Krieg ohne Kriegserklärung: Die wachsenden Tentakel des US-Militärs in Afrika
Es ist schon längst kein Geheimnis mehr und doch sind die nackten Zahlen im besten Fall immer wieder erstaunlich. Etwa 200.000 US-Soldaten sind in 177 Staaten weltweit stationiert. Das Personal greift dabei auf hunderte militärische Einrichtungen zurück. Eine Krake, die immer neue Nahrung braucht. Kein Wunder also, dass die Fangarme sich schon längst Richtung afrikanischer Kontinent strecken. Doch was bisher geschah, soll nur der Anfang sein. "Wir werden [weiter] Fahrt aufnehmen", erklärte Generalmajor Roger L. Cloutier als neuer Oberkommandierender der US-Armee in Afrika (Africom) am 2. August.
Die militärische US-Präsenz auf afrikanischem Boden ist schon jetzt äußerst beachtlich. Rund um die Uhr sind Navy SEALs, Green Berets und weitere Spezialkommandos bereits in über zwanzig Staaten an knapp 100 Missionen beteiligt. Wie es sich gehört, möchte man dabei kein großes Aufsehen erregen und handelt daher im Geheimen und auf Basis von Operationen beschränkter Größe – auch wenn das Getöse der Kavallerie wohl ebenfalls auf das Wohlwollen bei den politischen Entscheidungsträgern in Berlin, Paris, London und Co. treffen würde. Doch nach US-Interpretation handelt es sich nicht um kriegerische Aktivitäten, sondern um einen Teil des internationalen „Krieg gegen den Terror“, um Beratung und Unterstützung lokaler Regierungen. Kurz gesagt: Um militärische Entwicklungshilfe.
Das altruistische Engagement umfasst nunmehr jährlich 3.500 militärische Übungen und Aktivitäten auf dem gesamten afrikanischen Kontinent. Das entspricht durchschnittlich zehn „Übungen“ und anderen Aktivitäten am Tag. Ein Anstieg um außerordentliche 1.900 Prozent seit das US Africa Command vor fast genau zehn Jahren seine Arbeit aufnahm. Das selbstlose Motto der Militärs:
Das U.S. Africa Command bekämpft und neutralisiert mit Partnern transnationale Bedrohungen, schützt US-Personal und -einrichtungen, verhindert und mildert Konflikte und baut afrikanische Verteidigungsfähigkeiten und -kapazitäten auf, um regionale Sicherheit, Stabilität und Wohlstand zu fördern.
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Na dann, Feuer frei! Einen entscheidenden Pferdefuß hat der hehre Anspruch allerdings: Seit Beginn der Operationen und vermeintlichen Hilfsmaßnahmen haben die Konflikte vor Ort nicht etwa ab- sondern immer weiter zugenommen.
In US-Publikationen lässt sich daher auch immer wieder nachlesen, dass sich die vermeintliche militärische „Beratung und Unterstützung“ der Definition nach im Grunde nicht von regulären Kampfeinsätzen unterscheiden lasse. Für diese werden in der Zwischenzeit 7.500 US-Soldaten, inklusive Vertragspartnern, in Afrika stationiert – noch vor einem Jahr waren es 6.000. 53 von insgesamt 54 afrikanische Staaten haben Africoms Krakenarme mittlerweile erreicht. Über 4.000 Mitglieder des US-Militärs tummeln sich nunmehr in Ostafrika. In Somalia hat sich deren Präsenz im letzten Jahr verdoppelt – von Frieden keine Spur.
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Unmittelbar nach der Sturzgeburt von Africom existierten offiziell noch keinerlei Pläne für den Aufbau von Militärbasen oder den Einsatz von „boots on the ground“. Heute freilich wuchert vor Ort ein Netzwerk kleinerer Basen oder Militärstationen. Nach Ansicht von Investigativ-Journalist Nick Turse „umfasst die Anzahl militärischer US-Basen in Afrika (inklusive vorgeschobener Operationsposten, kooperativer Sicherheitsstandorte und Kontingentsposten) mindestens fünfzig.
Africom führt Drohnenüberwachungsprogramme, grenzüberschreitende Razzien und geheimdienstliche Operationen durch. Dabei übernimmt man vermeintlich Verantwortung für "Entwicklung", öffentliche Gesundheit, Berufs- und Sicherheitsausbildung und weitere humanitäre Aufgaben. An den Africom-Aktivitäten sind unter anderem Beamte des Departments of State, der Homeland Security sowie der Ministerien Landwirtschaft, Energie, Handel und Justiz beteiligt. An etlichen US-Botschaften übersteigt derweil die Anzahl der Militärattachés die der Diplomaten.
Dabei sollte festgehalten werden, dass die täglichen Drohnenangriffe, die in Afrika durchgeführt werden, gegen geltendes US-Recht verstoßen. Die nach dem 11. September 2001 verabschiedete Authorization for Use of Military Force (AUMF) besagt, dass der US-Präsident berechtigt ist, Gewalt gegen die Planer derlei Terrorangriffe und diejenigen, die ihnen Schutz gewähren, anzuwenden. Auf in Afrika operierende Rebellengruppen nach US-Definition erstreckt sich dieses Recht allerdings nicht.
Aktuell lässt wenig vermuten, dass die militärische Präsenz der Vereinigten Staaten in Afrika abnehmen wird. Das zunehmende Engagement Chinas, aber auch das von Staaten wie der Türkei und Russland, deuten auf eine gegenteilige Entwicklung hin. Schon jetzt ist das US-Militär fast allgegenwärtig und die Bedrohung durch Terror und bewaffnete Konflikte ist größer denn je. Neue Nahrung für die Krake ist also garantiert.
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