Von Fjodor Lukjanow
In New York fand die High Level Week (Woche auf höchster Ebene) der UN statt – ein jährliches Treffen hochrangiger Vertreter der Mitgliedsstaaten, die vor der Generalversammlung sprechen. Es ist eine Zeit unterschiedlich langer Reden und intensiver Kontakte zwischen Ministern oder sogar Staatsoberhäuptern, je nach Status der Delegationsleiter. Je angespannter die internationale Lage ist, desto wertvoller sind die Chancen, die sich aus diesen Kontakten und Gesprächen ergeben.
Ein Thema, das große Beachtung gefunden hat, ist die Reform des UN-Sicherheitsrates. Es ist nicht das erste Mal, dass über dieses Thema gesprochen wurde, aber die aktuelle Wiederbelebung des Interesses an diesem Thema ist verständlich. Unter den Bedingungen der Konfrontation ist die Arbeit des Gremiums des Sicherheitsrates äußerst kompliziert – die sich gegenüberstehenden Seiten unter den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates blockieren sich gegenseitig.
Dies verärgert in der Folge die anderen Mitgliedsstaaten der UN, die in diesem Gremium keinen Sonderstatus haben, da nur den "Großen Fünf" (USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich) bei der Gründung des Sicherheitsrates ein Vetorecht eingeräumt wurde. Diese Veto-Staaten fokussieren sich zunehmend darauf, wie sie im Vergleich zueinander abschneiden, während die Probleme der übrigen Welt kaum mehr eine Rolle spielen.
Die Beschlüsse der Generalversammlung sind nicht bindend, sondern sie geben lediglich das Spektrum der internationalen Meinungen wieder. Doch auch in der Generalversammlung weiten sich die Konflikte aus. Beispielsweise haben westliche Länder, angeführt von den Vereinigten Staaten, erhebliche Möglichkeiten, auf Entwicklungsländer Einfluss zu nehmen und gar Druck auszuüben. Letztlich gibt es aber mehr Handlungsspielraum, das heißt, der Spielraum für die demokratische Willensäußerung ist etwas größer geworden.
Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedern der UN sind zahllos, doch immer mehr Staaten eint eine bestimmte Position: Die Ablehnung einer auf dem Gleichgewicht der Kräfte beruhenden Regelung aus der Mitte des letzten Jahrhunderts, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg entstand. Dem lässt sich schwer widersprechen. Die Größe der Vereinten Nationen selbst hat sich fast vervierfacht und die Vielfalt der Staaten hat beträchtlich zugenommen. Daher kam schon bald nach dem Ende des Kalten Krieges die Forderung auf, die Gestaltung dieser Institution an die neuen Realitäten anzupassen.
Allerdings stößt die praktische Umsetzung dieses Wunsches auf eine Reihe von Problemen. Erstens ist eine Reform des Sicherheitsrates nur im Konsens der fünf ständigen Mitglieder möglich. Es ist unmöglich, einen von ihnen zu umgehen. Denn sie sind erstens nicht bereit, ihre Privilegien zu teilen, und zweitens haben sie unterschiedliche Vorstellungen über die Art der Transformation des höchsten politischen Gremiums der Vereinten Nationen.
Kommt hinzu, dass es, selbst wenn man sich einen prinzipiellen Kompromiss zwischen den fünf Hauptmitgliedern vorstellen kann, eine endlose Debatte über die Parameter der Erweiterung geben wird: Wer genau ist es wert, in die Reihen der "Großen" aufgenommen zu werden und weshalb? Geografische Lage, Bevölkerung, wirtschaftliche Größe, militärische Stärke – was sollten die Hauptkriterien sein? Und welche konkreten Länder sollten ihre Regionen und Gemeinschaften repräsentieren – Afrika, Asien, Lateinamerika, die arabische Welt? Eine Einigung in all diesen Fragen ist selbst in Friedenszeiten kaum vorstellbar, geschweige denn derzeit, im gegenwärtigen aufgeladenen geopolitischen Umfeld.
