Afrika

Registrierung für Präsidentschaftswahl in Libyen: Furcht vor einer weiteren Eskalation des Konflikts

Bis vor Kurzem war ungewiss, ob die für Dezember vorgesehene Präsidentschaftswahl in Libyen überhaupt stattfinden kann. Nun verkündete der Vorsitzende der nationalen Wahlkommission, dass sich die Kandidaten registrieren lassen können. Im Falle eines umstrittenen Wahlergebnisses wird befürchtet, dass erneut Konflikte und Chaos aufflammen.
Registrierung für Präsidentschaftswahl in Libyen: Furcht vor einer weiteren Eskalation des KonfliktsQuelle: AFP © Mahmud Turkia

Die Kandidaten für die geplante Präsidentschaftswahl in Libyen können sich seit Montag zwei Wochen lang registrieren lassen. Das kündigte der Vorsitzende der nationalen Wahlkommission, Emad Al-Sajeh, am Sonntag in Tripolis an. Dann können sich in dem nordafrikanischen Land über vier Wochen hinweg auch Bewerber für die Parlamentswahl aufstellen lassen, die im nächsten Jahr stattfinden soll.

Die erste Runde der Präsidentschaftswahl ist für den 24. Dezember geplant. Eigentlich sollte das Parlament am selben Tag gewählt werden. Dies dürfte nun erst Mitte Februar stattfinden. Wegen anhaltender Spannungen und politischer Konflikte im Land bleibt allerdings unklar, ob die Wahlen in den nächsten Wochen tatsächlich stattfinden.

Trotz eines Jahres relativer Ruhe nach einem Waffenstillstand zwischen dem östlichen und dem westlichen Lager droht der Streit um die Rechtsgrundlage der Wahlen den Friedensprozess zu gefährden. Im Falle eines umstrittenen Wahlergebnisses wird vor allem befürchtet, dass das Land erneut in Chaos und wieder aufflammenden politischen Konflikten versinkt.

"Jeder macht sich Sorgen um die Wahlergebnisse", sagte Anas El Gomati, Direktor des in Libyen ansässigen Thinktanks Sadeq Institute, der AFP. Das Militär sei nicht stark genug präsent, um die Sicherheit der Wahlen zu gewährleisten, und es gebe einen Mangel an Vorbereitung, um freie und faire Wahlen in einem Staat zu organisieren, der zwischen rivalisierenden Militärfraktionen aufgeteilt sei, fügte er hinzu. Es gebe keine verfassungsrechtliche Basis, die klärt, wie die Macht des Präsidenten ausgestaltet sein soll, sagte Tarek Megerisi, Libyen-Spezialist des European Council on Foreign Relations (ECFR). Unter diesen Umständen sei das Risiko groß, dass Verlierer ihre Niederlage nicht akzeptieren. Das könnte zu einer erneuten Spaltung des Landes beitragen und zu einem weiteren blutigen Konflikt führen, erklärte Megerisi. Dennoch drängen die UNO und westliche Länder zu dieser Wahl.

Mögliche Präsidentschaftskandidaten sind der faktisch im Nordosten Libyens herrschende General Chalifa Haftar, der Sohn des ermordeten früheren libyschen Staatsoberhaupts Saif al-Islam al-Gaddafi, der Vorsitzende des Abgeordnetenrates Agila Saleh und ein ehemaliger Innenminister, Fathi Baschagha. 

General Haftar ist seit Mai 2014 militärischer Befehlshaber der Libyschen Nationalarmee (LNA). Im April 2019 begann Haftar eine Offensive, um die Hauptstadt Tripolis im Westen zu erobern. In dieser Offensive demonstrierte die Türkei ihre Macht militärisch, indem die auf ihre Unterstützung angewiesenen libyschen Milizen die Truppen von General Haftar daran gehindert haben, Tripolis einzunehmen. Saleh gilt als neue Führungsfigur im Osten nach der gescheiterten Offensive auf Tripolis von Haftar. Baschagha ist eine der mächtigsten Figuren der westlibyschen Regierung in Tripolis. Saif al-Islam, der zweitälteste Sohn Gaddafis, verbrachte sechs Jahre in Gefangenschaft, wurde aber im Jahr 2017 freigelassen und war bis vor Kurzem untergetaucht. Zehn Jahre nach seiner Flucht meldete er sich auf der politischen Bühne zurück. 

Unter UN-Vermittlung hatten die Konfliktparteien im März eine Übergangsregierung gewählt. Diese löste offiziell die Regierung mit Sitz in Tripolis sowie die Gegenregierung mit Sitz im Osten des Landes ab. Entsandte der verschiedenen Lager in Libyen bestimmten seinerzeit unter UN-Aufsicht in der Schweiz einen neuen Ministerpräsidenten und einen dreiköpfigen Präsidialrat. Mit diesen vier Posten sollen die seit Jahren verfeindeten Lager und ihre zwei rivalisierenden Regierungen im Osten und Westen geeint werden.

Wer das ölreiche Land nach den Wahlen im Dezember regieren wird, ist offen. Die Kandidaten für die Übergangsregierung verpflichteten sich, nicht anzutreten. Sie versprachen auch, das Ergebnis der Wahl anzuerkennen. Al Jazeera berichtete, dass der amtierende Ministerpräsident Hamid Dbeiba trotzdem seine Kandidatur in Betracht ziehen will. 

In Libyen entbrannte laut AP kürzlich ein Streit um Außenministerin Nadschla al-Mangusch. Erst suspendierte der Präsidialrat al-Mangusch wegen "administrativer Unregelmäßigkeiten" und erteilte ihr ein Reiseverbot, sodass sie nicht an der Libyen-Konferenz am 12. November in Paris teilnehmen könnte. Daraufhin erklärte dann Interimsregierungschef Dbeiba, dass der Präsidialrat nicht befugt sei zu einer solchen Entscheidung. Der Streit machte deutlich, dass innerhalb der von der UN anerkannten Einheitsregierung im Vorfeld der Wahlen ein Kampf um die Zukunft des Landes tobt. Der Konflikt in Libyen wird längst auch von ausländischen Staaten befeuert, die Waffen, Söldner und andere Ausrüstung ins Land schickten.

Die Pariser Konferenz, die voraussichtlich am 12. November stattfinden wird, zielt darauf ab, einen letzten internationalen Anstoß zu geben, damit bis Ende des Jahres Wahlen abgehalten werden, und den Abzug ausländischer Truppen zu befürworten.

Libyen ist in den letzten Jahren zum Schauplatz zahlreicher Stellvertreterkonflikte geworden; unter anderem Ägypten, Russland, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate mischen dort mit. Aber es ist schwer zu sagen, wie viel Einfluss diese Staaten auf die anstehenden Wahlen haben könnten. Laut Daily Sabah hat die Türkei bereits ihre Teilnahme an der Pariser Libyen-Konferenz abgesagt, da Griechenland, Israel und Zypern daran teilnehmen werden.

Der frühere libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi war 2011 durch eine NATO-Intervention gestürzt worden. Das Land versank in Chaos und Bürgerkrieg. Sklaven-, Drogen-, Waffen- und der Menschenhandel florieren seither in Libyen. Im von Krisen heimgesuchten Land haben sich Mafiabanden, Milizen und Behörden zu illegalen Netzwerken zusammengeschlossen. Die Terrororganisation IS errichtete mittlerweile ein Mini-Kalifat an der libyschen Küste. 

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