BlackRock: Ein Blick auf den aktuellen Arbeitgeber von Friedrich Merz

Friedrich Merz ist als Anwärter auf den CDU-Vorsitz wieder medial in aller Munde. Berichtet wird dabei auch von seinen vielen Posten in der Wirtschaft, insbesondere beim weltgrößten Finanzkonzern BlackRock. Ein aktuelles Buch bringt Licht ins Dunkel des "Schwarzen Felsens".

Friedrich Merz war von 2000 bis 2002 Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und damit einer der einflussreichsten Politiker des Landes, bis er von diesem Posten von der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel verdrängt wurde. Nach seinem Rückzug aus dem Bundestag 2009 konzentrierte sich Merz auf seine berufliche Karriere jenseits der Tagespolitik. So ist er seit 2009 Vorsitzender der Atlantik-Brücke und seit 2016 Vorsitzender des Aufsichtsrates der deutschen Filiale des Finanzkonzerns und sogenannten "Vermögensverwalters" BlackRock.

Neben anderen gleichartigen Kapitalunternehmen ist speziell BlackRock seit der Abwicklung bzw. Auflösung der "Deutschland AG" unter der rot-grünen Bundesregierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder breit in der deutschen Wirtschaft über Beteiligungen vernetzt. Für viele Menschen sind die Aktivitäten dieser neuen Finanzakteuere mittlerweile insbesondere im Wohnungsmarkt spürbar. Doch auch im Bereich des weiteren Umbaus und der Privatisierung der Altersvorsorge könnten sich zukünftig unmittelbare Auswirkungen für breite Bevölkerungsschichten infolge des Einflusses gerade von BlackRock auf die EU-Politik ergeben.

In seinem aktuellen Buch "Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts" untersucht Werner Rügemer unter anderem die Rolle von BlackRock, des weltgrößten Finanzkonzerns aus den USA. Aus gegebenem Anlass veröffentlicht RT Deutsch mit freundlicher Genehmigung des Autors nachfolgend Auszüge aus dem Kapitel "Große Kapitalorganisatoren: BlackRock & Co".

BlackRock wurde 1988 von Lawrence Fink gegründet. Er hatte an der Wall Street bei der Investmentbank First Boston gearbeitet. Damals begannen die großen US-Banken, sich aus den bisherigen Regulierungen zu befreien. Einzelne Bankmanager entwickelten neue Finanzprodukte, experimentierten damit und suchten dafür Geldgeber.

So gilt Fink bei First Boston als Initiator der 'Wert'papiere, die aus verbrieften, d. h. von den Banken weiterverkauften, dann gebündelten Immobilien- und anderen Krediten gebildet werden. Für die Entwicklung solcher Finanzprodukte und Finanzwetten erhielt er von der Private-Equity-Firma Blackstone Kredite. 1994 gründete er aus Blackstone heraus BlackRock: Aus dem kleinen "schwarzen Stein" wurde allmählich der viel größere "schwarze Fels".

BlackRock machte den ersten großen Sprung durch die von Fink mitentwickelten Finanzspekulationen. Sie führten 2007 zum Bankrott der traditionellen westlichen Banken. Der BlackRock-Chef hatte "in den 1980er Jahren bei First Boston selbst jene Hypothekenpapiere ersonnen, die zum Crash 2007/2008 erheblich beigetragen haben". So schnellte das verwaltete Vermögen von BlackRock von etwa 300 Milliarden US-Dollar im Jahre 2004 auf 1,3 Billionen im Jahre 2008.

Der nächste große Sprung gelang in den zwei Jahren während der Abwicklung der Finanzkrise. Die US-Regierung unter Präsident Barack Obama beauftragte Fink, die Finanzkrise zu managen. So koordinierte BlackRock die Abwicklung der Investmentbanken Bear Stearns und Lehman Brothers und die staatliche Rettung des Versicherungskonzerns American International Group (AIG). Das bedeutete zum Beispiel, dass den Banken Goldman Sachs und Deutsche Bank die Versicherungssummen ausgezahlt wurden, die AIG hätte zahlen müssen. Das Honorar für BlackRock betrug 180 Millionen Dollar.