Alles in allem erscheint eine Reform des UN-Sicherheitsrates unwahrscheinlich. Das heißt aber nicht, dass die Debatte zu diesem Thema nicht energischer werden wird. Aufstrebende Einflusszentren von Indien bis zur Türkei, von Saudi-Arabien bis Indonesien, von Argentinien bis Nigeria, drängen zunehmend auf die Beantwortung der Frage nach der Gleichberechtigung. Die Worte des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdoğan "Die Welt ist größer als fünf" entspricht erwartungsgemäß den Wünschen der Mehrheit in der Generalversammlung.
Um die Sympathien dieser Mehrheit – im Westen als Globaler Süden bezeichnet – herrscht mittlerweile ein harter Wettbewerb. In diesem Kontext sind hochrangige Forderungen nach einer Erweiterung des Sicherheitsrates zu betrachten. Dieser Wettbewerb hat US-Präsident Joe Biden zu einem solchen Appell inspiriert – indem er vorschlug, das seit Langem zur Debatte stehende Quartett Indien, Brasilien, Deutschland und Japan als ständige Mitglieder aufzunehmen. Es macht keinen Sinn, ernsthaft über die Umsetzung einer solchen Idee nachzudenken. Weil es nur Schlagworte sind und die Idee nicht dazu gedacht ist, umgesetzt zu werden.
Trotzdem bleibt das Thema nicht unwichtig. In einer Situation, in der das gesamte internationale System ins Wanken geraten ist, ist eine rein defensive Haltung, um den Status quo um jeden Preis zu verteidigen, wenig vielversprechend. Es wird höchstwahrscheinlich dazu führen, dass sich die Situation schlagartig ändert oder das System sogar als Ganzes zusammenbricht.
Russland hat sich nie gegen eine Reform des Sicherheitsrates ausgesprochen und noch bis vor Kurzem blieben seine Vorschläge dazu eher hypothetisch. Jetzt aber nehmen sie konkretere Formen an: Etwa die Bemerkung, dass westliche Länder im Sicherheitsrat bereits überrepräsentiert seien, sodass eine Erweiterung die proportionale Vertretung aus diesem Teil der globalen Gemeinschaft nicht erhöhen dürfe. Gleichzeitig hat Russland die Befürchtung geäußert, dass die Erweiterung und noch mehr die Gewährung von Vetorechten für neue Mitglieder zu einer Abwertung des Sicherheitsrates als solchen führen könnte.
Das würde es wahrscheinlich. Aber um es noch einmal zu sagen: Es wird ohnehin nicht möglich sein, den Wert des Sicherheitsrates, so wie er über Jahrzehnte hinweg wahrgenommen wurde, zu bewahren. Die UN und ihre Strukturen sind – wie jede Institution – an ihre Zeit gebunden. Der Exklusivstatus ist natürlich ein angenehmes Phänomen. Aber dieser Status ist durch Umstände bedingt, die sich ändern. Abgesehen von der Prestigefrage ist Russland an einer deutlichen Erweiterung des Sicherheitsrates interessiert, sofern sie auf dem Prinzip der fairen Verhältnismäßigkeit basiert – sodass die ganze Welt und alle Gemeinschaften im Sicherheitsrat vertreten sind.
Wie die Ereignisse der letzten anderthalb Jahre gezeigt haben, ist der Großteil der Welt – mit Ausnahme eines bestimmten Teils, der bei Weitem in der Minderheit ist – Russland gegenüber nicht feindlich gesinnt, sondern eher neutral und auf seine eigenen Interessen konzentriert. Dennoch erschwert der Unmut der mit den USA verbündeten Staaten die diplomatische Arbeit. Aber das ist immer noch besser als ein Stillstand.
Aus dem Englischen.
Fjodor Lukjanow ist Chefredakteur von Russia in Global Affairs, Vorsitzender des Präsidiums des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik und Forschungsdirektor des Valdai International Discussion Club.
Mehr zum Thema - Weizenpreise fallen: Russische Rekordernte verdrängt ukrainische Lieferungen