Washington hofiert Rebellen – Zehntausende Äthiopier protestieren gegen US-Regierung und "Fake News"
von Kani Tuyala
In den vergangenen Wochen verschärfte sich der bewaffnete Konflikt zwischen den "Rebellen" der sogenannten Befreiungsfront von Tigray (TPLF) und Streitkräften (ENDF) der Zentralregierung in Addis Abeba. Die US-Regierung wird dabei nicht müde, sich mit scharfen Worten besorgt über gravierende Menschenrechtsverletzungen und eine sich zuspitzende humanitäre Katastrophe in der Region Tigray zu zeigen. Gleichzeitig scheint es nach Lesart Washingtons für die gesamte Situation nur eine tatsächlich verantwortliche Partei zu geben: die Regierung unter Ministerpräsident Abiy Ahmed.
Offiziell werden zwar sowohl die TPLF als auch die Regierung zu umgehenden "Friedensgesprächen" aufgefordert, um die Kampfhandlungen zu beenden, von schon längst auf den Weg gebrachten Sanktionen ist jedoch nur die demokratisch gewählte Regierung unter Abiy betroffen. Dies kritisiert nicht nur Addis Abeba als durchsichtige Doppelzüngigkeit und einseitige Parteinahme, sondern auch internationale, aber kaum gehörte Fachleute äußern sich skeptisch. So etwa Prof. Ann Fitz-Gerald, Direktorin der kanadischen Balsillie School of International Affairs und Expertin für internationale Sicherheitsfragen.
Professor Ann Fitz-Gerald spoke to @CGTNOfficial about the conflict in #Ethiopia and questioned the lack of action by the Int’l community to stop TPLF violence. Why isn't the @JoeBiden Admin imposing sanctions on this dangerous insurgency?Watch @afitz3105 talk now 📽️👇 pic.twitter.com/VF7xPLu9fy
— The American-Ethiopian Public Affairs Committee (@AmericaEthiopia) November 4, 2021
Wie Fitz-Gerald anmerkt, sei die TPLF bislang vom US-Bannstrahl verschont geblieben. Es sei auffällig, dass Washington in Sachen Sanktionen zwar gegen die "legitime, demokratisch gewählte äthiopische Regierung" vorgehe, aber keine Strafmaßnahmen etwa "in Form von Reisebeschränkungen, Einfrierung von Bankkonten, von Vermögenswerten gegen die Führung der TPLF" ausgesprochen worden seien.
Fellow #Africans. We are at war: #America (thru TPLF) Vs. #Africa. The Location is at the Horn of Africa.🔴The battle ground is in #Ethiopia. The Commanding General is PM Abiy. The soldiers are us....1 billion blacks. Unite or Perish! #NoMore to neocolonialism.
— Futurical🇺🇬 (@Futurical) November 8, 2021
Und längst wird die äthiopische Regierung schwerster Vergehen gegen die Menschlichkeit etwa in Form einer vermeintlichen "Hungerblockade" gegen die Bevölkerung in Tigray oder gar eines versuchten "Genozids" bezichtigt. Der Spiegel wusste von Abiy als "Kriegstreiber" zu berichten, der für einen "brutalen Feldzug im Norden des Landes" verantwortlich sei. Den ihm verliehenen Friedensnobelpreis betrachte der äthiopische Ministerpräsident "als Carte blanche", um einen brutalen Krieg zu führen. "Wer ist Abiy Ahmed wirklich?", wird rhetorisch gefragt.
Neben der Tatsache, dass Addis Abeba die einseitigen Anschuldigungen energisch zurückweist, erscheinen die einseitigen Schuldzuweisungen umso bemerkenswerter, als dass ein gemeinsamer Untersuchungsbericht der Äthiopischen Menschenrechtskommission (EHRC) und des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) zuletzt zu einer wesentlich differenzierteren Einschätzung kam. Zusammenfassend hätten sich demzufolge alle beteiligten Parteien schwerer Vergehen gegen die Menschenrechte schuldig gemacht. Von "Hunger als Waffe" oder einem "Genozid" ist auch in diesem Bericht keine Rede.
Das hält die US-Regierung aber keineswegs davon ab, genau dies der äthiopischen Regierung vorzuwerfen, wie US-Medien vor wenigen Tagen berichteten.
"Das Außenministerium hat außerdem eine Erklärung vorbereitet, in der die Gräueltaten der äthiopischen Regierung an den Tigrayern als Völkermord bezeichnet werden."
Und während Äthiopien wegen "grober Verstöße gegen international anerkannte Menschenrechte" vom US-Programm namens African Growth and Opportunity Act (AGOA) ausgeschlossen wurde, verlassen die Einheiten der TPLF und mit diesen verbündete Kräfte, wie etwa die Oromo Liberation Army (OLA), längst die Region Tigray und rücken mutmaßlich auf Addis Abeba vor. Die äthiopische Regierung rief derweil den Notstand aus und die Bevölkerung auf, sich gegen die demzufolge aus dem Ausland geförderte Kampagne gegen Äthiopien zu erheben.