Durch die Banken-Regulierung von 2010 – Dodd-Frank-Act (Wall Street Reform and Consumer Protection Act) – wurden nur die traditionellen Banken reguliert. BlackRock & Co galten aber nicht als Banken. So ergriffen sie die neue Freiheit. Wenn sie Kredite brauchten, holten sie sich die von den regulierten Banken, die sich darüber freuten, weiter mitspielen zu dürfen. Und BlackRock & Co kauften sich Aktien der Banken und sind nun nicht nur deren wichtige Kreditnehmer, sondern auch deren mächtige Miteigentümer.

Der größte Kapitalorganisator der westlichen Wertegemeinschaft

Wichtiger als das Honorar der Regierung war, dass BlackRock durch diese Insiderposition sich eine noch bessere Markt- und Machtstellung verschaffen konnte, z. B. durch den Aufkauf kleinerer Finanzakteure: In den zwei Jahren bis 2009 schnellte das verwaltete Vermögen auf 3,3 Billionen US-Dollar hoch. 2018 sind es bereits über 6 Billionen – also etwa 20 mal so viel wie der Haushalt des reichsten und mächtigsten EU-Staates.

Demokraten: sehr gut, Republikaner: auch sehr gut

BlackRock nimmt dezent Einfluss auf die Politik. Fink richtete – wie bei US-Unternehmen üblich – ein Political Action Committee (PAC) ein, in das vor allem leitende Mitarbeiter mehr oder weniger freiwillig Spenden einzahlen. Sie werden fürsorglich an beide etablierte Parteien der USA, Republikaner und Demokraten, verteilt. 2013 wurde die Stabschefin der damaligen Außenministerin Hillary Clinton, Cheryl Mills, Mitglied im BlackRock-Aufsichtsrat. Einige Mitglieder der Obama-Administration wechselten zu BlackRock. Dieser Drehtür-Effekt gehört zu den Praktiken der transnationalen kapitalistischen Klasse.

Fink konnte zunächst die harsche Kritik des Kandidaten Donald Trump an der Gier der Wall Street und am korrupten Filz der Politik in Washington nicht goutieren. Aber nach einem Jahr Trump-Regierung erklärte Fink: "Trump war gut für die US-Wirtschaft und deshalb auch gut für die globale Wirtschaft." Er lobte Trumps Steuersenkungen für Unternehmen und die Kündigung der für die USA ungünstigen "asymmetrischen" Freihandelsverträge. Fink lobte auch ganz unverblümt Trumps Mission "to make America great again".

Die größte Schattenbank

BlackRock macht viele bankähnliche Geschäfte, ist aber rechtlich keine Bank. Zunächst war BlackRock ein Hedgefonds. Danach ging er an die Börse und mauserte sich zu einer Aktiengesellschaft. Das hat aber die rechtliche Einstufung von BlackRock nicht wirklich geklärt. Das gilt auch für die anderen vergleichbaren Kapitalorganisatoren der neuen ersten Liga, also für Vanguard, State Street, Fidelity, Capital Group, Wellington, Northern Trust, Amundi, Templeton, T. Rowe Price und Franklin Resources.

Deshalb werden sie, ob als Hedgefonds oder Aktiengesellschaft oder mit anderer Rechtsform, in der Fachwelt und von den internationalen Finanzgremien wie dem IWF als Schattenbanken bezeichnet. Deren Lobby hat es mithilfe des EZB-Präsidenten Mario Draghi geschafft, dass sie weiterhin nur unter Beobachtung stehen: Aus einer Regulierung, wie sie etwa der damalige Chef der deutschen Finanzaufsicht Bafin, Jochen Sanio, vorgeschlagen hatte, wurde nichts.

