Vor genau 80 Jahren, am 18. Januar 1943, traf das Bataillon von Hauptmann Sobakin südlich des Ladogasees in der Nähe des Arbeiterlagers Nr. 5 auf das vorrückende Bataillon von Hauptmann Demidow von der gegenüberliegenden Seite. Es war das erste Zusammentreffen der Kräfte der Leningrader und der Wolchow-Front während der Offensivoperation Iskra (Funke), die darauf abzielte, die Blockade von Leningrad zu durchbrechen.
Die Blockade von Leningrad, die am 8. September 1941 begann, dauerte fast 900 Tage. Die einzige Straße, die sogenannte Straße des Lebens, über die Lebensmittel in die Stadt geliefert wurden, wurde über das Eis des Ladogasees gebaut. Nach dem Durchbruch der Blockade am 18. Januar 1943 mussten die Einwohner Leningrads noch ein ganzes Jahr lang bis zur vollständigen Befreiung der Stadt am 27. Januar 1944 warten.
In den Jahren der Blockade starben nach unterschiedlichen Angaben zwischen 400.000 und 1,5 Millionen Menschen. Russische Historiker einigten sich auf 1,09 Millionen Tote. Bei den Nürnberger Prozessen war die Rede von 632.000 Toten. Nur 3 Prozent von ihnen wurden durch Bombenangriffe und Artilleriebeschuss getötet, der Rest verhungerte.
Im Unterschied zum Befreiungstag am 27. Januar, der in der Regel mit Paraden gefeiert wird, ist der 18. Januar in Sankt Petersburg eher ein Tag des stillen Gedenkens. Als gebürtiger Leningrader nahm der russische Präsident Wladimir Putin am Vormittag an einer Reihe von Gedenkveranstaltungen teil. Er legte rote Rosen am Denkmal "Grenzstein", dem Ort der besonders schweren Kämpfe an der sogenannten Newski-Platsdarm südöstlich der Stadt, nieder.
Für ihn ist dies auch eine persönliche Geschichte. Sein Vater kämpfte hier während des Großen Vaterländischen Krieges und wurde schwer verwundet. Der Präsident nahm auch an der Gedenkzeremonie auf dem Piskarjowskoje-Friedhof teil und legte Blumen am Grab seines Bruders Wiktor nieder, der als kleiner Junge während der Blockade ums Leben kam. Außerdem wurde in seinem Namen ein Kranz am Fuße des Denkmals "Mutter Heimat" niedergelegt. Der Präsident legte eine Schweigeminute zum Gedenken an die Kriegstoten von Leningrad ein.
Anschließend besuchte er das Museum zur Verteidigung und Belagerung von Leningrad und traf sich dort mit den Kriegsveteranen und den Überlebenden der Blockade, den sogenannten "Blockandniki". Während der Besprechung erinnerte Putin daran, dass nicht nur Hitler-Deutsche die Stadt belagerten, sondern auch andere Europäer:
"Vertreter vieler europäischer Länder haben an der Blockade von Leningrad teilgenommen und Verbrechen begangen. Wir haben vorher nie darüber gesprochen, aus einer gewissen Toleranz heraus und um die Beziehungen nicht zu verderben, um den Hintergrund unserer Beziehungen zu vielen Ländern nicht zu ruinieren."
Die genauere Zusammensetzung dieser Truppen teilte der Staatsanwalt von Sankt Petersburg Wiktor Melnyk im Oktober während der Gerichtsverhandlungen zur Anerkennung der Leningrader Blockade als Völkermord am Sowjetvolk mit. "Neben den deutschen Besatzungstruppen beteiligten sich auch bewaffnete Einheiten aus Belgien, Finnland, Italien, den Niederlanden, Norwegen und Spanien sowie einzelne Freiwillige aus Österreich, Lettland, Polen, Frankreich und Tschechien an der Blockade Leningrads", sagte er.
Beim Gespräch im Museum erklärte Putin, warum das Bewahren des historischen Gedächtnisses wichtig für die heutige politische Gegenwart sei:
"Das historische Gedächtnis muss bewahrt werden. Damit sich Tragödien wie die, die unser Volk im Großen Vaterländischen Krieg erlitten hat, nie wiederholen. Damit wir, und das ist praktisch sinnvoll, rechtzeitig auf die Bedrohungen reagieren können, denen unser Land ausgesetzt ist."
Zuvor sagte Putin, dass Russland aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt habe. Die russische Verteidigungstrategie lasse nicht mehr zu, dass die Kämpfe auf eigenem Territorium stattfinden.
Das Auswärtige Amt nannte in seiner offiziellen Erklärung den Durchbruch der Blockade Leningrads einen "wichtigen Meilenstein in Richtung auf die endgültige Befreiung der Stadt". Im Wortlaut hieß es:
"Die Blockade war eines der schrecklichsten Verbrechen Nazi-Deutschlands im Zweiten Weltkrieg. Mehr als eine Millionen Menschen starben durch die Belagerung – viele durch Hunger. Als brutaler Akt gegen eine ganze Stadt und ihre Bevölkerung ging sie in die Geschichte ein.
Deutschland setzt sich dafür ein, dass die Erinnerung an dieses Verbrechen weiterhin aufrecht erhalten wird. Deutschland bekennt sich ausdrücklich zu seiner historischen Verantwortung für die in Leningrad durch die deutsche Wehrmacht begangenen Verbrechen. Deswegen unterstützt die Bundesregierung als Geste der Versöhnung Projekte für die noch lebenden Opfer der Blockade. Insbesondere wird ein Krankenhaus für Kriegsveteranen und Blockadeopfer gefördert. Diese Förderung wird aktuell fortgesetzt."
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