Inzwischen hat nach Uniper der zweite Energieversorger Unterstützung bei der Bundesregierung eingefordert. Es soll dabei um ein Darlehen der KfW in Höhe von 5,5 Milliarden Euro gehen.
Ein Grund für die finanziellen Engpässe der Unternehmen ist der Preisanstieg auf dem Terminmarkt für Strom und Gas. Firmen, die dort Geschäfte tätigen wollen, müssen eine Sicherheitsleistung in Höhe eines Teils des Werts des abgeschlossenen Vertrags hinterlegen. Nachdem die Preise für Erdgas und für Strom massiv gestiegen sind, stiegen auch die Beträge für diese Sicherheitsleistung; so hoch, dass offenkundig bereits zwei Versorger sie nicht mehr leisten können.
Auf solche Verträge verzichten können sie aber ebenfalls nicht. Die Liberalisierung des Energiemarkts, die die EU zu verantworten hat, sieht nämlich vor, dass, falls ein Versorger ausfällt, die Kunden dieses Versorgers automatisch für drei Monate zum örtlichen Grundversorger wechseln, damit eine kontinuierliche Versorgung sichergestellt ist. Dafür wird zwar ein höherer Tarif gefordert als bei regulären Verträgen, aber der Bedarf dieser nicht eingeplanten neuen Kunden muss dann vielfach über Zukäufe auf dem Spotmarkt gedeckt werden.
Seit Beginn des jüngsten Preisanstiegs bei Strom und Erdgas sind bereits reihenweise kleinere Versorger insolvent gegangen, was gleichzeitig dazu führt, dass die größeren Versorger wegen der erforderlichen Zukäufe zunehmende Ausgaben auch für diese Sicherheitsleistungen haben. Das Problem dabei ist, dass die Grundversorgerregelung einen automatischen Dominoeffekt auslöst; die Kunden bleiben zwar weiter versorgt, aber die liquiden Mittel, die hinterlegt werden müssen, steigen mit jeder Insolvenz kleinerer Versorger weiter an. Und sie müssen auf Verdacht hinterlegt werden. Wer heute auf dem Terminmarkt eine Megawattstunde Strom für 170 Euro erwirbt, geht davon aus, dass sie in einem Jahr mehr als das kostet, was wahrscheinlich der Fall sein wird; die Versorger müssen aber heute schätzen, wie viele Kunden sie in einem Jahr haben werden und wie viel sie für deren Versorgung zukaufen werden müssen, und dann einen Anteil eines Betrages für Kunden hinterlegen, die sie noch gar nicht haben, aber dank der Grundversorgerregel auch nicht abweisen können.
Auch Kredite durch die KfW werden das nur vorübergehend lösen können. Die ganze Liberalisierung ist mit kontinuierlich steigenden Preisen nicht kompatibel; der Markt könnte wieder unter wenigen Monopolisten aufgeteilt sein oder wieder durch die ursprüngliche Struktur regionaler öffentlicher Versorger mit Kostenpreisen ersetzt werden. Bis dahin dürften allerdings noch deutlich höhere Beträge aus Steuermitteln aufgewandt werden, um die Energiekonzerne zu retten.
Nachdem die Folgen der Sanktionspolitik sich erst ansatzweise niederschlagen und immer noch mit Gegensanktionen aus Russland zu rechnen ist, sind die gegenwärtigen Unsicherheiten bei den Energieversorgern nur der Anfang einer Entwicklung, die sich weiter verschärfen dürfte. Wobei andere Ereignisse wie der Ausfall großer Abnehmer vielleicht in diesem Bereich stabilisierend wirken könnten. Ein Beispiel dafür sind die Lech-Stahlwerke, die inzwischen ihre Produktion tageweise stilllegen, weil die Energiekosten zu hoch sind. Der Verbrauch dieser Stahlwerke entspricht dem einer Stadt mit 300.000 Einwohnern.
Aber auch in einem Land, in dem genug Strom und Gas zu haben ist, weil alle großen industriellen Verbraucher abgeschaltet sind, dafür aber kaum jemand mehr das erforderliche Geld verdient, um für Strom und Gas zu bezahlen, machen die Energieversorger schlechte Geschäfte.
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