"Staatsfeind im Land meiner Geburt" - RT Deutsch Reporterin über die Hintergründe ihres Einreiseverbots in die Ukraine

RT Deutsch Reporterin Anna Schalimowa erhielt ohne jegliche Begründung ein dreijähriges Einreiseverbot in das Land, in dem sie geboren wurde, und in dem ein Großteil ihrer Familie lebt. Verhängt hat das Einreiseverbot der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU. Die RT Reporterin berichtet über den Verlauf ihrer Ausweisung, die Gespräche mit Grenzbeamten und Flughafenpersonal, die Reaktion der deutschen Botschaft in Kiew, als klar wurde, dass sie für RT Deutsch arbeitet, sowie was dieses Einreiseverbot für sie ganz persönlich bedeutet.
"Staatsfeind im Land meiner Geburt" - RT Deutsch Reporterin über die Hintergründe ihres Einreiseverbots in die Ukraine

Dreijähriges Einreiseverbot in die eigene Heimat. Ohne weitere Angaben oder Begründung. So sehr wie die ukrainische Regierung in der Öffentlichkeit versucht die Demokratisierung des eigenen Landes hervorzuheben, so sehr bewegt sie sich de facto in die entgegengesetzte Richtung. Völlig unklar ist mir der Schritt, mich, die in Lemberg geboren ist und dort ihre Kindheit verbracht hat, aus dem Land zu verbannen, in dem ein Großteil meiner Familie wohnt und in dem meine Großeltern begraben liegen. Ich soll weder die Kinder meiner Cousins noch meine 78-jährige Großmutter für die nächsten drei Jahre zu Gesicht bekommen. Hilflos fühle ich mich, aber gleichzeitig auch wütend, wenn ich während ich im Transitbereich festsitze, über Twitter sehe, wie Vertreter des ZDF über ihren Aufenthalt in Kiew fröhlich twittern.

Angekommen am Freitagmittag, durfte ich nach einer einstündigen Passkontrolle, mit einem bis an die Zähne bewaffneten Grenzschützer mein Gepäck holen und mich auf meine Deportation vorbereiten. Wie ich jedoch zu der Ehre kam, am Flughafen Kiew-Boryspil den Status eines "Staatsfeindes" auferlegt zu bekommen, war den Mitarbeitern des Grenzschutzes zu dem Zeitpunkt ein ähnliches Rätsel wie mir. Sicher war zu dem Zeitpunkt nur eins, meine baldige Rückführung nach Berlin.

Im Gespräch mit dem mir anvertrauten Grenzschützer Gembov, der sich mit meinem angeblichen Fehlverhalten beschäftigen musste, wurde eines deutlich, ähnlich wie mir, lagen auch ihm keinerlei Informationen vor. Bisher, so erklärte er mir, hatte er einen solchen Fall noch nicht erlebt. "Was denken Sie, warum Sie nicht einreisen dürfen? Probleme mit der Regierung? Mit dem Gesetz?" wollte er wissen. Ich fragte ihn im Gegenzug, ob ich wirklich für die nächsten drei Jahre nicht mehr einreisen dürfe, meine Familie nicht mehr sehen könne, mir verboten wäre die Entwicklung meines Heimatlandes selbst beobachten zu können? Darauf antwortete er mir:

"Der SBU hat am 19. Mai ein dreijähriges Einreiseverbot gegen Sie verhängt. Unterzeichner des Dokuments war ein Herr Denis Anatolowitsch Hussein. An diesen sollten Sie sich wenden, wenn Sie zurück in Berlin sind."
Meine anschließende Frage, ob ich nicht auch das Recht hätte, hier vor Ort ein offizielles Statement einzufordern, verneinte er. "Nichts an diesem Fall ist typisch, weder das Verbot an sich, noch die fehlende Begründung" erklärte mir der Grenzschützer weiter und fügte hinzu, dass er bisher noch nie "das Vergnügen" hatte eine deutsche Staatsbürgerin auszuweisen. Natürlich hätte ich das Recht mich an die deutsche Botschaft zu wenden, riet mir Gembov, "aber mit einer Telefonnummer kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen, sagte er abschließend.

Zurück nach Berlin sollte es am nächsten Morgen gehen. Zunächst saß ich aber im Transitbereich fest, ohne Pass, Boardingkarte oder Zugang zu ukrainischer Währung, versuchte ich meinen Berliner Kollegen sei Dank, Kontakt mit der deutschen Botschaft und dem Konsulat in Kiew herzustellen. An einem Freitagnachmittag gestaltete sich aber auch dies als eine Herausforderung.

Die deutsche Botschaft befand sich zum großen Teil schon im wohlverdienten Feierabend. Nach langem Hin und Her erreichte ich dann einen Herrn Graf, Vertreter der deutschen Botschaft. Dieser erklärte mir, man bemühe sich zu erfahren, wie es zu meinem Einreiseverbot kommt, Hoffnung auf eine Einreise sollte ich mir jedoch nicht machen.  Man wäre "natürlich nicht so gut vertraut mit den ukrainischen Gesetzen", wurde mir telefonisch mitgeteilt.  Ich solle jedoch auf meine Rechte bestehen, fügte der Botschaftsvertreter hinzu.

Nachdem ich ihm jedoch erklärt hatte, dass ich mein Einreiseverbot mit meiner journalistischen Tätigkeit für RT Deutsch in Verbindung bringe, klang Herr Graf auf einmal entspannt und erklärte lediglich: "Ja, Frau Schalimowa, na das hätten Sie mal gleich sagen sollen. Wir bleiben dann in Kontakt, falls was ist, melde ich mich entweder bei Ihnen oder sie sich bei mir." Ich habe danach nie wieder etwas von Herrn Graf gehört.

Den gesamten Tag, Abend und die Nacht verbrachte ich im Transitbereich des Flughafens. Ich konnte einzelne Gastronomen überreden, mir Euro in Griwni zu wechseln, um mich schlussendlich mit Nahrung und Getränken zu versorgen. Zudem nutze ich den Gelegenheit, um mich mit einigen Angestellten des Flughafens über die momentane ökonomische Situation im Lande unterhalten. Deren Fazit lautete unisono: Die gesamte wirtschaftliche Situation hat sich dramatisch verschlechtert, allein die Brotpreise hätten sich mehr als verdreifacht.

Auch betonten alle, dass die Korruption neue Höhen erreicht hätte. "Waren zuvor nur die staatlichen Stellen korrupt, hat die Korruption sich mittlerweile auch durch alle Bereiche der Privatwirtschaft gefressen", meinte etwa eine Duty-Free-Verkäuferin während einer Zigarettenpause zu mir. Schlussendlich haben mir vor Ort nicht die Vertreter der Bundesregierung, sondern die einfachen Menschen geholfen. Also genau diejenigen, über die ich recherchieren und schreiben wollte.

Wann genau ich meinen Rückflug antreten sollte, habe ich gegen zwei Uhr morgens erfahren. Einer der Grenzschützer erklärte mir zu diesem Zeitpunkt, ich sollte mich um  8.30 Uhr an dem entsprechenden Abflugbereich einfinden.  Meinen Pass erhielt ich am Flughafen in Berlin zurück, ebenso die Dokumente die das Einreiseverbot bezeugen. Sehr gespannt bin ich nun auf die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes, der ukrainischen Botschaft und des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), die ich umgehend kontaktieren werde.

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