RT Deutsch Analyse der Wikileaks-Protokolle zum NSA-UA: Stammte Brief an Telekom-Chef Ricke von der Schröder-Regierung?

Wie RT Deutsch berichtete, veröffentlichte die Leakingplattform Wikileaks gestern 1380 Seiten der Protokolle des NSA-Untersuchungsausschusses. Obwohl die Sitzungen öffentlich sind, wurden die offizielle Protokolle bisher von der interessierten Öffentlichkeit abgeschirmt. In der 26. Sitzung war der ehemalige Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke als Zeuge im Untersuchungsausschuss geladen. Besonders brisant: Das Bundeskanzleramt sendete zwischen 2002 und 2006 einen Brief mit der Aufschrift "persönlich" an Ricke, in dem eine Unbedenklichkeitserklärung für die Zusammenarbeit des Telekommunikationsunternehemens mit BND und NSA ausgestellt wird. Tiefere Recherchen der Dokumente werfen mehr Fragen als Antworten auf. Denn in den Jahren 2003/2004, dem Beginn der Operation Eikonal zwischen BND, NSA und Telekom, saß noch Gerhard Schröder im Kanzleramt. Der Chef des Bundeskanzleramtes damals: Frank-Walter Steinmeier.
RT Deutsch Analyse der Wikileaks-Protokolle zum NSA-UA: Stammte Brief an Telekom-Chef Ricke von der Schröder-Regierung?

Eine Analyse von RT Deutsch-Redakteur Florian Hauschild

Die 26. Sitzung des parlamentarischen NSA-Untersuchungsausschusses fand am Donnerstag, dem 4. Dezember 2014 statt. Geladen war Kai-Uwe Ricke, von 2002 bis 2006 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG. Gleich zu Beginn wird Ricke vom Ausschuss-Vorsitzenden Dr. Patrick Sensburg (CDU) zum Programm "Eikonal" (BND-intern auch "Granat" bezeichnet) befragt, das die Süddeutsche Zeitung am 4. Oktober 2014 umfangreich offenlegte. Bei dem Programm handelt es sich laut NSA um das "Kronjuwel der strategischen Kooperation" der US-amerikanischen Geheimdienste mit dem BND. Operativer Zweck des Programms ist vor allem die komplette Datenabschöpfung durch die Geheimdienste am weltweit größten Internetknotenpunkt DE-CIX in Frankfurt. Die Telekom soll für ihre logistische Unterstützung monatlich 6.000 Euro von den Geheimdiensten erhalten haben. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, gibt es Hinweise darauf, dass der BND die Grenze des juristisch vertretbaren dabei wissentlich überschritten hatte, auch finden sich in internen Dokumenten Warnungen von Insidern hinsichtlich des geplanten - und später umgesetzten - Vorhabens.

Wie aus gestern von Wikileaks veröffentlichten Protokollen hervorgeht, liegt dem NSA-Untersuchungsausschuss auch das Vertragswerk zwischen BND und Telekom vor. Auf der Telekom-Seite ist der Vertrag mit dem Namen "Köbele" unterschrieben. Bernd Köbele war zu dieser Zeit Leiter der Abteilung "Staatliche Sicherheitssonderauflagen" des Konzerns. Gleichwohl antwortete der ehemalige Konzernchef Ricke auf die Frage nach Köbele:

"Der Name, den Sie jetzt genannt haben, der sagt mir nichts."
Auch sonst gab Ricke den Unwissenden mit auffällig großen Erinnerungslücken, besonders bei heiklen Fragen zur Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten und der Telekom.