Eine kleine Regionalbank – größter Eigentümer von BlackRock

Der größte Eigentümer des größten Finanzakteurs der westlichen Welt ist mit 34,4 Prozent Anteilen die kleine Bank PNC (Stand: Ende 2017) – das ist in diesem Milieu ein ganz ungewöhnlich hoher Anteil, der sonst nie vorkommt. Die nächstgroßen Miteigentümer sind Vanguard mit 8,4 Prozent, Wellington mit 7,2 Prozent, BlackRock selbst mit 6,9 Prozent, Capital World mit 6,6 Prozent.

Die PNC gehörte nie zum US-Finanzzentrum der Wall Street. Aber: PNC kaufte 2005 die Washingtoner Riggs National Bank. Die war kaum bekannt und ist inzwischen ganz aus dem veröffentlichten Gedächtnis gelöscht. US-Präsidenten wie Abraham Lincoln und Jefferson Davis hatten hier im 19. Jahrhundert ihre Konten. Bis 2005 war sie anderthalb Jahrhunderte lang die verschwiegene Bank ausländischer Botschaften am US-Regierungssitz und der US-Botschaften und Konsulate in aller Welt. Diktatoren und Demokraten der westlichen Wertegemeinschaft wickelten hier ihre geheimsten Geschäfte ab.

Ein dunkler Punkt in der BlackRock-Geschichte

Bei der Plünderung des nachsozialistischen Russlands unter dem korrupten Westliebling Boris Jelzin half Riggs russischen Oligarchen wie Michail Chodorkowski beim Transfer des Vermögens in den Westen. Das fiel eigentlich unter US-Gesetze der Geldwäsche. Aber es diente guten "westlichen" Zwecken. Riggs verband sich mit der zweiten, ebenfalls öffentlich unbekannten, regierungsnahen Bank in Washington, Alex. Brown, die eng mit der CIA zusammenarbeitete. Sie wird beim Aufstieg von Jeffrey Bezos/Amazon eine Rolle spielen.

Nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center 2001 in New York stießen die Ermittler auf der Suche nach der Terroristen-Finanzierung auf die Riggs-Konten des saudischen Botschafters Prinz Bandar. Dieser "Skandal" aber durfte keiner werden, wurde auch keiner. Dann aber fanden Staatsanwälte im Ausland, in Spanien, Großbritannien und Chile heraus: Der von den USA geförderte Diktator Augusto Pinochet hatte sein korruptiv zusammengerafftes Vermögen auf zehn Riggs-Konten untergebracht, Riggs hatte ihm dafür auch Briefkastenfirmen in der Karibik eingerichtet. Aber dieser »Skandal« wurde schnell aus der Welt geschafft: Die Provinzbank PNC hatte irgendwie viel Geld und kaufte Riggs und damit auch Kundenstamm und Beziehungen. Die 200-jährige Traditionsbank der US-Hauptstadt ist seitdem aus dem öffentlichen Gedächtnis gelöscht.

Okkulte Parallelwelt

BlackRock & Co bauen eine okkulte Finanz-Parallelwelt auf. Sie besteht aus verschiedenen Akteuren und Operationsgebieten.

Rating-Agenturen

So waren BlackRock, Capital Group, Vanguard, State Street und T. Rowe Price während der Vorbereitungsphase der letzten Finanzkrise gleichzeitig die Mehrheitsaktionäre in den beiden marktbeherrschenden Rating-Agenturen S&P (früher Standard & Poor’s) und Moody’s und blieben dies auch nach der Krise. Die Agenturen bewerteten mit Gefälligkeitsgutachten für hohe Honorare die Finanzprodukte von Banken, die mit BlackRock & Co, also ihren Eigentümern verbunden waren

Die Rating-Agenturen, die in den USA und in der Europäischen Union einen staatlichen Auftrag haben, um die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Staaten zu bewerten, waren wesentliche Mitverursacher der Finanzkrise. Sie und ihre Eigentümer wie BlackRock wurden aber weder bestraft noch zu Schadenersatz herangezogen, noch wurden sie neuen Regeln unterworfen.

