Albrecht Müller im Interview über linke Gedankenpolizei: "Die Denunzianten sind Feiglinge"

Warum geht es mit der gesellschaftlichen Linken eigentlich nicht mehr voran? Weil sie sich oft lieber zerstreitet und spaltet, statt das Notwendige zu tun, meint der Publizist und NachDenkSeiten-Herausgeber Albrecht Müller im Gespräch mit Jens Wernicke. Für besonders bedenklich hält er dabei das Agieren einiger Pseudo-Linker als "Gedankenpolizei". Es mutet wie Realsatire an, dass genau dieses Gespräch nun nach Publikation auf der Internetseite der linken Zeitung Neues Deutschland als Folge einer "internen Intervention" wieder vom Netz genommen wurde. RT Deutsch dokumentiert das zensierte Interview im Wortlaut.

Jens Wernicke: Herr Müller, Sie sind Herausgeber der NachDenkSeiten.de, kritisieren seit Langem die Meinungsmache und Medien im Land und sprechen zurzeit von einer "Gedanken- bzw. Gesinnungspolizei". Was meinen Sie damit?

Albrecht Müller: Auf diesen Begriff kam ich, weil sich in den Monaten bis zum März 2015 Mails bei mir häuften, deren Argumentationsaufbau etwa folgendermaßen aussah: Der Einstieg war immer ähnlich: ‚Sie machen eine tolle Arbeit mit den NachDenkSeiten, ich habe auch Ihre Bücher mit Gewinn gelesen. Aber: Dass Sie sich für die Friedensbewegung engagieren und dass Sie Ken Jebsen, diesem Verschwörungstheoretiker und nachgewiesenen Antisemiten ein Interview gegeben haben, das kann ich nicht verstehen. Und mit Willy Wimmer haben Sie auch geredet. Auch dass Sie immer wieder die USA kritisieren, finde ich nicht gut.‘ Usw. usf.

Ich habe ja nichts dagegen, wenn manche unserer Leser so denken, aber dass man mir vorschreiben will, was ich denke und mit wem ich Kontakt habe und spreche, das fand und finde ich zu viel des Guten. Deshalb habe ich diese Art von Mails öffentlich gemacht und dabei von Gesinnungspolizei gesprochen. Seitdem habe ich übrigens Ruhe. Ich bekomme keine verlogenen, schleimigen Mails mehr. Dafür viele andere konstruktive von Menschen, die wissen, was Toleranz bedeutet, und was sie von uns verlangt.

Jens Wernicke: Das klingt sehr nach einem "Spalte und Herrsche"-Mechanismus…: Es gibt immer mehr soziale Not im Land und gleichzeitig immer mehr Denk- und Redetabus – und in Summe schwächt das vor allem die kritischen Stimmen im Land. Ist es so in der Art?

Albrecht Müller: Ja, das hat auch eine soziale Seite. Um die Not der Unterschicht kümmert man sich nicht mehr. Und es hat eine politische Seite. Denken Sie etwa an die Rote-Socken-Kampagne von CDU und CSU und der mit ihnen verbundenen Medien. Das war der gelungene Versuch, ein Kontaktverbot für SPD und Grüne nach links hin auszusprechen. Damit hat man es geschafft, die seit Jahren mögliche Koalition links von Frau Merkel zu verhindern. Und eben auch, unserem Land den Zugang zu einer politischen Alternative zu versperren.

Jens Wernicke: Hätten Sie da denn ein konkretes Beispiel zum Agieren der "Gesinnungspolizei" für uns?

Albrecht Müller: Ja, ich hatte in den NachDenkSeiten davon geschrieben, wir lebten quasi im Status einer Kolonie. Anlass war der Spatenstich für das größte Militärhospital der USA außerhalb ihres eigenen Landes in Landstuhl in der Pfalz. Da gab es ein bezeichnendes Foto in meiner Regionalzeitung: Die Bundesbauministerin machte einen strammen Diener vor dem zuständigen US-amerikanischen General.

Daraufhin meldete sich ein Herbert Müller aus Berlin, wie sich dann herausstellte ein Typ, der unter dem Namen "Genova" im Netz unterwegs ist, und andere Menschen des Antisemitismus bezichtigt. Er zitierte damals die Definition von Kolonie und bestritt, dass dies zu unserem Verhältnis zu den USA passe. Außerdem beklagte er sich, dass Artikel der NachDenkSeiten bei Ken Jebsen verlinkt werden.

Jens Wernicke: Und was ist Ihre Antwort hierauf – auf all diese Verbote, Tabus und die damit geschürte "Kontaktangst" und den kritischen Stimmen im Land?

Albrecht Müller: Nun, ich habe mich entschlossen, mir nicht von anderen vorschreiben zu lassen, mit wem ich Kontakt haben darf, wen ich achte und zitiere und mit wem ich mit Respekt umgehe. Nicht nur, aber auch, weil Dialog wichtig ist – und wir ohne eben diesen allzu schnell auf Kampagnen und Lügen über andere hereinfallen würden.

Ich will dazu noch ein Beispiel nennen: Seit den siebziger Jahren habe ich mit Andreas von Bülow zu tun. Unsere Familien waren in der gemeinsamen Bonner Zeit befreundet. Er war in der Zeit der Nachrüstungsdebatte bei einem Pleisweiler Gespräch. Jetzt sieht er die Rolle der USA, ihrer Geheimdienste und auch die Hintergründe von 9/11 etwas anders und härter als ich. Und er wird dafür gescholten, ein Verschwörungstheoretiker zu sein. Ich denke dennoch nicht im Traum daran, diesen Urteilen zu folgen und meinen Respekt für ihn der allgemeinen Stimmungsmache zu opfern.

Ich könnte eine Reihe anderer Beispiele nennen, will aber die etwas allgemeinere Bemerkung anfügen: Die Intoleranz und die Etikettenverteilung, die hierzulande gerade üblich wird, sollten wir nicht mitmachen. Und wir sollten hart dagegen angehen. Das habe ich im März getan. Es hat gewirkt. Weil Denunzianten nämlich zugleich Feiglinge sind.

Das Gespräch erschien nach Löschung auf der Webseite des Neuen Deutschlands auf den NachDenkSeiten. RT Deutsch bedankt sich für das Recht auf Übernahme. 

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