Am Montag gab ein Moskauer Bezirksgericht einem Antrag der Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor statt, der Zeitung Nowaja Gaseta die Lizenz zu entziehen. Die Behörde begründete dies damit, dass das Blatt es versäumt habe, nach einem Eigentümerwechsel im Jahr 2006 entsprechende Unterlagen einzureichen. Vertreter der Zeitung erklärten vor Gericht, dass der Wechsel kein Entstehen eines neuen Medienunternehmens bedeutete. Außerdem sei die Verpflichtung für Medienunternehmen, den Behörden eine Kopie ihrer Satzung vorzulegen, erst im Jahr 2018 in die Gesetzgebung aufgenommen worden.
Die Nowaja Gaseta befand sich ursprünglich vollständig im Besitz der Redaktion, verkaufte aber im Jahr 2006 einen Anteil von 49 Prozent an den ehemaligen sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow und den damaligen Juristen Alexander Lebedew, der als Miteigentümer der bekannten britischen Zeitungen Evening Standard und The Independent bekannt ist. Die beiden verpflichteten sich, ihr persönliches Vermögen in den Betrieb der Zeitung zu investieren.
Nowaja Gaseta wurde im Jahr 1993 gegründet und ist vor allem für ihre Recherchen bekannt. Mehrere Journalisten, die für die Zeitung tätig waren, wurden wiederholt angegriffen oder bedroht. Die wohl bekanntesten Mitarbeiterinnen, die im Zusammenhang mit ihren Berichten mit dem Leben bezahlen mussten, waren Anna Politkowskaja und Natalja Estemirowa.
Die Redaktion bezeichnete die Behauptungen Roskomnadsors als Druck auf die Medienfreiheit. In einer Stellungnahme vom Montag hieß es:
"Die Zeitung wurde heute getötet. Ihren Mitarbeitern wurden 30 Jahre ihres Lebens geraubt. Den Lesern wurde das Recht auf Information genommen."
Die Zeitung werde aber weiterhin existieren. "Der freie Geist weht, wo er will und wie er will", hieß es ferner.
Chefredakteur Dmitri Muratow, der im vergangenen Jahr den Friedensnobelpreis erhalten hatte, bezeichnete die Entscheidung als politisch motiviert. Sie habe "nicht die geringste Rechtsgrundlage". Er kündigte an, gegen den Entzug der Lizenz in Berufung zu gehen.
Im März hatte die Zeitung ihr Erscheinen einstellen müssen. Muratow begründete das damals mit der Sorge um das Wohl der Korrespondenten, nachdem in Russland ein "Fake-News-Gesetz" in Kraft getreten war. Es sieht Haftstrafen für Journalisten vor, deren Veröffentlichungen offiziellen Meldungen widersprechen. Ein Teil der Redaktion hat inzwischen ein neues, in Europa ansässiges Projekt gegründet, das den Namen der Zeitung trägt, aber formal nicht mit ihr verbunden ist.
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