In einem Interview mit der auf Nachrichten aus dem Bereich Energie und Energieträger spezialisierten Agentur Energy Intelligence räumt Katars Energieminister Saad al-Kaabi mit den Vorstellungen der EU und Deutschlands auf, Europa könne von Gas aus Russland vollständig unabhängig werden. Deutschland und die EU werden seiner Einschätzung nach nicht dauerhaft auf russisches Gas verzichten können.
Auf die Frage, ob er denke, das Europa Gaslieferungen aus Russland ersetzen könnte, antwortet al-Kaabi: "Nein, sie werden auf russisches Gas zurückgreifen müssen. Ich hoffe, dass es irgendwann ein Ende dieser Krise gibt. Dass es Vermittlungen gibt, die Europa Frieden bringen und hoffentlich etwas von dem russischen Gas zurückbringen werden, um Europa zu unterstützen. Wenn Sie sich vorstellen, dass mehr als zwei Winter lang kein russisches Gas nach Europa kommt, denke ich, dass es sehr schwierig werden wird."
Laut al-Kaabi gibt es keine schnelle Lösung für das Versorgungsproblem der EU. Es seien umfangreiche gemeinsame Anstrengungen nötig, um in eine nennenswerte Menge an Gas in die EU umzuleiten. Dabei sei wichtig, dass Gesetzgeber und Regierungen langfristig planten. Es könne nicht immer nur heißen, "wir müssen grün, grün, grün werden", ohne über den Übergang zu sprechen. Für diesen Übergang sei Gas unabdingbar, führt der Minister aus. Gas werde benötigt, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Gas sei der Energieträger, der für lange Zeit die Grundlast abdecken könne und sei daher noch für mehrere Jahrzehnte unverzichtbar.
Katar hat auch gegenüber dem deutschen Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) bei seinem Besuch in Doha im März deutlich gemacht, dass es aktuell die Versorgungslücke für Deutschland und Europa durch die Lieferung von Flüssiggas nicht schließen kann.
Selbst mittelfristig wird Katar Gaslieferungen aus Russland nicht vollständig ersetzen können, wie aus Zahlen hervor geht, die der Energieminister nennt. Zwar erhöht Katar seine Produktion und investiert umfassend in die Erschließung neuer Felder und die dazugehörige Infrastruktur, hat dabei auch Europa als Markt im Blick, wird aber mit den von al-Kaabi genannten Förderkapazitäten keine Alternative zu russischen Lieferungen sein.
Al-Kaabi wirft ein Schlaglicht auf die Organisation des europäischen Gasmarktes, die der Versorgungssicherheit nicht dienlich sei. Europäische Regierungen wollten Gas kaufen, könnten aber nicht, weil die dazugehörige Logistik fehle. Zudem erfolge der Kauf dann von privaten Unternehmen, bei denen das Risiko liege. Ob die Regierungen im Zweifelsfall das Risiko übernehmen, sei nicht klar. Für Katar sei das ein Problem.
Ein weiteres Problem sei die Nachfrage. Durch die Schließung von Produktionsstätten, bedingt durch die hohen Energiepreise, ginge auch die Nachfrage zurück. Al-Kaabi deutet damit an, dieser Rückgang sei dauerhaft, weil die entsprechenden Industrien ihre Produktionsstätten schließen oder dauerhaft ins Ausland verlagern könnten. Von einem radikalen Eingriff in den Markt, wie ihn die EU mit einem Preisdeckel für Öl und Gas vorsieht, hält der Energieminister nichts. Preisdeckel würden das Problem nicht lösen, dafür aber Investoren dauerhaft abschrecken.
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