Lateinamerika

Regime-Change um jeden Preis: USA schicken Kriegsschiffe für "Antidrogeneinsatz" Richtung Venezuela

Erst setzte Washington ein millionenschweres Kopfgeld auf den venezolanischen Präsidenten Maduro aus. Der Vorwurf: Maduro sei in den südamerikanischen Drogenhandel verwickelt. Jetzt legen die USA vor der Küste Venezuelas massiv nach. Doch im Hintergrund lauert China.
Regime-Change um jeden Preis: USA schicken Kriegsschiffe für "Antidrogeneinsatz" Richtung VenezuelaQuelle: Reuters

Am Mittwoch kündigte US-Präsident Donald Trump an, Kriegsschiffe der US-Marine vor die venezolanische Küste zu verlegen. Die Ankündigung erfolgte im Weißen Haus zu Beginn der täglichen Pressekonferenz, bei der es auch um die aktuellsten Zahlen zur Coronavirus-Krise geht, von der die USA so stark betroffen sind wie weltweit kein anderes Land.

Nach Angaben der Corona-Taskforce der US-Regierung könnten 100.000 bis 240.000 US-Amerikaner COVID-19 zum Opfer fallen.

Das venezolanische Volk leidet weiterhin sehr unter Maduro und seiner kriminellen Kontrolle über das Land. Die Drogenhändler nutzen diese Gesetzlosigkeit", erklärte US-Verteidigungsminister Mark Esper bei dieser Gelegenheit.

Zudem wusste Esper zu berichten:

Das illegitime Maduro-Regime in Venezuela [stützt sich] auf den Verkauf von Betäubungsmitteln, um seine unterdrückerische Macht zu erhalten.

Der Einsatz ist eine der größten US-Militäroperationen in der Region seit der Invasion Panamas 1989, um General Manuel Noriega von der Macht zu entfernen und ihn an die USA auszuliefern. Die Operation umfasst den Einsatz von US-Zerstörern und kleineren Kriegsschiffen, AWACS-Aufklärungsflugzeugen und Spezialkräften am Boden.

Wie etwa die Nachrichtenagentur Associated Press berichtet, solle "die Kapazität der USA zur Drogenbekämpfung in der westlichen Hemisphäre nahezu verdoppelt" werden, wobei die US-Marine sowohl in der Karibik als auch im östlichen Pazifik zum Einsatz kommen soll. Nach Angaben des US-Verteidigungsministers wird die Mission von 22 Partnernationen Washingtons unterstützt.

Da sich Regierungen und Nationen auf das Coronavirus konzentrieren, besteht die wachsende Gefahr, dass Kartelle, Kriminelle, Terroristen und andere bösartige Akteure versuchen, die Situation zu ihrem eigenen Vorteil auszunutzen. Das dürfen wir nicht zulassen", begründete Trump den Einsatz.

Die vermeintliche Antidrogenoperation des Pentagon erfolgt im Kontext eines Kopfgeldes in Höhe von 15 Millionen US-Dollar für Informationen, die zur Ergreifung des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro führen. Ihm und einigen seiner engsten Regierungsmitglieder wird vorgeworfen, sich verschworen zu haben, um mithilfe einer Gruppierung der kolumbianischen Rebellenorganisation FARC Drogen in die USA zu schmuggeln.

Die gesamte Drogenbande und damit auch Maduro sei für den Schmuggel von bis zu 250 Tonnen Kokain pro Jahr in die USA verantwortlich. Die Hälfte der illegalen Ware gelangt nach Erkenntnissen Washingtons demnach auf dem Seeweg in die USA.

Bereits vor etwa zwei Wochen kündigte auch der Oberkommandierende des Südkommandos (SOUTHCOM) der USA, Admiral Craig S. Faller, vor dem US-Kongress an, die US-Truppenstärke in Lateinamerika zu erhöhen. Offizielles Ziel ist es Faller zufolge, den lokal operierenden Drogenkartellen das Handwerk zu legen und dadurch die von diesen ausgehende "terroristische Gefahr" für die USA im Namen der nationalen Sicherheit zu bannen.