Neu, und im Zusammenhang mit Eikonal bisher noch nicht diskutiert, ist die Tatsache, dass Kai-Uwe Ricke vor dem Beginn des Programms, der auf 2003 oder 2004 datiert wird, einen Brief aus dem Kanzleramt mit der Aufschrift "persönlich" erhielt. Dieser Brief wurde in der besagten 26. Sitzung des NSA-Untersuchungsausschusses diskutiert - soweit dies möglich war. Denn in der öffentlichen Sitzung durften keine Angaben zum Inhalt des Briefes gemacht werden. Dennoch lassen sich aus der Vernehmung Rickes und den Stellungsnahmen der Ausschuss-Obleute einige Rückschlüsse ziehen. Etwa die, dass der Inhalt des Briefes die Verträge zu Eikonal betraf.

So sagt Grünen-Obmann Konstantin von Notz gegen Ende der Vernehmung hinsichtlich des Briefes:

"Aber dass es ein Schreiben aus dem Bundeskanzleramt an die Deutsche Telekom gibt, in dem praktisch eine Unbedenklichkeitserklärung gegeben wird, das ist ja im Grunde die Aussage. Ist das für Sie ein normaler Vorgang gewesen, oder finden Sie das bemerkenswert?"
Und nach einigen Ausflüchten Rickes:
"Und wenn ich Ihnen sage: "Dieses Schreiben war die letzte Schlaufe der Auseinandersetzung"?"

und weiter:

"Na ja, das heißt, das stand am Ende der Diskussion, und danach wurde das gemacht, was da drinsteht. Dann würde das nicht dem entsprechen, was Sie erwarten würden."
Dazu der Zeuge Ricke:
"Das ist korrekt. Absolut korrekt."
Auf die Frage ob Ricke den Brief gelesen hat, antwortet er nach langem hin und her schließlich:
"Ich kann mich nicht daran erinnern; sagen wir mal so." (Seite 97)
Darauf anschließend befragt SPD-Obmann Christian Flisek den damaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom AG zu seinem Treffen mit dem damaligen BND-Chef August Hanning. Ricke stellt die Zusammenkunft als unbedeutenden Restaurantbesuch dar und scheint überrascht, dass der Untersuchungsausschuss der Annahme nachgeht, es könne hier ein Zusammenhang zwischen Eikonal, dem Kanzleramts-Brief und Rickes Treffen mit Hanning bestehen (s. 97 bis 102). Auch sonst plagen Ricke wieder große Erinnerungslücken hinsichtlich Inhalt und Anlass des Gespräches mit dem damaligen BND-Chef.

In der Vernehmung fällt auch der Name Frank-Walter Steinmeier (SPD). Wie der Rechtsanwalt Markus Kompa bereits am 10. Oktober 2014 in dem Artikel "Doppelagent Steinmeier enttarnt" schrieb, spielte der heutige Außenminister und einstige Kanzleramtsminister und Geheimdienstkoordinator unter Gerhard Schröder eine tragende Rolle bei der Umsetzung von Eikonal.

Ohnehin kann - auf Grundlage der dargelegten Zusammenhänge - davon ausgegangen werden, dass der geheime Kanzleramtsbrief vor November 2005 und damit vor dem Amtsantritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel an Telekom-Chef Ricke gesendet wurde. Verantwortlich im Kanzleramt damals: Gerhard Schröder, aber auch Frank-Walter Steinmeier.

Vollständige Sicherheit über diese neue Wendung kann aber letztendlich nur die Veröffentlichung des Schreibens bringen. Auf Bundeskanzlerin Angela Merkel wird der Druck dadurch allerdings nicht geringer. Wie die kürzlich offen gelegte Kommunikation zwischen Kanzleramt und Weißem Haus zeigt, verbreitete die Merkel-Regierung grobe Unwahrheiten und Lügen hinsichtlich eines angeblichen No-Spy-Abkommens zwischen Deutschland und den USA, das de facto aber nie von den US-Amerikanern angeboten wurde. Dies hielt Roland Pofalla (CDU) nicht davon ab, die NSA-Affäre unter Ankündigung eines No-Spy-Abkommens für beendet zu erklären. Auch Angela Merkel sammelte im Wahlkampf 2013 mit der Ankündigung des fiktiven Abkommens fleißig Stimmen und beging so faktisch Wählerbetrug.

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