Nach der Bankeninsolvenz haben sich die Eigentümerschaften der Agenturen nur innerhalb der Familie verschoben. Die drei größten Aktionäre von S&P sind nun Fidelity, Vanguard und BlackRock. Die vier größten Aktionäre von Moody’s sind Berkshire Hathaway (Warren Buffett), Vanguard, Baillie Gifford und State Street (Stand: 2016, wobei BlackRock Großaktionär von Berkshire Hathaway ist).

Die Vorstände etwa der 30 DAX-Konzerne in der Bundesrepublik Deutschland beauftragen die drei US-Rating-Agenturen mit der Bewertung der Kreditwürdigkeit und der Kreditkonditionen. BlackRock ist gleichzeitig Miteigentümer von S&P und Moody’s und Miteigentümer aller 30 DAX-Konzerne. Zum einen verdient BlackRock als Agentur-Miteigentümer an den hoch honorierten Bewertungen mit, zum anderen hat BlackRock die Möglichkeit eines privilegierten Einblicks und kann als Miteigentümer natürlich ein bevorzugter Informationslieferant für die beauftragte Agentur sein.

Dark pools

Zur okkulten Parallelfinanz gehören weiter die dark pools. BlackRock & Co sind zwar Miteigentümer etwa der Börsen in New York, London und Frankfurt, sie organisieren aber gleichzeitig ein nicht-öffentliches, nicht gesetzlich geregeltes Parallelsystem. Das sind außerbörsliche Handelsplätze für Aktien und Wertpapiere aller Art. In diesen schwarzen Löchern des Finanzsystems vermittelt insbesondere BlackRock den direkten Kontakt zwischen Käufern und Verkäufern, also vor allem zwischen Banken, Unternehmen und den Finanzinvestoren. Alle Teilnehmer bleiben nach außen anonym. Schätzungsweise fanden im Jahr 2014 schon 40 Prozent aller Aktiengeschäfte in den USA außerhalb der traditionellen, regulierten Börsen statt.

Systemische Nutzung von Finanzoasen

Zur okkulten Parallelwelt gehören die wichtigsten Finanzoasen. Deren Nutzung geht bei BlackRock & Co weit über das Maß hinaus, das etablierte "investigative Medien" wie Guardian, New York Times (NYT) und Süddeutsche Zeitung (SZ) enthüllen. BlackRock & Co sind Könige der Steuerflucht und der Geheimhaltung. Die allermeisten Einzelfonds von BlackRock, die rechtlich als Aktionäre etwa von Bayer, Monsanto, Linde, Praxair, Deutsche Bank, Siemens, Deutsche Post DHL, Commerzbank usw. agieren, haben ihren rechtlichen Sitz in einer der zahlreichen Finanzoasen.

So hat BlackRock seine RWE-Aktien auf 154 (einhundertvierundfünfzig) Fondsgesellschaften und Finanzinstrumente verteilt, darunter BlackRock Holdco 2 Inc., BlackRock Holdco 4 LLC, BlackRock Holdco 6 LLC, BlackRock Delaware Holdings, BlackRock Institutional Trust, BlackRock Netherlands B.V., BlackRock International Holdings Inc., BlackRock Group Ltd., BlackRock Asset Management Deutschland AG usw. Sie haben ihren rechtlichen Sitz allermeist in einer Finanzoase, etwa Delaware/USA, Jersey, Luxemburg, Niederlande, Singapur und auf den Cayman Islands.

Zum 1.3.2018 hatte BlackRock als größter Eigentümer des Energiekonzerns E.ON seine insgesamt 7,86 Prozent Aktien auf sich als beherrschendes Unternehmen und auf 152 Tochterunternehmen verteilt, verstreut auf Delaware (der am häufigsten genannte Standort), Luxemburg, Niederlande, Jersey, Großbritannien, Singapur, Australien, Kanada.

Nach diesem Muster verfährt BlackRock bei allen Unternehmen, an denen der Kapitalverstecker das Kapital seiner Kunden anlegt. Und so verfahren auch die anderen Kapitalorganisatoren wie Vanguard, State Street, Wellington, Templeton, T. Rowe Price usw.

