Die Europäische Union (EU) und die USA setzen Strafzölle auf Produkte wie etwa Flugzeuge, Wein oder Ketchup vorerst bis zum Jahr 2026 aus. Die am Dienstag bei Spitzengesprächen in Brüssel getroffene Vereinbarung soll es ermöglichen, den Streit über staatliche Hilfen für den US-Flugzeugbauer Boeing und seinen europäischen Rivalen Airbus in Ruhe zu schlichten. Er wurde vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump mit der Einführung von Strafzöllen auf Importe aus der EU eskaliert. Die EU reagierte mit Sonderabgaben für Einfuhren aus den USA in ihre Mitgliedsländer.
Die Zölle betrafen bis vor Kurzem Exporte im Wert von umgerechnet rund 9,5 Milliarden Euro pro Jahr. Auf eine Aussetzung der Zollabgaben für vier Monate hatten sich beide Seiten bereits im März verständigt. Die neue Absprache gilt nun für fünf Jahre.
Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete das Ergebnis vom Dienstag als einen "wichtigen Schritt zur Lösung des längsten Handelsstreits in der Geschichte der Welthandelsorganisation WTO". Er zeige auch den neuen Geist der Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA, sagte sie am Rande eines Gesprächs mit US-Präsident Joe Biden in Brüssel. Ähnlich äußerte sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Es handle sich um die "ersten Ergebnisse unserer neuen Beziehung zu unseren [US-]amerikanischen Partnern", schrieb er auf Twitter.
Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai kommentierte, statt mit einem der engsten Verbündeten zu streiten, verbünde man sich endlich "gegen eine gemeinsame Bedrohung". Auch sie spielte damit also darauf an, dass die Vereinbarungen nach US-amerikanischer Ansicht auch vorsehen, dass die USA und die EU künftig gemeinsam gegen angeblich "nicht-marktkonforme" Praktiken der Volksrepublik China in der Luftfahrtbranche vorgehen.
Airbus und Boeing begrüßten die Einigung. Alles, was die Bedingungen in der wettbewerbsintensiven Branche angleiche, sei gut, sagte Airbus-Verkaufschef Christian Scherer. Boeing erklärte, die Vereinbarung sorge dafür, dass Regierungshilfen künftig marktgerecht erfolgen werden.
Beide Konzerne dürfte die Einigung stark entlasten. Die Corona-Krise hat den internationalen Luftverkehr ausgebremst und vielen Fluggesellschaften heftig zugesetzt, was auch zu zahlreichen Stornierungen oder zumindest Verschiebungen von früheren Flugzeugbestellungen führte. Zudem ist vor allem Boeing nach dem Debakel um seine wichtigste Baureihe 737 MAX, die nach zwei Abstürzen über anderthalb Jahre weltweit mit Flugverboten belegt war, ohnehin angeschlagen. Der US-Konzern kann jede Unterstützung gut gebrauchen.
Hinzukommt, dass China auf Hochtouren und mit hohen staatlichen Subventionen an der Entwicklung eigener großer Verkehrsflugzeuge arbeitet. Auch wenn die kurzfristige Bedrohung angesichts des jahrelangen Vorsprungs von Boeing und Airbus gering sein mag, besteht für das westliche Duo auf lange Sicht das Risiko einer neuen Konkurrenz in Fernost, einem der wichtigsten ausländischen Absatzmärkte.
Der Streit zwischen Boeing und Airbus ist der längste Konflikt in der Geschichte der WTO. Bereits seit dem Jahr 2004 läuft die Auseinandersetzung zwischen den USA und der EU vor den Schiedsgerichten der Welthandelsorganisation. Die nun erzielte Einigung ist nach den starken transatlantischen Verstimmungen während der Trump-Ära ein großer Schritt zur Annäherung – auch wenn weiter unklar bleibt, wie der eigentliche Streit gelöst werden soll. Das liegt vor allem daran, dass die EU und die USA sehr unterschiedliche Modelle für die Unterstützung der eigenen Industrie haben und beide davon überzeugt sind, dass ihr jeweiliges Modell das beste und fairste ist.
Spannungen bleiben auch in anderen Bereichen. So wird sich an den von Trumps Regierung verhängten Sonderzöllen auf Stahl und Aluminium – die von den Europäern als großer Affront aufgefasst werden – zunächst nichts ändern. Der Vorschlag der EU, beim europäisch-US-amerikanischen Gipfel am Dienstag ein Ende der US-Zölle und auch der europäischen Vergeltungsmaßnahmen bis Ende des Jahres zu verkünden, wurde von den USA auch jüngst wieder abgewiesen.
Für alle Verbraucher ist der Handelsstreit ärgerlich, da Sonderzölle zu Preiserhöhungen für die betroffenen Produkte führen können. Als Vergeltungsmaßnahme für das Vorgehen der USA bei Stahl- und Aluminiumprodukten führte die EU etwa zusätzliche Abgaben auf US-Produkte wie beispielsweise Jeans, Bourbon-Whiskey, Motorräder und Erdnussbutter ein. Für die Strafzölle werden in der Regel Waren ausgewählt, die für die Exportwirtschaft des "gegnerischen" Landes relevant sind oder zumindest eine symbolische Bedeutung haben.
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(dpa/rt)