US-Mordanschlag auf iranischen General setzt Finanzmärkte unter Druck

Die Börsen sind im Minus, Anleger investieren verstärkt in den sicheren Hafen Gold, und auch der Ölpreis legt zu. Nach der Tötung eines iranischen Generals durch einen US-Raketenangriff im Irak wächst an den Finanzmärkten weltweit die Unruhe.

Die Spannungen zwischen den USA und dem Iran sowie die gefährliche Eskalation in der Golfregion insgesamt lösen an den Finanzmärkten weltweit Unruhe aus. Die USA hatten bei einem Luftangriff im Irak den hochrangigen iranischen Kommandeur Qassem Soleimani getötet. Der Iran und schiitische Milizen im Irak drohten mit Vergeltung. Der irakische Ministerpräsident Adil Abd al-Mahdi verurteilte den Raketenangriff. Israel befindet sich in erhöhter Alarmbereitschaft. Anleger sind in Sorge, beim Ölpreis gibt es Aufschläge, die "Antikrisen-Währung" Gold ist gefragt.

Börsen

Anleger ziehen sich zurück. Der deutsche Leitindex Dax startete am Freitag mit 0,91 Prozent auf 13.264,54 Punkte im Minus, weitete den Verlust aus und fiel auf ein Tagestief. Gegen Mittag büßte der Dax 1,7 Prozent auf 13.161,80 Punkte ein. Tags zuvor hatte er noch ein neues Hoch seit Anfang 2018 knapp verpasst. Der MDax der mittelgroßen Werte fiel um 0,82 Prozent auf 28.374,13 Punkte. Ähnlich sah es an anderen europäischen Handelsplätzen aus: Der EuroStoxx 50 verlor am Vormittag 0,85 Prozent auf 3.760,55 Punkte. In Paris ging es für den CAC 40 um 0,51 Prozent auf 6.010,83 Punkte abwärts. Der Londoner FTSE 100 gab um 0,38 Prozent auf 7.575,39 Punkte nach.

Luftverkehr

Aktien aus dem Luftfahrtsektor haben mit teils kräftigen Kursrückgängen reagiert. Betroffen waren vor allem Papiere von Fluggesellschaften, die besonders sensibel auf geopolitische Spannungen reagieren. Dies umso mehr, als die Ölpreise deutlich gestiegen sind und damit die Treibstoffkosten der Airlines erhöhen. Die Titel der Lufthansa sackten als Schlusslicht im Dax am Vormittag zeitweise um mehr als sieben Prozent unter die 16-Euro-Marke ab. Die Anteilsscheine von Air France-KLM und IAG büßten 7,8 beziehungsweise 2,4 Prozent ein. Auch US-Airlines gerieten vorbörslich unter Druck.

Gold

Die Eskalation treibt Anleger verstärkt in das Edelmetall, der Goldpreis legt zu. In der Spitze kostete eine Feinunze (etwa 31,1 Gramm) am Morgen knapp 1.544 US-Dollar und damit so viel wie seit September nicht mehr. Zum Vortag erhöhte sich der Goldpreis um fast 15 Dollar. Schon in den Vortagen hatte das "Antikrisen-Metall" von den Spannungen zwischen den USA und dem Iran profitiert.

Ölpreis

Aus Furcht vor Lieferausfällen decken sich Anleger mit Rohöl ein, die Ölpreise reagierten mit Aufschlägen. Zeitweise wurde für ein Barrel (159 Liter) der US-Sorte WTI bis zu 64,09 US-Dollar gezahlt und damit so viel wie seit vergangenem April nicht mehr. Der US-Ölpreis lag damit über dem Niveau vom September, als ein Angriff auf die Ölindustrie in Saudi-Arabien ebenfalls einen starken Preissprung ausgelöst hatte. Im Mittagshandel gab der US-Ölpreis allerdings einen Teil der frühen Gewinne wieder ab und stand etwas tiefer bei 63,55 Dollar. Kräftig nach oben ging es auch mit dem Preis für Rohöl der Sorte Brent aus der Nordsee, der für deutsche Verbraucher wichtig ist. Hier stieg die Notierung für ein Fass am Mittag um 2,67 Dollar auf 68,92 US-Dollar. Allerdings verharrte der Brent-Preis unter dem Stand, der im September bei 71,95 Dollar erreicht worden war.

Ölkonzerne

Während Aktien der Fluggesellschaften unter den gestiegenen Ölpreisen litten, waren Ölwerte die Profiteure. So legten etwa ExxonMobil und Chevron vorbörslich zu. Der Stoxx 600 Oil & Gas lag mit 0,8 Prozent Aufschlag an der Spitze der Einzelsektoren, gefolgt von Branchen wie Lebensmittel, Telekommunikation und Pharma. Die Fluggesellschaften, die im Sektor Travel & Leisure notieren, lagen dagegen mit Autowerten am Ende.

Staatsanleihen

Deutsche Bundesanleihen gelten als sicher – und haben spürbaren Zulauf. Der richtungweisende Terminkontrakt Euro-Bund-Future stieg bis zum Mittag um 0,61 Prozent auf 172,16 Punkte. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen fiel im Gegenzug deutlich auf minus 0,29 Prozent. Am Vortag hatte sie mit minus 0,16 Prozent noch den höchsten Stand seit vergangenem Mai erreicht. An anderen europäischen Anleihemärkten gaben die Renditen am Freitag ebenfalls deutlich nach. Besonders stark gefragt waren Staatsanleihen der Schweiz.

Währungen

Der Euro ist gegenüber dem US-amerikanischen Dollar deutlich unter Druck geraten, so wie auch viele andere Währungen. Am Markt war von einer typischen Fluchtbewegung in die Reservewährung Dollar die Rede. Mittags kostete die Gemeinschaftswährung 1,1125 US-Dollar und damit einen halben Cent weniger als im asiatischen Handel. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am Donnerstagnachmittag auf 1,1193 Dollar festgesetzt. Neben dem Euro gerieten auch viele andere wichtige Währungen zum US-Dollar unter Druck. Dazu zählten der australische und der neuseeländische Dollar ebenso wie der koreanische Won oder der südafrikanische Rand. Kursgewinne verbuchte dagegen der japanische Yen, der an den internationalen Finanzmärkten als sicherer Rückzugsort in unwägbaren Zeiten angesehen wird.

Was sagen Analysten?

Die Finanzmärkte haben (...) ihren ersten geopolitischen Belastungsfaktor in diesem Jahr", sagte Christian Henke vom Broker IG Markets.

Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners schrieb:

Die Eskalationsspirale ist in vollem Gang.

Die entscheidende Frage sei jetzt, wie weit beide Seiten zu gehen bereits sind.

Dieser Konflikt hat das Potenzial, politisch und wirtschaftlich extreme Turbulenzen auszulösen.

Der Anstieg des Ölpreises sei möglicherweise erst ein Vorgeschmack auf noch mehr Ungemach.

Der erste Schock sitzt tief", ergänzte Marktstratege Andreas Lipkow von der Comdirect Bank.

Nun müsse sich zeigen, ob die Situation weiter eskaliert oder ob sich die Lage wieder beruhigt. Jochen Stanzl von CMC Markets glaubt nicht an eine Zuspitzung. Politische Börsen hätten gemeinhin "kurze Beine". Investoren wägten derzeit lediglich die Risiken einer größeren militärischen Auseinandersetzung ab, hätten aber noch kein Urteil gefällt.

(dpa/rt deutsch)