Gewaltexzesse in Heidenau: Sächsische Ortschaft im Zentrum des Konflikts um Flüchtlinge

Wieder Sachsen: Nach Freital und Dresden ist die Ortschaft Heidenau seit Tagen das Zentrum gewalttätiger Angriffe gegen Flüchtlinge. In der Nacht zum Montag gelang es der Polizei erstmals die Lage halbwegs zu beruhigen. Neben 300 Antifa-Aktivisten ist nun auch Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) in den sächsischen Ort gereist, um sich ein Bild der Lage zu machen. Doch in der Empörung über die rechten Krawallmacher mischt sich auch reichlich Bigotterie, ist doch vor allem die eigene Politik der Regierung dafür verantwortlich, dass das Frustpotenzial und die Aggressivität in strukturschwachen Regionen steigen.
Gewaltexzesse in Heidenau: Sächsische Ortschaft im Zentrum des Konflikts um FlüchtlingeQuelle: Reuters © Axel Schmidt

Seit Tagen prägen rechtsextreme Krawalle den sächsischen Ort Heidenau. Straßensperren wurden errichtet, Flaschen flogen, es kam zu Prügeleien. Unter dem Jubel vieler Anwohner griffen Rechtsextreme auch Polizisten an, die eine Flüchtlingsunterkunft schützten. 30 Beamte wurden dabei verletzt.

Viele Beobachter sprechen davon, dass die rechten Krawallmacher stark alkoholisiert waren. Auch rund 300 Aktivisten der linken Szene sind mittlerweile in die Ortschaft mit 16.000 Einwohnern angereist und stellen sich den Asylgegnern entgegen.

Die Polizei hat die Lage nur mühsam im Griff und konnte erst in der Nacht zum Montag Gewalt in nennenswertem Maße verhindern.

Während nicht klar ist, ob die Lage abermals eskaliert, fordern zahlreiche Stimmen eine klare Stellungnahme von Kanzlerin Angela Merkel - doch diese schweigt, wie so oft. Was selbst die sonst nicht für Regierungskritik berühmte Tagesschau zu bissiger Satire am Morgen verleitet:

Zur Stunde besucht Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) Heidenau, um mit den Flüchtlingen zu sprechen und sich ein Bild von der Lage zu machen.

Auf besondere Besorgnis stößt auch die Tatsache, dass es den rechten Scharfmachern gelingt, zahlreiche frustriere und desillusionierte Bürger zu mobilisieren. Rund 1.000 Menschen beteiligten sich an einem Protestmarsch einer Bürgerinitiative, der Nähe zur NPD nachgesagt wird. Nach Jahrzehnten einer Politik, die meist nur im Interesse der Elite ist, fühlen sich vor allem in strukturschwachen Regionen zahlreiche Bürger gesellschaftlich abgehängt und sind offen für einfache Erklärmuster und das Sündenbock-Prinzip. Für nicht wenige Menschen ist es da das einfachste, den zunehmend nach Deutschland kommenden Flüchtlingen die Schuld an der eigenen Misere zu geben.

So wirken Tadel und Empörung aus Reihen der etablierten Politik ebenso verkürzt. Weder gelang es den Regierenden in den vergangenen Jahren etwa die Situation von Hartz IV-Beziehern zu verbessern, noch kann die Situation auf dem Arbeitsmarkt als sonderlich fair bezeichnet werden. Die Schere der Wohlstands-Verteilung geht immer weiter auseinander. Viele schlecht ausgebildete Menschen werden im neoliberalen Wirtschaftssystem schlicht nicht mehr gebraucht. Frust und Enttäuschung sind die Folge.

Auch über die Ursachen von Flucht und Vertreibung schweigen sich der politische und mediale Mainstream häufig aus. Deutschland ist aktiver Part bei den weltweiten imperialen Kriegen des großen Bruders USA. Die deutsche Waffenindustrie liefert - legitimiert von der Bundesregierung - schweres Gerät in zahlreiche Krisenstaaten und befeuert Konflikte damit zunehmend. Kaum ein Wunder, dass in der Folge von Krieg und Zerstörung immer mehr Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Ein Wirtschaftssystem, das vor allem ökonomisch gut entwickelten Staaten nutzt und die Länder des globalen Südens konsequent ausbeutet tut sein Übriges.

Gründe zur Selbstkritik haben auch die Antifa-Aktivisten, die nun äußerst gut organisierten Asylgegnern entgegen stehen. Während viele Linke es in den vergangenen Jahren vorzogen, sich gegenseitig zu bekämpfen oder ihre Energie in das Ziel steckten Friedensaktivisten zu verleumden, die die oben aufgeführten Ursachen offen benannten, konnten sich die Rechten ungestört formieren.

Das alles entschuldigt nicht pogromartige Gewaltexzesse gegen Flüchtlinge, die nach einer langen, beschwerlichen und lebensgefährlichen Flucht glaubten, in Deutschland nun endlich sicher zu sein. Klar ist jedoch: Die Ursachen des Frustes und der Aggressivität liegen tiefer und sind systemisch bedingt. Nicht wenige Politiker, die nun an vorderster Front die Gewalt gegen Flüchtlinge anprangern, tragen hier Mitverantwortung. Vielleicht zieht die Kanzlerin es auch deshalb vor zu schweigen.

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