Im US-Verteidigungsministerium steht man zumindest in dieser Angelegenheit jedoch offensichtlich nicht geschlossen hinter dem jüngsten Ansinnen Washingtons. Der Ansatz, mithilfe von maritimem Kriegsgerät und sonstiger militärischer Hightech-Gerätschaft ausgerechnet im bereits seit Jahrzehnten währenden Drogenkrieg plötzlich entscheidend punkten zu wollen, stößt auf Widerstand.

Das aber offensichtlich nur, da die US-Kriegsmaschinerie auch aufgrund des auf eigenem Boden grassierenden Coronavirus immer offensichtlicher an ihre Grenzen stößt. So wurde jüngst etwa die Mannschaft eines US-Flugzeugträgers von COVID-19 heimgesucht. Auf der USS Theodore Roosevelt, die  im US-Territorium Guam vor Anker liegt, wurden über 100 Soldaten positiv auf das Coronavirus getestet. Tausende weitere US-Soldaten der 4.800 Mann starken Besatzung waren ebenfalls gefährdet.

Wie ein US-Staatsbeamter im Gespräch mit Foreign Policy zu Protokoll gab, handelt es sich bei der nun angelaufenen Militäroperation vor Venezuela schlicht um schlechtes Timing. Jetzt gelte es – so die Kritik –, die Aufmerksamkeit erst einmal auf das eigene Land zu errichten.

Zudem gehe es Trump mutmaßlich auch darum, für die Notwendigkeit seines Prestigeobjekts zu werben, den Bau einer massiven Grenzbefestigung an der US-Grenze zu Mexiko.

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Über die Entsendung von Marineeinheiten zur Unterstützung des SOUTHCOM wird bereits seit geraumer Zeit hinter verschlossener Tür diskutiert. Was sich nun zu einem taktischen Dilemma auswächst.

Da das Pentagon wahrscheinlich einige Einsätze aufgrund der Auswirkungen von COVID-19 unterbrechen muss und Trump vor der Wiederwahl steht, könnte die Verlagerung von Ressourcen für den Drogenkampf ein weiterer Schlag für die Strategie der Regierung sein, sich auf einen möglichen zukünftigen Krieg mit China vorzubereiten", bringt Foreign Policy die Problematik auf den Punkt.

Doch der Kurs der US-Regierung stößt keineswegs durch die Bank auf Kritik.

Wenn ich gerade von den Vereinigten Staaten wegen Drogenhandels angeklagt würde, mit einer Belohnung von 15 Millionen Dollar für meine Ergreifung, würde ich mir Sorgen machen, wenn die US-Marine vor meiner Küste Antidrogenoperationen durchführen würde", gab etwa der republikanische Senator Marco Rubio seine Sicht auf die jüngsten Entwicklungen wider.

Derweil sprach der venezolanische Kommunikationsminister Jorge Rodríguez angesichts der neuen militärischen Muskelspiele Washingtons von einem "verzweifelten Versuch", von den "tragischen" aktuellen Entwicklungen in den USA abzulenken, die durch das Coronavirus ausgelöst worden seien. Nicht ohne Ironie fügte er hinzu, dass die USA "zum ersten Mal seit Jahrzehnten" versuchten, die "Lieferungen von Kokain zu unterbinden, die hauptsächlich aus Kolumbien stammten, einem überzeugten Verbündeten der USA".

Maduro selbst bezeichnete das Kopfgeld von 15 Millionen US-Dollar für Informationen, die zu seiner Ergreifung führen, als das Werk eines "rassistischen Cowboys". Ziel Trumps und seiner Regierungsmannschaft sei es, Venezuelas sagenhaften Ölreichtum unter US-Kontrolle zu bringen.

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