EU-Stabilitätsgesetze: Merkel drückt für Frankreich nochmal ein Auge zu

Die EU-Kommission hat Frankreich bereits zum dritten Mal Aufschub hinsichtlich der Erreichung der Defizitziele gewährt - ohne größere Widerstände seitens der vermeintlich eisernen Sparkanzlerin Angela Merkel. Völlig uneigennützig ist das deutsche Vorgehen in diesem Zusammenhang nicht: Das Erstarken der Linkssozialisten in Griechenland und Spanien sowie der Rechten in Frankreich stellt langsam aber sicher die schwarz-rote Konsenspolitik auf EU-Ebene in Frage.
EU-Stabilitätsgesetze: Merkel drückt für Frankreich nochmal ein Auge zu

Das Image der Protagonistin einer eisernen Sparpolitik, das sich Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel im Laufe der letzten Jahre aufgebaut hat, zeigt sich in den letzten Jahren immer wandelbarer. Während man im Falle Griechenlands auf eine kompromisslose Haltung setzt und deutsche Boulevardblätter eine breit angelegte Hetzkampagne gegen Athen führen, war man mit der Ukraine stets ungleich nachsichtiger – auch wenn Unregelmäßigkeiten und Korruption dort in wesentlich höherem Maße vorhanden sind und sich wesentlich hartnäckiger zeigen.

Und wenn es gar um einen mächtigen Mitspieler in der Europäischen Union selbst geht, wie es Frankreich darstellt, dann kann es passieren, dass selbst Merkel und Schäuble ihre nachsichtige Seite entdecken.

So hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich hinter die Entscheidung der EU-Kommission gestellt, Frankreich mehr Zeit für die Sanierung des Staatshaushalts zu geben. Und dessen Zustand ist derzeit überaus prekär. Das Land bekam bereits zwei Mal eine längere Zeitspanne zur Reduktion seines überhöhten Defizits gewährt – obwohl dadurch längst die Voraussetzungen für die Verhängung einer Geldstrafe seitens der EU-Kommission wegen Verletzung der Defizitziele vorliegen. Die Regierung in Paris hat seit 2001 nur in den Jahren 2006 und 2007 ein Defizit von weniger als drei Prozent erzielt.

Immer wieder wurde ein "Reformstau" in Paris beklagt – aber Angela Merkel ist ungebrochen guter Dinge. "Ich glaube, aus meinen bilateralen Beziehungen mit Frankreich zu sehen, dass es da einen sehr intensiven Reformprozess gibt”, äußerte Merkel am Mittwoch in Brüssel im Anschluss an ein Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. [zum Video der Pressekonferenz]

Diese Reformen seien die Voraussetzung dafür, die Auflagen der EU-Kommission zu erfüllen. Man möchte von deutscher Seite her die Bemühungen Frankreichs, wo im April ein Reformpaket durch das Parlament gepeitscht werden soll, unterstützen.

In diesem Zusammenhang fällt der von deutscher Seite sonst nur selten zu hörende Satz:

"Das tun wir, indem wir uns […] nicht in bestimmte Maßnahmen einmischen."
Jedes Land müsse selbst entscheiden, welche Reformen nötig seien. Es gebe aber das gemeinsame Bewusstsein, dass die Wirtschaft wettbewerbsfähiger werden müsse. Merkel glaube, Frankreich befinde sich hier auf einem guten Weg.

Diese seltene Form von Zurückhaltung ist umso bemerkenswerter, als die EU-Kommission Frankreich Anfang der Woche bereits zum dritten Mal mehr Zeit eingeräumt hatte, das Haushaltsdefizit auf die im europäischen Stabilitätspakt erlaubten drei Prozent zu drücken. Nun hat Paris bis 2017 Zeit, dieser Aufgabe nachzukommen – jenem Jahr, da in Frankreich wieder Präsidentenwahlen stattfinden werden.

 

Ist das schwarz-rote Europa in Gefahr?

Selbst die Proteste von Unionspolitikern aus der zweiten Reihe konnten Merkel nicht umstimmen: Sie stellte sich ohne großes Murren hinter den neuerlichen französischen Defizitvorstoß.

Völlig selbstlos ist Merkels Vorgehensweise dabei jedoch nicht. In jüngsten Umfragen liegt die rechtsnationalistische Kandidatin Marine Le Pen in allen Meinungsumfragen zur nächsten Präsidentenwahl in Führung. Sollte die radikale Rechte in Frankreich tatsächlich am Ende Frankreichs Geschicke mitgestalten, stünde nicht nur die faktische Koalition aus Sozialdemokraten und Christdemokraten auf EU-Ebene auf der Kippe, sondern kämen auf die gesamte Europäische Union weitere tiefgreifende Krisen zu.

Zumal die herrschende Klasse innerhalb der EU nicht nur von rechts unter Druck gerät. Nach dem linkssozialistischen Wahlsieg in Griechenland droht auch in Spanien die traditionelle Sozialdemokratie von der weit linken "Podemos"-Bewegung marginalisiert zu werden.

Die Gefahr, von links und rechts in die Zange genommen zu werden, lässt auch Merkel eine Aufweichung der Stabilitätspolitik als das aus ihrer Sicht geringere Übel erscheinen. Dass Frankreich indessen tatsächlich bahnbrechende Reformen angehen könnte, dafür ist die Wahrscheinlichkeit überschaubar. Bis auf den Versuch, am Parlament vorbei Arbeitsmarktreformen durchzudrücken, war seitens des Kabinetts Hollande auch jüngst nichts Substanzielles zu bemerken.

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