So wird auch bei kleineren Unternehmen vorgegangen, zum Beispiel: Am österreichischen Weltmarktführer für Spezial-Maschinenbau, Andritz AG in Graz, hält BlackRock 4,01 Prozent der Aktien. Diese sind auf mehrere Dutzend Einzelfonds verteilt, die ihren Sitz in verschiedenen Staaten haben: Deutschland, Australien, Japan, Kanada, aber auch in den expliziten Finanzoasen London, Jersey, Niederlande, Cayman Islands und Delaware.

Um noch zwei andere Beispiele zu nennen: Die beiden größten Kreuzfahrtkonzerne der bisherigen Menschheitsgeschichte, Carnival Corporation und Royal Caribbean, haben beide ihren operativen Sitz in Miami/USA und ihren steuerlichen Sitz in Panama bzw. Liberia. Die größten Carnival-Aktionäre sind Suntrust Banks, BlackRock, Vanguard, Northern Trust und Bank of America; die größten Royal-Caribbean-Aktionäre sind Vanguard, BlackRock, Primecap, Baillie Gifford und State Street. Am größten Carnival-Aktionär Suntrust Bank sind wiederum BlackRock, Vanguard, Capital Worlds, Fidelity und State Street beteiligt. Das bedeutet, dass die beiden Kreuzfahrtkonzerne mehrere tausend Eigentümer mit ebenso vielen Steuersitzen in Finanzoasen haben.

BlackRock selbst hat den operativen Hauptsitz in New York, den rechtlichen Sitz aber in der größten Firmen-Finanzoase der Welt, in Delaware. Zusätzlich unterhält BlackRock in Wilmington, der Hauptstadt von Delaware, zwei eigene Niederlassungen.

Gewinner und Mitgewinner

Fusionen und Übernahmen ziehen sich über Monate und Jahre hin. Dies ist ein heißes Feld für das von BlackRock & Co gesteuerte Auf und Ab der Börsenwerte der zunächst noch getrennten Unternehmen.

Des Weiteren verdienen die von BlackRock herangezogenen Kreditgeber, die etwa für Bayer den Monsanto-Kaufpreis in zweistelliger Milliardenhöhe aufbringen, in diesem Fall die Banken Credit Suisse, Morgan Stanley, Goldman Sachs – und an allen sind wiederum BlackRock & Co als Großaktionäre beteiligt.

Bei Fusionen und Übernahmen verdienen viele Berater an den Transaktionskosten. Der Verkauf von Patenten, Grundstücken und Unternehmensteilen muss arrangiert, Politiker, Gewerkschafter, Medien und Kartellbehörden sollen günstig gestimmt werden. Die Honorare für Kanzleien wie Freshfields, Wirtschaftsprüfer wie PwC und PR-Agenturen wie Finsbury belaufen sich bei einer Fusion wie Bayer-Monsanto auf etwa zwei Milliarden Dollar. Bei der noch gar nicht abgeschlossenen Fusion Linde-Praxair sind das bisher geschätzte 940 Millionen Euro. Die Wirtschafts'prüfer' verdienen etwa auch dadurch, dass sie den rechtlichen Sitz des fusionierten Konzerns in eine Finanzoase verlagern.

So viel Einfluss mit so wenig Aktienanteilen?

Viele Beobachter können sich nicht vorstellen, warum BlackRock & Co mit ihren Aktienanteilen von nur drei oder zehn Prozent an einem Konzern eine große Gestaltungsmacht haben können.

Zudem betont BlackRock, man sei nur Treuhänder und verwalte ja nur das Kapital für die Kunden. Doch das ist rechtlich gesehen nicht wahr. Denn für die 10 oder 50 Millionen US-Dollar oder Euro eines Kunden und Kapitalgebers gründet BlackRock eine Unternehmenshülle, sprich Briefkastenfirma, die nicht den Namen des Kunden, sondern den von BlackRock trägt, z.B. BlackRock Holdco 4 LLC, BlackRock Netherlands B.V. Und BlackRock übt in den Aktionärsversammlungen die Abstimmungsrechte aus, das tun nicht die Kunden.

