Mehrere russische Politiker und Oligarchen sprechen sich gegen den Krieg aus

Nicht nur zahlreiche Künstler, Sportler und Wissenschaftler sprechen sich derzeit gegen Russlands Vorgehen in der Ukraine aus. Auch einige russische Politiker und Milliardäre verurteilen die Vorgänge im Nachbarland.

Wjateschlaw Marchajew, ein Staatsduma-Abgeordneter der Kommunistischen Partei für die Region Burjatien, hat in den sozialen Netzwerken den Militäreinsatz in der Ukraine kritisiert. Er bedauere, dass die Führung in beiden Ländern "weder den Verstand noch den Willen hatte", um eine Konfrontation zu vermeiden. Gleichzeitig schrieb der Politiker, dass die ukrainische Führung jahrelang den "Völkermord" in den Volksrepubliken Donezk und Lugansk ignoriert habe.  

Marchajew hatte zuvor für die Anerkennung der beiden Volksrepubliken und für die Ratifizierung der Freundschaftsverträge Russlands mit der LVR und der DVR gestimmt. Auch zwei weitere Kommunisten, Oleg Smolin und Michail Matwejew, hatten ein Ende der Kriegshandlungen gefordert. Matwejew erklärte, dass er, indem er für die Anerkennung der Volksrepubliken gestimmt habe, für den Frieden gestimmt habe, und nicht für den Krieg. Smolin sagte, er sei schockiert gewesen, als er von den Ereignissen in der Ukraine gehört habe.

Auch der russische Professor Oleg Anissimow entschuldigte sich bei einer Online-Konferenz des Weltklimarats für die Kriegshandlungen in der Ukraine. Nach Angaben von Teilnehmern hat der Wissenschaftler am Sonntag gesagt: "Lassen sie mich im Namen aller Russen, die diesen Konflikt nicht verhindern konnten, eine Entschuldigung aussprechen." Der Klimaforscher fügte hinzu, dass alle Russen, die wissen, was passiere, keine Rechtfertigung für diesen Angriff finden. Gleichzeitig stellte er fest, dass dies seine persönliche Meinung sei, die nicht als offizielle Position aller seiner Kollegen angesehen werden könne. Im Gespräch mit dem Nachrichtenportal Meduza erklärte Anissimow, dass er sich bei einer geschlossenen Sitzung entschuldigt habe, die Rede hätte nicht durchsickern sollen. "Ich wurde zu einer Art Medienfigur, doch ich bin nur ein Wissenschaftler, der seinen Standpunkt als Bürger Russlands zum Ausdruck gebracht hat", erklärte er.

Dumasprecher Wjatscheslaw Wolodin zeigte kein Verständnis für solche Meinungen. Am Wochenende wandte er sich an alle Kritiker des Vorgehens der russischen Führung. Auf Telegram schrieb er, dass solche Leute ihm zufolge in der Minderheit seien. Wolodin  kritisierte einerseits die Kinder wohlhabender Russen, von denen viele im Ausland leben, und sich dabei von Wladimir Putins Entscheidungen distanzieren. Zweitens appellierte er an Künstler, unter denen es auch viele Andersdenkende gibt. Wolodin schrieb, dass sie in ihren Einschätzungen nicht objektiv seien und jahrelang die miserable Lage in den selbsternannten Volksrepubliken nicht bemerkt hätten.

Zuvor hatten sich zwei russische Milliardäre, Michail Fridman und Oleg Deripaska, gegen die Kriegshandlungen ausgesprochen und zum Frieden aufgerufen. Fridman, ein gebürtiger Ukrainer, schrieb an die Mitarbeiter seines Unternehmens LetterOne: "Ich bin überzeugt, dass Krieg niemals eine Lösung sein kann", zitiert ihn die Zeitung Financial Times. Nachdem dies bekannt wurde, sagte Fridman: "Dies war mein privater Brief an die Mitarbeiter von LetterOne. Leider wurde er öffentlich, womit ich nicht gerechnet habe." Am Sonntag schrieb auch Oleg Deripaska auf Telegram: "Frieden ist sehr wichtig! Die Verhandlungen müssen so schnell wie möglich beginnen!" 

Roman Abramowitsch, ein weiterer russischer Oligarch, hatte vor kurzem die Verwaltung des englischen Champions-League-Siegers FC Chelsea an die Treuhänder der wohltätigen Stiftung des Fußball-Clubs abgegeben.

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