souveränität des südamerikanischen Landes und behindere somit die Sicherstellung des Grundbedarfs der Bevölkerung.

Zudem seien die sogenannten sekundären Sanktionen gegen internationale wirtschaftliche Akteure und Teile der venezolanischen Opposition, die mit der Regierung Maduro in Dialog getreten sind, "nicht mit Prinzipien des internationalen Rechts wie dem freien Handel, der Bewegungs- und der Meinungsfreiheit vereinbar".

In den Empfehlungen des Berichts der UN-Sonderberichterstatterin ruft diese "alle Parteien" auf,

"die Verpflichtung gemäß der Charta der Vereinten Nationen, die Grundsätze und Normen des Völkerrechts zu beachten, einschließlich der Grundsätze der gleichen Souveränität, der politischen Unabhängigkeit, der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Staaten und der friedlichen Beilegung internationaler Streitigkeiten".

Ebenso spricht sich der Bericht dringend dafür aus, künftig Streitigkeiten nicht mittels Sanktionen, sondern "durch gerichtliche und andere zuständige internationale Institutionen" zu lösen. 

Zudem wird die Aufforderung an die USA, Großbritannien und Portugal formuliert, die beschlagnahmten Vermögenswerte in Milliardenhöhe an den venezolanischen Staat zurückgeben.

Abschließend fordert die UN-Sonderberichterstatterin alle beteiligten Staaten mit Verweis auf geltendes "internationales und humanitäres Recht" unmissverständlich dazu auf, die Sanktionen gegen Venezuela zu revidieren und aufzuheben. 

RT DE-Redakteur Florian Warweg fragte auf der Bundespressekonferenz am 17. Februar, wie die Bundesregierung den Bericht der UN-Sonderberichterstatterin bewertet und ob sie der Aufforderung zur Aufhebung der Sanktionen gegen Venezuela Folge leisten will. Die lapidare Antwort des Auswärtigen Amtes: 

"Der Bericht ist uns bekannt. Wir prüfen diesen derzeit."

In Deutschland äußerten sich bisher nur die Vertreter der Linkspartei und AfD zu dem Bericht der UN-Sonderberichterstatterin. 

Andrej Hunko, Vize-Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, erklärte gegenüber RT:

"Die UN-Sonderberichterstatterin bestätigt, was DIE LINKE seit Jahren kritisiert: Die in weiten Teilen völkerrechtswidrige Sanktionspolitik gegen Venezuela hat verheerende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung und hat die humanitäre und wirtschaftliche Krise enorm verschärft". Spätestens seit Anfang 2019 ist offensichtlich, dass die katastrophalen Auswirkungen ein Ziel der US-Wirtschaftssanktionen sind: Durch die Blockade soll das Leiden der Zivilbevölkerung in Venezuela derartig erhöht werden, dass diese sich gegen Präsident Nicolás Maduro auflehnt.

Dass diese unmenschliche Strategie gescheitert ist, ist inzwischen offenkundig. Die Bundesregierung hat die Blockadepolitik durch aktives Wegschauen, die EU-Sanktionen und durch die völkerrechtswidrige Anerkennung Juan Guaidós unterstützt, anstatt alle Kraft auf die Vermittlung einer politischen Lösung zu lenken. Sie hat damit in inakzeptabler Weise ihr geopolitisches Ziel des Sturzes der Regierung Venezuelas über die Menschenrechte gestellt."

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Der außenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Armin-Paul Hampel, kommentierte diesbezüglich:

"Durch die realitätsferne, ideologisch verblendete Außenpolitik – fern jedes deutschen Interesses – hat die Bundesregierung maßgeblich mit zur katastrophalen Lage in Venezuela beigetragen. Die UN-Sonderberichterstatterin für Venezuela kommt nach einer 14-tägigen Reise in das Land zu folgendem Ergebnis: ‚Die vom Westen gegen Venezuela verhängten Sanktionen haben die katastrophale Lage im Land verschärft. Sie haben zu einer wirtschaftlichen und humanitären Krise geführt.' Die politischen Verlierer sitzen in Berlin, Brüssel und Washington. Der wahre Verlierer ist das Volk Venezuelas. Die Sanktionen gegen Venezuela müssen beendet werden. Deutschlands Politik des ‚Regime Change' und des Messens mit zweierlei Maß ist in Venezuela gescheitert, sie wird auch in Syrien scheitern."

RT fragte auch die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, der FDP und der Grünen um Stellungnahmen zum Bericht der UN-Sonderberichterstatterin an. Bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels gab es aber von besagten Fraktionen keine Antwort.

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