Afrika

Abschied vom "kolonialen Wirtschaftsmodell": Afrika startet weltweit größte Freihandelszone

Lange Zeit galt Afrika als Kontinent ohne Hoffnung. Doch längst hat sich dieses Bild gewandelt. Am 1. Januar startete nun die kontinentweite Freihandelszone – ein historischer Moment, der Grund für weiteren Optimismus liefert. Afrikanische Experten bleiben jedoch besonnen.
Abschied vom "kolonialen Wirtschaftsmodell": Afrika startet weltweit größte FreihandelszoneQuelle: www.globallookpress.com

Jeder Jahresumbruch ist geprägt von guten Vorsätzen. Viele von diesen sind allerdings schon Tage nach Beginn des neuen Jahres Schnee von gestern. Der Beginn des Jahres 2021 verspricht für den afrikanischen Kontinent weit mehr. Die guten Vorsätze wurden bereits Jahre zuvor getätigt.

Ursprünglich für den 1. Juli des vergangenen Jahres geplant, war der Beginn der Afrikanischen Freihandelszone (AfCFTA) coronabedingt um sechs Monate verschoben worden. Zum Jahresende knallten nun die Korken, und am 1. Januar 2021 ging AfCFTA schließlich an den Start.

54 Staaten und insgesamt knapp 1,3 Milliarden Menschen sollen am Ende des Prozesses einen gemeinsamen Binnenmarkt mit einem Volumen von 3,4 Billionen US-Dollar bilden – den größten der Welt seit Bildung der Welthandelsorganisation (WTO). Der Startschuss ist gelegt, und der Handel hat unter den neuen Bedingungen begonnen. Dennoch ist der Handel innerhalb Afrikas noch durch hohe Einfuhrzölle und bürokratische Hürden erschwert. Experten mahnen daher, dass die Mitglieder die Einigung zügig und konsequent umsetzen müssten. Bisher haben fast alle Länder Afrikas das Abkommen unterschrieben, rund drei Dutzend ratifizierten es.

In seiner Silvesteransprache sprach der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa über seine Begeisterung für die neue Partnerschaft:

"Wir sind nur noch wenige Stunden von der Geburt der Afrikanischen Kontinentalen Freihandelszone entfernt, die die wirtschaftlichen Geschicke unseres Kontinents grundlegend verändern wird. Es ist der Beginn einer neuen Ära des Handels zwischen den afrikanischen Ländern, in der [der Kontinent] das große Potenzial seiner reichhaltigen natürlichen und menschlichen Ressourcen realisieren wird."

Ziel ist es, den Handel zwischen den afrikanischen Nachbarn anzukurbeln und gleichzeitig den afrikanischen Kontinent in die Lage zu versetzen, seine eigenen Wertschöpfungsketten zu entwickeln.

COVID-19 habe dabei die Dringlichkeit unterstrichen, die Abhängigkeit vom außerafrikanischen Ausland zu verringern.

"COVID-19 hat gezeigt, dass Afrika zu sehr auf den Export von Primärrohstoffen angewiesen ist, zu sehr auf globale Lieferketten", erklärte Wamkele Mene, Generalsekretär des AfCFTA-Sekretariats.

Im Jahr 2017 machten die innerafrikanischen Exporte 16,6 Prozent der Gesamtexporte aus, verglichen mit 68 Prozent in Europa und 59 Prozent in Asien.

"Es entsteht ein neues Afrika mit einem Gefühl der Dringlichkeit und Zielstrebigkeit und dem Bestreben, selbständig zu werden", so Ghanas Präsident Nana Akufo-Addo während einer Online-Startzeremonie.

Bis auf das ostafrikanische Eritrea hat jedes afrikanische Land das AfCFTA-Rahmenabkommen unterzeichnet. 34 der insgesamt 54 Länder haben es bereits ratifiziert. Am 1. Januar begann nun der Präferenzhandel nach den neuen AfCFTA-Regeln. Die entsprechende Regelung bilde von nun an den Rahmen für den Handel zwischen den afrikanischen Ländern, erläuterte der AfCFTA-Generalsekretär gegenüber der FAZ.

"Diese Vertragspartner können vom 1. Januar an gemäß den vereinbarten Zollvorteilen miteinander Handel treiben. Rund 81 Prozent der Ursprungsregeln stehen fest. Bis Ende Juni 2021 haben die Staaten Zeit, die fehlenden Ursprungsregeln auszuhandeln und ausstehende Zollangebote einzureichen", erklärte der Südafrikaner.

Beobachter wie W. Gyude Moore, ehemaliger liberianischer Minister und jetzt Senior Fellow am Center for Global Development, bleiben jedoch besonnen. Die wirkliche Arbeit habe jetzt erst begonnen.

"Ich wäre überrascht, wenn alles innerhalb von 24 Monaten auf die Beine gestellt wäre. Für einen langfristigen Erfolg müssen wir uns ansehen, wie lange Europa gebraucht hat. Das ist ein Prozess, der mehrere Jahrzehnte dauert", erklärte Moore gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

AfCFTA-Generalsekretär Mene unterstreicht, dass es "kein einziges Handelsabkommen" gebe, "in dem zum offiziellen Starttermin abschließend alles geregelt" gewesen sei.

"Die Verhandlungen sind nie abgeschlossen", so der Finanzexperte.

Wie Mene gegenüber der Financial Times erklärte, gehe es darum, sich von einem nach wie vor vorherrschenden "kolonialen Wirtschaftsmodell" zu verabschieden, in dem Afrika "ständig ein Exporteur von Primärrohstoffen" sei, "die anderswo weiterverarbeitet werden".

Damit spricht der AfCFTA-Generalsekretär jedoch auch ein geopolitisches Problem an, das nach Ansicht von Beobachtern die weitere Umsetzung der afrikanischen Wirtschaftsinitiative zusätzlich erschweren könnte.

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