Wie positioniert sich das gespaltene Libyen zum Ukraine-Krieg?
Libyens Parlament hatte vor Kurzem einer neuen Regierung unter Führung des ehemaligen Innenministers Fathi Baschagha mit großer Mehrheit das Vertrauen ausgesprochen. Baschagha war zuvor in einem umstrittenen Schritt bereits vom Parlament in der östlichen Stadt Tobruk zum Regierungschef gewählt worden, obwohl Übergangsregierungschef Abdel Hamid Dbeiba in Tripolis dieses Amt weiterhin innehat. Die Regierung von Ministerpräsident Dbeiba im westlich gelegenen Tripolis teilte bereits mit, sie arbeite trotz der Wahl im Osten des Landes wie gewohnt weiter, und die Regierung werde den Schritt des Parlaments im Osten nicht anerkenne.
Während Libyen nun faktisch ein Land mit zwei Premierministern ist, positionierte sich das Land bislang nicht eindeutig zum Ukraine-Krieg. In seiner Rede zur Vertrauensabstimmung am 1. März vor dem Parlament in Tobruk vermied Libyens neuer Ministerpräsident Baschagha jede Erwähnung der russischen Offensive in der Ukraine, obwohl der Ukraine-Krieg das dominierende Thema in der internationalen Politik ist.
Dabei war Russland die erste Großmacht gewesen, die Baschagha und seine neue Regierung begrüßt hatte. Die Sprecherin des Außenministeriums Maria Sacharowa kommentierte: "Wir denken, dass diese Entscheidung der libyschen Abgeordneten respektiert werden sollte."
"Wir hoffen, dass Libyens neue Regierung unter Führung von Fathi Baschagha in der Lage sein wird, die libysche Gesellschaft zu vereinen, was dazu beitragen würde, die schwierigen Aufgaben der Übergangszeit erfolgreich zu bewältigen", fügte Sacharowa hinzu.
Wenige Tage, nachdem er das Vertrauen der Parlamentsabgeordneten gewonnen hatte, veröffentlichte Baschagha eine Reihe von Tweets, in denen er den Angriff Russlands auf die Ukraine als "eindeutige Verletzung des Völkerrechts und der Souveränität einer demokratischen Ukraine" verurteilte.
2/3 Russia’s attack is a clear violation of international law and the sovereignty of a democratic Ukraine. I urge respect for state sovereignty and the decisions of its elected authorities. This authority should be respected, not suppressed.
— فتحي باشاغا Fathi Bashagha (@fathi_bashagha) March 2, 2022
Nadschla el-Mangusch, Außenministerin der scheidenden Regierung Dbeiba, hatte bereits zuvor twittert, dass Libyen den russischen Angriff auf die Ukraine "auf das Schärfste" verurteile. Sie hatte eine Deeskalation gefordert.
ندين وبشدة ماحدث في جمهورية #أوكرانيا، من هجوم عسكري شنته #روسيا، الذي يعد انتهاك للقانون الدولي ، ونجدد الدعوة إلى التهدئة والتراجع.
— Dr. Najla Elmangoush (@NajlaElmangoush) February 24, 2022
Manguschs Postionen wurde allerdings laut Al-Monitor zum Gegenstand des Spotts von Libyern, die denken, dass das schwache und vom Bürgerkrieg heimgesuchte Libyen zwischen Kiew und Moskau eher neutral bleiben sollte.
Al-Monitor kommentiert, Baschagha solle bei seiner Verurteilung des Ukraine-Krieges General Chalifa Haftar konsultiert haben. Die beiden seien dabei zum Schluss gekommen, dass sie keine russischen Strafmaßnahmen gegen Libyen wegen dieser Positionierung fürchten sollen. Baschagha hätte die Vertrauensabstimmung nicht gewonnen, wenn er nicht gute Beziehungen zu Haftar unterhalten hätte, der eine dominierende politische und militärische Figur in Ostlibyen ist.
Der scheidende Übergangsregierung Dbeiba ist das Ergebnis eines Dialogforums unter Schirmherrschaft der UNO, wobei er das Land zu Wahlen führen sollte. Das Parlament argumentiert nun aber, dass sein Mandat mit dem Wahltermin am 24. Dezember ausgelaufen sei. Die Präsidentschaftswahl platzte seinerzeit nach anhaltendem Streit zwischen den politischen Lagern im Land.
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.