Russland: Abgeordnete erwägen Verschärfung der Gesetzeslage nach Folterskandal in Gefängnissen

Russische Abgeordnete schlagen vor, die Strafgesetze des Landes angesichts der Enthüllungen über Misshandlungen von Häftlingen zu ergänzen. Ein entsprechender Gesetzentwurf sieht Gefängnisstrafen für Strafvollzugsbeamte vor, die der Folter überführt wurden.

Nach den Enthüllungen über schreckliche Misshandlungen von Häftlingen in Gefängnissen in der Region Saratow haben Politiker dem russischen Parlament einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der Gefängnisstrafen für Strafvollzugsbeamte vorsieht, die der Folter überführt wurden. Andrei Klischas und Pawel Krascheninnikow, Mitglieder der Regierungspartei Einiges Russland, legten der Duma, dem Unterhaus des Parlaments, am Montag den entsprechenden Entwurf vor. Krascheninnikow erklärte:

"Die Tatsachen, die über die grausame Folterung von Häftlingen in der Föderalen Strafvollzugsbehörde ans Licht gekommen sind, haben in der Öffentlichkeit große Besorgnis ausgelöst und dürfen von den Gesetzgebern nicht unbeachtet bleiben."

Der Entwurf enthält eine ausführliche Definition von Folter in Übereinstimmung mit dem UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen. Diese Definition schließt Misshandlungen ein, die mit dem erklärten Ziel begangen werden, die Betroffenen einzuschüchtern, um sie leichter kontrollieren zu können.

In dem Gesetzentwurf heißt es, dass verbale Misshandlungen, Demütigungen und die Verletzung grundlegender Menschenrechte nicht mit einem zielführenden Strafvollzug gerechtfertigt werden können. Krascheninnikow fügte hinzu:

"Eine detailliertere Definition des Begriffs Folter führt zu einer Präzisierung der Qualifikation einer Handlung und ermöglicht eine angemessene Bestrafung derjenigen, die ihrer für schuldig befunden werden."

Die vorgeschlagene Änderung würde zudem bedeuten, dass Mitarbeiter des Föderalen Strafvollzugsdienstes wegen Folter angeklagt werden können. Bisher waren nur Vernehmungsbeamte oder Ermittler haftbar. Der Gesetzentwurf sieht nicht nur eine Ausweitung auf weitere Staatsbedienstete vor, die für Folter verantwortlich gemacht werden können, sondern auch eine Erhöhung des Strafmaßes auf bis zu zwölf Jahren Gefängnis.

Der Schritt erfolgte, nachdem im Oktober Filmmaterial geleakt worden war, das zeigt, wie Beamte in mehreren Justizvollzugsanstalten in Saratow im Südwesten Russlands Gefangene foltern und vergewaltigen. Wladimir Osetschkin, der Leiter von Gulagu.net, einer Aktivistengruppe, die die Clips veröffentlicht hatte, betonte, dass dies nur ein Beispiel für weitverbreitete Misshandlungen im ganzen Land sei und dass weitere Beispiele veröffentlicht würden.

Nach dem Skandal entließ Alexander Kalaschnikow, der Leiter des Föderalen Strafvollzugsdienstes, vier Beamte, darunter den Leiter des Gefängniskrankenhauses in Saratow, wo einige der schlimmsten Misshandlungen dokumentiert wurden. Kalaschnikow selbst wurde später von Präsident Wladimir Putin seines Amtes enthoben.

Vergangene Woche wies das russische Verfassungsgericht eine Klage von Bürgerrechtlern ab, die Beamten in Haftanstalten vorwerfen, alle Versuche, mit Häftlingen über erlittene Misshandlungen zu sprechen, zu behindern. Das Gericht entschied, dass die Wärter das Recht haben, Gespräche zu verbieten, da das geltende Recht Gespräche "ohne Bezug zu den Haftbedingungen" in den Einrichtungen verbietet und damit die Untersuchung von Misshandlungen in anderen Bereichen des Systems einschränkt.

Der Anwalt und Menschenrechtsaktivist Grigori Waipan sagte der Zeitung Kommersant, er sei über das Urteil fassungslos und plane, bei anderen Behörden Berufung einzulegen, um eine Änderung der Entscheidung zu erreichen.

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