Verloren im Sahel – Frankreich scheitert in Mali und bleibt unbeirrt
Eine Analyse von Kani Tuyala
Wie der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian vor wenigen Tagen mitteilte, seien die Konditionen um den "Kampf gegen islamistische Militante" weiter zu führen, nicht mehr gegeben. Der französische Präsident kündigte an, dass man die französischen Soldaten abziehen werde. Der Mali-Einsatz des französischen Militärs wird damit offiziell beendet.
Das Vertrauen der Bevölkerung in die guten Absichten Frankreichs ist auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. Immer wieder kam es in den vergangenen Monaten, nunmehr Jahren, zu Massenprotesten gegen die militärische Präsenz Frankreichs im Land. Diese habe sich für das Land alles andere als gerechnet. Tot, Angst und Unsicherheit seien vielmehr ebenso zum Dauerzustand geworden, wie Frankreichs militärisches Wirken im Land. Es gehe Frankreich vor allem um die Kontrolle in einer für die eigenen wirtschaftlichen Interessen äußerst wichtigen Region, ist man sich auf den Straßen des Landes sicher.
Zudem steht Frankreich auf Kriegsfuß mit der malischen "Junta", angeführt von Oberst Assimi Goïta. Dieser hatte im Januar angekündigt, die für Februar geplanten Wahlen bis ins Jahr 2025 auszusetzen. Unter den gegebenen Umständen im Land seien keine regulären Wahlen vorstellbar, so das Argument. So umstritten die Entscheidung sein mag, auch für viele Malier dürfte die aktuelle Priorität zunächst auf der Verbesserung der Sicherheitslage liegen. 2020 hatte Goïta mit der Mehrheit der hoffenden Bevölkerung im Rücken die Regierung von Ibrahim Boubacar Keïta gestürzt. Von Frankreich unterstützt, bleibt die Regierung vielen Maliern vor allem für Vetternwirtschaft und ein wenig demokratisches Politikverständnis in Erinnerung. "Demokratie" spielte bei der Afrika-Politik Frankreichs bislang ohnehin nur eine Nebenrolle.
Doch nun, mutmaßlich um die Einhaltung des "demokratischen Fahrplans" besorgt, geriet Frankreich in Wallung und mit ihm die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS. Es folgten ein Wirtschaftsembargo und Sanktionen.
Doch damit nicht genug. Aufgrund eklatanter Erfolglosigkeit des französischen Militärs wandte sich Mali vor Monaten außerdem an Russland, um den Kampf für Stabilität und Frieden endlich zum Erfolg zu führen. Seither geht das Gespenst der "Gruppe Wagner", der "russischen Söldnertruppe", in den Verlautbarungen politischer Entscheidungsträger zwischen Washington und Brüssel um. Während man selbst vollkommen transparent stets nur Frieden und Wohlstand für alle im Sinn hat, steht Wagner für die sinistren geopolitischen Absichten Moskaus und "Menschenrechtsverletzungen" bei diversen nebulösen Einsätzen, so das dissonante Narrativ.
Entsprechend ungehalten reagierte Paris und wies die malische Militärregierung in einem Duktus zurecht, wie es wohl nur Frankreich gegenüber seinen ehemaligen afrikanischen Kolonien zu pflegen tut. Der "Kampf gegen den Terrorismus" als Hoheitsrechts. Warum sollte es eigentlich nicht möglich sein, sich die selbstlose Aufgabe zu teilen und dadurch nicht nur den Terrorismus effektiv zu bekämpfen, sondern auch die internationale Zusammenarbeit zu stärken? Zugegeben, eine naive Frage.
Am Ende lag der Fall für den französischen Außenminister Jean-Yves Le Drian klar: Das Regime von Goïta ist "außer Kontrolle" und "illegitim". Ungewohnt die malische Reaktion auf die wenig diplomatischen Äußerungen: Dem französischen Botschafter in Mali wurden 72 Stunden Zeit gegeben, um das Land zu verlassen. Für den Élysée-Palast eine historische und unerhörte Demütigung.