American journalist @bobschlehuber has a message to Western correspondents reporting on Ethiopia from Nairobi. #NoMorepic.twitter.com/PMnbO8rPPc
— Horn of Africa Hub (@HornOfAfricaHub) November 7, 2021
Am Sonntag machten nun Zehntausende, andere Quellen sprechen von Hunderttausenden, Äthiopier in Addis Abeba ihrem Zorn über die US-Regierung und deren mutmaßlichen Sprachrohren in den Reihen der US-Medien Luft und verliehen gleichzeitig ihrer Unterstützung für die von ihnen gewählte Regierung und die äthiopische Armee Ausdruck.
7 November massive protest against TPLF & its enablers, the largest protest ever in Ethiopia history, Masses to say #NoMorepic.twitter.com/uvJ1O9jUSD
— Jonathan Berhane (@itsEritrea) November 7, 2021
Dabei beschuldigten die Demonstranten auch transatlantische Medienunternehmen wie etwa CNN oder auch die BBC, Falschinformationen über die Situation in Äthiopien zu verbreiten und einseitig Partei zu ergreifen. "Stoppt Fake News über Äthiopien", hieß es auf Plakaten.
Millions throng #Ethiopia streets protesting misreporting of facts by western media on #Tigray conflict. US and West are blamed 4 supporting #TPLF a terrorist group fighting 4 supremacy or destroy Ethiopia. US not pleased that Abiy wants Africa to eliminate western aid dependency pic.twitter.com/zWZKZODN4C
— Kungu Al-mahadi Adam (@adam_kungu) November 7, 2021
Viele der anwesenden Menschen fassten ihre Forderung unter dem auf dem Kurznachrichtendienst Twitter populären Hashtag #nomore zusammen. Damit brachten sie zum Ausdruck, dass kein afrikanisches Land mehr Opfer verdeckter neokolonialer Interessen werden dürfe, die am Ende nicht "Demokratie", sondern allzu oft Elend und Leid mit sich brächten.
Vox Populi, Vox Dei (The Voice of the People is the Voice of God). Ethiopians have spoken. #NoMore is now the Anthem throughout Ethiopia. pic.twitter.com/69gIP3J6E9
— Futurical🇺🇬 (@Futurical) November 7, 2021
Zudem werfen die Demonstranten vor allem der US-Regierung und den mutmaßlich in ihrem Sinne berichtenden Medienerzeugnissen vor, bewusst Angst und Panik in der Bevölkerung zu schüren, um die Regierung in Addis Abeba so zusätzlich von innen unter Druck zu setzen. Dazu gehörten etwa eine Flut von sich gegenseitig reproduzierenden Berichten, wonach die Rebellen-Koalition unmittelbar vor Addis Abeba stehe, obwohl es sich um etwa 350 Kilometer handeln soll, während die Rebellen andernorts mutmaßlich schwere Verluste hinnehmen müssen.
I am in #AddisAbaba and everything is normal. There's no need to panic about the #CNNFakeNews and attempts by some western governments and media to create public panic and concerted regime change plan in #Ethiopia. We must meet this moment of national and global challenges. pic.twitter.com/T4S2SPupWn
— Obang Metho (@ObangMetho) November 7, 2021
CNN wusste in diesem Zusammenhang auch von "tygrischen Truppen" zu berichten, so als handele es sich bei der Verwaltungsregion Tigray um ein eigenständiges Land. Zuletzt hatte die US-Botschaft in Addis Abeba die eigenen Bürger dazu aufgefordert, schnellstmöglich das Land zu verlassen. Derweil begrüßten etliche Demonstranten die Ausreise der US-Amerikaner.
People are already here. #nomore#Ethiopiapic.twitter.com/ZuBfP9wDIE
— Abinet Teshome (@abonthestreet) November 7, 2021
Das Fass bei der Bevölkerung in Addis Abeba zum Überlaufen brachte womöglich, dass Washington zuletzt Vertreter von neun verschiedenen Rebellengruppen hofiert hatte, die gemeinsam zum Sturz der Regierung unter Abiy Ahmed aufriefen, um dann eine sogenannte "Übergangsregierung" zu schaffen. Bei der Zeremonie in Washington "gab das Bündnis die Gründung der Vereinigten Front der äthiopischen föderalistischen und konföderalistischen Kräfte bekannt und erklärte, dass es ein Kommando zur Koordinierung der militärischen und politischen Bemühungen einrichten werde".
When few idlers met in Washington to announce “merger” of terrorist organizations against Ethiopia, Western MSM Washington Post, New York Times, CNN, BBC et al made it TOP NEWS. Today, millions marched in Addis Ababa in support of the Government. Western Media didn’t see it. pic.twitter.com/Bja6U3Pprh
— Donald B Kipkorir (@DonaldBKipkorir) November 7, 2021
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