Bringen russische Getreideexportbeschränkungen die globale Ernährungssicherheit in Gefahr?

Aufgrund der Corona-Krise hat Russland Exportquoten für Getreide eingeführt, um die Ernährungssicherheit auf dem heimischen Markt sicherzustellen. Laut dem russischen Landwirtschaftsministerium wurden die Ausfuhrquoten erreicht. Droht nun eine Getreideknappheit?

Da die Corona-Krise bereits Besorgnis um die Ernährungssicherheit ausgelöst hat, sahen einige in der Einführung der russischen Exportquoten für Getreide ein neues und alarmierendes Signal.

Hintergrund der neuen Obergrenze

Anfang dieses Monats verhängte die russische Regierung eine Obergrenze von sieben Millionen Tonnen für die Ausfuhr bestimmter Getreidearten. Die Beschränkungen, die den heimischen Nahrungsmittelmarkt sichern sollen, gelten für so wichtige Feldfrüchte wie Weizen, Mengkorn, Roggen, Gerste und Mais.

Die neuen Quoten gelten vom 1. April bis zum 30. Juni. Exporte in die Mitgliedsstaaten der von Russland geführten Eurasischen Wirtschaftsunion sind von den Beschränkungen ausgenommen. Diese Kontingente wurden rasch aufgebraucht und waren am Sonntag schließlich "voll ausgeschöpft", so das Landwirtschaftsministerium.

Aktuelle Lage hinsichtlich der Exportquoten

Das Erreichen der Schwelle rechtfertigt weder ein sofortiges Exportverbot noch eine Aussetzung der Getreideeinfuhren, da die Händler in der Regel im Voraus Zollerklärungen einreichen. Tatsächlich sind die Lieferungen noch im Gange und werden voraussichtlich nicht vor Ende Mai eingestellt. Der Präsident der Russischen Getreide-Union (RGU) Arkadi Slotschewski erklärte gegenüber RT:

Die Quoten wurden anhand der Zollerklärungen abgerechnet, aber die tatsächlichen Exporte gemäß dieser Quoten sind noch nicht erfolgt.

Nach Schätzungen von Analysten werden sich die tatsächlichen Ausfuhren im April auf etwa vier Millionen Tonnen Getreide, darunter drei Millionen Tonnen Weizen, belaufen. Der Rest der Lieferungen soll das Land im nächsten Monat verlassen. Somit werden die Exporte möglicherweise nicht vor Juni tatsächlich gestoppt. Oleg Suchanow, Leiter des Referats für Getreide am Institut für Agrarmarktstudien, sagte in einem Kommentar an RT:

Die Welt wird nicht ohne russisches Getreide bleiben.

Kein Grund zu Sorge!

Da Russland der weltweit führende Weizenexporteur ist, könnten die Beschränkungen, die das Land inmitten der Corona-Krise einführte, Anlass zur Sorge geben. Analysten betonen jedoch, dass bis Ende Mai, wenn die tatsächlichen Lieferungen die eingeführten Beschränkungen erreichen, kein Grund zur Besorgnis bestehe. Auch danach sei nicht damit zu rechnen, dass es auf dem Markt zu größeren Engpässen komme. Andrei Sisow, Leiter der Landwirtschaftsberatung SowEkon, erklärte:

Die Quotenmengen sind für den Weizenmarkt irrelevant, da die Exporte im Rahmen der Quote die gleichen sind, wie sie ohne sie wären.

Europa ist zwar nicht der Hauptimporteur russischer Getreidelieferungen, aber Spitzenimporteure wie der Iran, Ägypten und die Türkei könnten gezwungen sein, auf andere Quellen auszuweichen. Insofern sind die Restriktionen im Hinblick auf Engpässe nicht alarmierend. Sie könnten aber Russlands Ruf schädigen und das Land als einen unzuverlässigen Lieferanten aussehen lassen, so Sisow.

Wetterbedingungen ein zusätzlicher Faktor

Die Getreidepreise stiegen Anfang dieses Monats in Erwartung der Restriktionen stark an. Es sei unwahrscheinlich, dass die Ausschöpfung der Quote die Preise in die Höhe treibe, betonte Sisow, da die Witterungsbedingungen – von denen die neue Ernte abhängt – nun der Hauptfaktor seien, der sich auf den Markt auswirke. Viele Länder, darunter auch Russland, litten in diesem Jahr unter einer Dürre, die die Getreidepreise tatsächlich in die Höhe treiben könnte.

Zusätzlich zur Trockenheit hatte die Corona-Pandemie erhebliche Auswirkungen auf die Landwirtschaft, da die anschließenden Sperren globale Lieferketten empfindlich störten.

Laut Ben Aris, Chefredakteur von bne IntelliNews, lösten die pandemiebedingten Störungen Bedenken hinsichtlich der Ernährungssicherheit aus und zwangen Russland zu Exportbeschränkungen. Obwohl einige Länder bereits mit Mehlknappheit zu kämpfen hätten, sei die Situation bei weitem nicht so schlimm. Er schloss:

Alle Länder haben ihre strategischen Getreidereserven, die ausreichen sollten, um das Jahr zu überstehen und sicherzustellen, dass niemandem tatsächlich das Brot ausgeht.

Mehr zum Thema - UN: Corona-Krise könnte weltweite Nahrungsmittelknappheit auslösen