Nun also der "koordinierte Rückzug" aus Mali nach neun Jahren ohne nennenswerte Erfolge beim ohnehin nie eindeutig abgesteckten Ziel der Terrorbekämpfung. Und das ist auch aufgrund von über fünfzig toten französischen Soldaten allein in Mali für Macron auch längst ein innenpolitisches Problem. Eine "Restrukturierung" und Reduzierung der französischen Militärkapazitäten im Sahel war daher bereits seit geraumer Zeit geplant. Nun erklärte Le Drian, dass die Terrorbekämpfung ab jetzt allein in den Hände der malischen Regierung läge. "Das ist ein malisches Problem, kein französisches Problem mehr".
Der Truppenabzug betrifft sowohl die 2.400 französischen Soldaten der insgesamt 5.100 Soldaten umfassenden "Operation Barkhane", als auch die die mehrere hundert Militärangehörigen der von Frankreich angeführten Spezialkräftemission Takuba. All dies soll in den nächsten vier bis sechs Monaten geschehen. Wie es um das weitere Wirken der EU-Ausbildungseinsatz EUTM, EUCAP und der sogenannten Stabilisierungsmission Minusma in Mali bestellt ist, ist bis dato noch offen.
Weit werden die Militärs derweil nicht reisen müssen. So verkündete der nigrische Präsident Mohamed Bazoum, dass die Truppen im Niger willkommen sein, um im Kampf gegen terroristische Gruppen auszuhelfen und somit die Sicherheit an der Grenze zu Mali zu erhöhen. Der französische Präsident Emmanuel Macron teilte nun mit:
"Mit Zustimmung der nigrischen Behörden werden europäische Elemente an der Seite der nigrischen Streitkräfte in der Grenzregion zu Mali re-positioniert."
Neben Deutschland, den USA und Italien ist auch Frankreich im Niger bereits militärisch aktiv. Die neuen Stützpunkte im Land sollen unweit der malischen Orte Ménaka und Gao entstehen und u. a. Spezialkräfte der Operation Takuba aufnehmen. Eine entsprechende Vereinbarung mit den betroffenen europäischen Regierungen werde nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Auch eine Verlegung von Truppen nach Benin sei im Gespräch. Im Golf von Guinea will man sich "auf Bitten der afrikanischen Partner" nun ebenfalls militärisch einbringen. Tatsächlich reicht die Blutspur der marodierenden Terrorgruppierungen und Milizen vom zerrütteten Libyen ausgehend, längst bis an die westafrikanischen Küstenstaaten. Die malische Akivistin Adam Dicko geißelte die von Frankreich angeführte NATO-Intervention in Libyen als Startschuss für die Destabilisierung der gesamten Region. Frankreich habe die Saat für seine militärische Präsenz im Sahel selbst gelegt.
Nun soll also der Terrorismus zunehmend auch im Niger bekämpft werden. Dort kann Frankreich auf noch "folgsamere Politiker" vertrauen. Es ist auch längst kein Geheimnis mehr, dass Frankreich "ein Drittel des Urans für seine Atomkraftwerke" aus dem Niger bezieht. Die militärischen Operationen Frankreichs sollen auch im Tschad und in Burkina Faso fortgesetzt werden, wobei auch auf Stützpunkte in der Elfenbeinküste, im Senegal und in Gabun zurückgegriffen werden kann.
Und während die Regierungen Frankreichs und Nigers nun den noch engeren Schulterschuss üben, ist Frankreich allerdings auch im Niger alles andere als unumstritten. Ende Dezember wurde die Durchfahrt eines Versorgungskonvois der französischen Armee auf dem Weg nach Mali von Anwohnern aufgehalten. Die Fahrzeugkolonne sollte auf der üblichen Route von Burkina Faso über den Niger in den Norden Malis nach Gao fahren.
In den Städten Bobo-Dioulasso und Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos, sowie im nigrischen Téra blockierten jedoch Demonstranten den Konvoi und bewarfen die von lokalen Sicherheitskräften eskortierten Fahrzeuge mit Steinen. Mindestens 18 Demonstranten wurden durch Schüsse verletzt, elf davon schwer. Mindestens zwei Menschen wurden getötet.
Nigrische Oppositionskräfte kündigten bereits an, dass man eine "illegitime" Stationierung französischer Truppen im Land nicht akzeptieren werde. In einer vor wenigen Tagen veröffentlichten Erklärung rief die Partei UDFP-SAWABA alle politischen und sozialen Kräfte dazu auf, das "Projekt der Rekolonialisierung des westafrikanischen Raums" vom Niger aus zu verhindern. In der Zivilgesellschaft brodelt es.
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