Japan bittet Russland um einer Erklärung des "Sachalin-2"-Erlasses, den Wladimir Putin am 30. Juni unterzeichnet hat. Dies sagte am Dienstag der amtierende Außenminister Japans Yoshimasa Hayashi auf einer Pressekonferenz in Tokio.
Der Erlass des russischen Präsidenten von 30. Juni betrifft die gemeinsame Erschließung von zwei Erdgasvorkommen im Nordosten des Kontinentalschelfs in der Nähe der russischen Insel Sachalin, die unter dem Projektnamen "Sachalin-2" zusammengefasst sind. Für die Erschließung der Vorkommen und die anschließende Förderung von Erdgas über drei schwimmende Plattformen hatten Russland, Japan und der transnationale Konzern Shell das gemeinsame Unternehmen Sakhalin Energy gegründet, an dem Gazprom mit 50 Prozent, Shell mit 27,5 Prozent, Mitsui & Co. Ltd. mit 12,5 Prozent sowie die Mitsubishi Corporation mit 10 Prozent beteiligt waren.
Ende Februar erklärte Shell, dass es alle gemeinsamen Projekte mit Gazprom abbricht und seine Beteiligungen an Joint Ventures aufgibt, was auch Sachalin-2 betraf. Die japanischen Partner hatten dagegen ihr Interesse bekundet, an dem Projekt festzuhalten.
In dem am 30. Juni unterzeichneten Erlass werden die Aktiva von Sakhalin Energy auf eine noch zu gründende russische Gesellschaft übertragen, die auch die Lizenz für die Erschließung der betroffenen Gasfelder erhalten wird. Das Vermögen der bisherigen Gesellschaft wird nationalisiert. Ob die japanischen Mitgesellschafter der Sakhalin Energy Anteile an der neuen Gesellschaft erhalten werden, steht noch nicht fest. Der Präsidentenerlass sieht vor, dass die ausländischen Eigentümer Anteile im Verhältnis zu ihren Anteilen an Sakhalin Energy erhalten können. Sie haben nach dem Wortlaut des Erlasses einen Monat Zeit, um der russischen Regierung mitzuteilen, dass sie der Übernahme der Anteile zugestimmt haben.
Hayashi erklärte auf der Pressekonferenz am Dienstagmorgen (Ortszeit):
"Was das Projekt Sachalin-2 betrifft, so ist es wichtig, eine stabile Energieversorgung für unser Land sicherzustellen. Der Erlass des russischen Präsidenten bedeutet nicht, dass die Energielieferungen aus Sachalin sofort eingestellt werden. Eine detaillierte Analyse der Informationen darüber, wie dieses Dekret die Rechte der japanischen Unternehmen respektiert und welche Auswirkungen es auf die LNG-Lieferungen nach Japan haben wird, ist jedoch derzeit im Gange."
Während eine offizielle Antwort auf die Fragen Japans noch aussteht, meldete sich kurze Zeit nach der Pressekonferenz in Tokio der russische Ex-Präsident und Stellvertretende Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrates Dmitri Medwedew zu Wort. Um 11:12 Uhr Moskauer Zeit schrieb er in seinem offiziellen Telegram-Account, dass Japan weder Gas noch Öl aus Russland erhalten werde und auch die Beteiligung an Sachalin-2 nunmehr vergessen könne. Wörtlich schrieb Medwedew:
"Der japanische Premierminister Kishida hat vor Kurzem gesagt, dass eine Obergrenze für den russischen Ölpreis auf die Hälfte des derzeitigen Preises festgelegt werden soll. Darüber hinaus wird es einen Mechanismus geben, der verhindert, dass unser Öl zu einem höheren Preis als dem festgelegten gekauft wird.
Übersetzt aus dem Japanischen ins Russische bedeutet dies:
1. Es wird deutlich weniger Öl auf dem Markt sein und sein Preis wird viel höher sein. Über dem prognostizierten astronomischen Preis von 300 - 400 USD. Vergleichen Sie dies mit der Dynamik der Gaspreise.
2. Was Japan angeht, so wird es weder Öl noch Gas aus Russland erhalten. Auch eine Beteiligung am LNG-Projekt Sachalin-2 ist nicht mehr vorgesehen.
Arigato [Danke]!"
Ausgerechnet am Tag zuvor hat die auflagenstärkste japanische Tageszeitung Asahi Shimbun – auch für Japan – eine verheerende Bilanz der westlichen Sanktionen gegen Russland gezogen. Sie haben sich als ein Bumerang für die westlichen Länder erwiesen, indem sie zu einem starken Anstieg der Energie- und anderer Rohstoffpreise geführt haben. Das wiederum wirke sich in Form von Inflation auf die westlichen Länder aus, heißt es in dem Artikel.
"Russland ist neben den USA eine der wenigen Großmächte, die sich in der Regel mit allem Nötigen versorgen kann, so dass es schwierig ist, von Wirtschaftssanktionen eine kurzfristige Wirkung zu erwarten",
zitierte die Zeitung Yasuhiro Enomoto, den stellvertretenden Direktor des Marubeni-Instituts für Wirtschaftsforschung.
Wenn man bedenkt, dass die russische Regierung (mit niemand anderem als Dmitri Medwedew an der Spitze) noch vor wenigen Jahren bereit war, Japan ein Kondominium an den südlichen Kurilen und weitreichende Ausbeutungsrechte im gesamten Fernen Osten des Landes einzuräumen, und damit die russischen "Patrioten" in helle Aufruhr versetzte, haben die Verhandlungskünste der japanischen Politiker das Land der aufgehenden Sonne heute wahrlich weit gebracht.
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