Charlie Cai, Professor für Finanzen an der Universität Liverpool, hat gegenüber der amtlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua erklärt, dass die zahlreichen Unsicherheiten, mit denen die europäische Wirtschaft aufgrund der Energiekrise, der Unterbrechung der Lieferkette und der Streitigkeiten über Unterstützungsmaßnahmen konfrontiert ist, einige Unternehmen aus der Region vertreiben würden und die Wirtschaft untergraben könnten. Der Wirtschaftsexperte sagte:
"Es ist offensichtlich, dass Unternehmen Unsicherheit nicht mögen."
Cai fügte hinzu, die europäische Energiekrise habe schon vor dem Russland-Ukraine-Konflikt begonnen, in Verbindung mit den hohen Lebenshaltungskosten, die durch COVID-19 in die Höhe getrieben wurden.
Die Europäische Union habe der Stabilisierung der Energiepreise in diesem Winter Priorität eingeräumt, aber die Mitgliedsstaaten seien sich über die Unterstützungsmaßnahmen uneinig. Die kurzfristige Unsicherheit habe einige Unternehmen vertrieben, vor allem energiehungrige, so Cai.
Es bleibe abzuwarten, ob die Regierungen die Preise stabilisieren können. Er mahnte:
"Niemand weiß das, und das ist ein Risiko."
Cai sagte, dass die Unternehmensleiter schnell entscheiden müssen, ob sie sich absichern wollen.
"Mein persönliches Gefühl sagt mir, dass es wahrscheinlich erst noch schlimmer wird, bevor es besser wird. Daher sehen einige der Geschäfte jetzt vielleicht nicht so günstig aus."
Das könnte sich aber in ein paar Monaten ändern.
Die Abwanderung europäischer Unternehmen in andere Regionen, etwa nach Nordamerika, würde den Finanzexperten nicht überraschen, wenn man bedenke, dass angesichts der erhöhten Unsicherheit in Bezug auf die Energiesicherheit und der Zerstörung der Lieferkette nach der COVID-Initiative viele Hersteller damit begonnen hätten, ihre Lieferkettenstruktur zu überdenken.
Cai sagte, dass die Vereinigten Staaten mehr Möglichkeiten für die Produktion und für grüne Investitionen geschaffen hätten.
"Einige Unternehmen sehen sich das Angebot an, und es erscheint (für sie) wahrscheinlich günstiger."
Die Abwanderung von Unternehmen sei jedoch eine schlechte Nachricht für die europäische Wirtschaft, warnte der Experte.
"Kurzfristig bedeutet dies weniger Investitionen und Beschäftigung. Längerfristig würde die Abwanderung von Unternehmen die Strukturen der Lieferkette verändern. Das wird eine ganze Reihe von Unternehmen betreffen."
Europa könnte seinen Vorsprung in der fortgeschrittenen Fertigung schrittweise verlieren, wenn immer mehr Unternehmen abwandern. Die Innovation würde dort nicht stattfinden, und diese Art von Hilfe und Clustereffekt würde verschwinden, so der Professor. Um den Ernst der Lage genau zu erfassen, benötige man jedoch noch mehr Daten. Unternehmen könnten ihre Produktion nicht über Nacht verlagern.
Mehr zum Thema – Tschechien: Inflation erreicht fast 20 Prozent