Von Szene isch Züri
In der Unterhaltungsindustrie gibt es eine traurige Tradition: Sobald ein prominenter Sänger oder Schauspieler stirbt, scheint ein Wettlauf zu starten, um aus dem tragischen Ereignis möglichst viel Profit zu schlagen. Das Muster ist immer das Gleiche: Die Rechteinhaber drehen die Lautstärke der Werbetrommel bis zum Anschlag auf und lassen die Klassiker der Verstorbenen in Dauerschleife laufen. Ganz ehrlich, Michael Jacksons "Thriller" hat seit seinem Tod mehr Wiederholungen erlebt als die Simpsons.
So geht das eben in der Welt des Showbusiness. Amy Winehouse, Tina Turner, David Bowie – sie alle haben es "erlebt". Kaum war Whitney Houston nicht mehr unter uns, liefen ihre größten Hits plötzlich überall, begleitet von exklusiven Dokumentationen und dramatischen Erinnerungen an ihre besten Bühnenauftritte.
Und Hollywood? Hollywood schnappte sich die Biografien und verfilmte sie, wie auch heute noch das traurige Leben von Amy Winehouse. Das Ergebnis? Ein Flop, übrigens. Hollywood ist eine kommerzielle Maschine, in der man ständig präsent sein muss, sonst ist man schneller weg vom Fenster, als man sich versieht. Doch Hollywood ist nicht allein, wenn es darum geht, das Rampenlicht zu suchen.
Noch während die Leiche ihres Mannes in der Leichenhalle lag, hielt Julia Nawalnaja eine Oscar-würdige Rede auf der NATO-Sicherheitskonferenz in München. Die Medien begannen bereits zu spekulieren, wer Nawalnys Tod wohl zuerst verfilmen würde, und bei der 96. Oscar-Verleihung wurde der verstorbene Kreml-Kritiker Alexei Nawalny in einem "In Memorium"-Gedenkvideo geehrt.
Ja, sie hatte definitiv noch Tränen in den Augen – und sie waren echt. Doch sie wusste genau, dass alle Kameras auf sie gerichtet waren und sie dieses Mitgefühl für sich nutzen konnte.
Hand aufs Herz: Ihr Auftritt sorgte für Empörung, insbesondere bei Wladimir Selenskij, der plötzlich bei der Sicherheitskonferenz in München, wo er die Hauptattraktion sein sollte, im Schatten stand und Nawalny ohnehin nie mochte – vor allem, weil dieser ganz ehrlich gesagt hatte, dass die Krim zu Russland gehöre.
Na, wer ist da noch überrascht? Das Rampenlicht ist eben ein heiß umkämpfter Platz, und jeder nutzt die Gelegenheit, um seine Bekanntheit zu steigern, egal wie pietätlos es wirken mag. Klar, Nawalnaja kann ihre Trauer öffentlich zur Schau stellen, aber sie weiß auch, dass Tränen vor laufenden Kameras die beste Gratis-Werbung sind, die man bekommen kann.
Ruhm kommt und geht, und manchmal verschwindet er schneller: Joe Biden vergaß gleich mal ihren Namen und nannte sie "Jolanda":
"Mir wurde klar, dass Jolanda den Kampf fortsetzen wird, den er begonnen hat. Wir bleiben dran!"
Nawalnaja gilt laut westlichen Medien als eine der führenden Dissidentenstimmen Russlands. Das behaupten jedenfalls einige.
Vielleicht liegt das daran, dass jetzt viele Kollegen von Nawalny versuchen, seinen Platz einzunehmen. Jeder von ihnen will der neue Nawalny sein, wie die Britin Maria Pewtschich, die mit ihrem bösen Hexenblick in die Kamera starrt.
Da wird also um die Knochen getanzt, und das Erbe wird jedes Mal gleich nach der Beerdigung verteilt. Aber was ist eigentlich das Erbe Nawalnys? In Russland hatte er kaum Unterstützung, und auch unter Ukrainern war er nicht beliebt. Dafür genoss er in den ausländischen Medien, besonders in den deutschen Mainstream-Medien, durchaus Zuspruch.
Deshalb geht Jolanda, Entschuldigung, Julia Nawalnaja nun auf Abschiedstour durch Schweizer Provinzen wie St. Gallen und wird auch in Berlin am 5. Juni auftreten. Die "nicht ganz so lustige Witwe" wird dort persönlich erscheinen, um sich feiern zu lassen.
Wir wissen nicht genau, wie viel Gage Nawalnaja für ihre Auftritte erhält, aber wir können sicher sein, dass es genug ist, um ein paar schöne Wochenendausflüge zu finanzieren. Wenn man bedenkt, dass Barack Obama für eine Rede 400.000 Dollar bekommt, kann man nur hoffen, dass Nawalnaja genug abbekommt, um auch den Rest ihres Lebens angenehm zu verbringen. Warum nicht, oder? Schließlich ist es immer gut, wenn man sich mit einem lachenden und einem weinenden Auge verabschieden kann.
Also, wenn ihr demnächst einen Nachruf lest oder eine Erinnerungssendung schaut, denkt daran: Das Geschäft mit dem Tod ist ein verdammt einträgliches Geschäft. Und wer weiß, vielleicht sehen wir Nawalnaja demnächst mit ihrer eigenen Netflix-Doku, die ihr erstaunliches Leben und ihre beeindruckende Karriere nachzeichnet. In der Welt der Unterhaltungsindustrie ist nichts unmöglich – solange das Geld stimmt.
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