BlackRock & Co lassen die Vorstände der Konzerne regelmäßig zur "Roadshow" nach New York, San Francisco oder Houston kommen und machen Druck: "Wir müssen die Macht unserer Stimmen nutzen, wir müssen mit Vorstand und Aufsichtsrat reden und manchmal auf grundlegende Veränderungen drängen. Und das tun wir. Das ist unser Job", so BlackRock-Chef Fink. So berichtet der Chef des Stromkonzerns E.ON, Johannes Teyssen: "Die lassen uns antanzen."

BlackRock & Co halten sich in der EU nicht an die nationalen Aktiengesetze, die die Aufsichtspflicht der Mitglieder der Aufsichtsräte festlegen. Fink pflegt das persönliche Verhältnis zu den Aufsichtsratschefs etwa von Siemens, Lufthansa, E.ON und Deutsche Bank. BlackRock & Co entsenden keine Mitglieder in die Aufsichtsräte, sondern setzen die Aufsichtsräte informatorisch auf das Trockene und etablieren neben dem Gesetz eine eigene Entscheidungsprozedur. In Deutschland verletzen sie damit auch das Mitbestimmungsgesetz.

Das Einfluss-Instrumentarium

Für den Einfluss auf Unternehmensentscheidungen haben BlackRock & Co neben den Roadshows noch weitere Instrumente:

Die Privatisierung von Renten und Immobilien

BlackRock & Co verwerten nicht nur die bestehende industrielle und finanzielle Substanz. Sie wollen möglichst viele menschliche Bedürfnisse zur monopolistisch und privat handelbaren Ware machen. Dazu sollen Formen der gemeinschaftlichen, kollektiven Organisation aufgebrochen werden.

BlackRock-Chef Fink gehört in den USA mit den Chefs von JPMorgan Chase und General Electric zur Fundamental-Lobby der Renten-Privatisierer. Fink selbst hat als besonders aggressive Variante vorgeschlagen, dass der Staat die Bevölkerung zum Sparen für die Rente zwingt: Zwangs-Sparen. Damit konnte sich die Lobby nicht durchsetzen, hat aber gelernt, sich vorerst mit einem ersten Schritt zu begnügen. Mehr war politisch nicht durchsetzbar, es soll aber den Einstieg bringen: Die Obama-Regierung führte gesetzlich das freiwillige private Sparen ein (myRA = myRetirementAccount = mein persönliches Rentenkonto). Es ist für diejenigen gedacht, für die die Arbeitgeber keine Renteneinzahlungen leisten. Es wird staatlich gefördert, etwa durch Steuervergünstigungen. Dafür werden nun handelbare Fonds eingerichtet. "BlackRock verdankt seinen Aufstieg zum einen der Privatisierung der Altersvorsorge, wodurch Versicherungen und Pensionskassen hohe Zinsen suchten und ihre Milliarden zu BlackRock trugen." 

Auch Wohnungen sind ein Objekt der Begierde. BlackRock kaufte den New Yorker Immobilienkomplex Stuyvesant Town mit 110 Gebäuden und 10.000 Wohnungen. Er war von der städtischen Lebensversicherung nach dem Zweiten Weltkrieg für Kriegsveteranen, Lehrer, Polizisten, Feuerwehrleute gebaut worden. BlackRock wollte vom Bestandsschutz für die vielen langjährigen Mieter nichts wissen. Doch hier ging der Plan nicht auf. Mieter zogen vor Gericht und bekamen in 4.400 Fällen Recht. BlackRock machte Verluste. In den USA gibt es nicht (mehr) viele Mietwohnungen. Aber, wie wir sehen werden: Nach dem Sprung über den Atlantik, nach Westeuropa, werden BlackRock & Co auf größeres Beutegut treffen.

Populistische Finanz-Häppchen

Mittlerweile haben BlackRock & Co auch etwas für das "Volk" entwickelt. Das Finanzprodukt heißt ETF, Exchange Traded Fund, börsengehandelter Fonds. Dieses Spekulations-'Wert'papier wurde während der Präsidentschaft von William Clinton 1993 an der Wall Street erfunden, und zwar vom heute drittgrößten Kapitalorganisator State Street. Es war für Großanleger gedacht, wurde aber von BlackRock zum Massenprodukt gemacht. Das ist keine Aktie, sondern ein Anteilsschein an einem Kapitalfonds, der in Unternehmen, Immobilien, Rohstoffe oder sonstwas investiert. Die Anteilsscheine werden an der Börse gehandelt.

iShares als Lenkungsinstrument

Als besonders "volksnahe" Variante von ETF wurde iShares entwickelt. Diese ETF-Untergruppe ist eine Wette auf die Entwicklung von Aktien-Indizes wie den deutschen DAX und den US-Index S&P 500 oder den New Yorker MSCI-Index, in dem 1.644 internationale Konzerne gelistet sind. Solche Scheine sind schon für ein paar tausend Euro zu kaufen, die Gebühren sind sehr niedrig. BlackRock kaufte im Jahr 2000 die Abteilung der britischen Bank Barclays, die dieses Finanzprodukt entwickelt hatte. BlackRock & Co sind dazu übergegangen, iShares auch als Aktien einzelner DAX-Unternehmen wie etwa Bayer, BASF, Siemens, aber auch von Rüstungskonzernen wie Lockheed, Raytheon, Northrop Grumman, Safran zu verkaufen. Wenn der Wert der Aktien mit dem DAX-Wert oder dem Wert der Lockheed-Aktie steigt, steigt automatisch der Wert der iShares mit.

Neben BlackRock handeln Vanguard und State Street ebenso im großen Stil mit ETF und iShares. Zusammen beherrschen diese Big Three dreiviertel des Weltmarkts mit einem geschätzten Volumen von 4 Billionen Dollar (Stand: 2017). Sie steuern die Ausgabe, den Verkauf und Rückkauf von iShares nach Datum, Menge, Unternehmen und nationalen und anderen Einheiten aufgrund eines einzigartigen Insiderwissens. Zunehmend steuern Roboter mithilfe von Algorithmen die Indexfonds und beraten die Kunden "persönlich".

Über ETF und iShares sind die Big Three zusätzliche Aktionäre in den jeweiligen Unternehmen. So verschaffen sich die großen Kapitalorganisatoren eine zusätzliche Einnahme-, Operations- und Machtquelle. Sie lassen das kleine Volk am großen, volkswirtschaftlich unsinnigen, ja schädlichen Geschäft mitmachen. Das Volk bibbert und hofft dann mit, ob "die Aktienmärkte" und die anderen "Märkte" weiter steigen.

In der Finanzbranche geht man wie selbstverständlich davon aus, dass auch der anschwellende ETF-Handel zu einer neuen Blasen-Bildung beiträgt – und irgendwann bricht wieder eine Finanzkrise aus, auf deren marode Finanzprodukte die Insider, wie vor der letzten Finanzkrise, schon vorher Gegen-Wetten abschließen können.

Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Gemeinverständliche Notizen zum Aufstieg der neuen Finanzakteure. Köln 2018, Papyrossa Verlag, 357 Seiten, 19,90 Euro. Typologie, Praktiken und Hilfstruppen der neuen Finanzakteure, transnationale Kapitalverflechtungen. Vergleich des US-geführten westlichen Kapitalismus mit dem Kapitalismus in China nach den Kriterien Völkerrecht, Menschenrechte, Arbeitseinkommen, erneuerbare Energien, Korruptionsbekämpfung, volkswirtschaftliche Entwicklung und Typ der Globalisierung.

Anmerkung: Dieser Auszug enthält nicht die Fußnoten mit Quellenhinweisen des Originals.

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