Generalleutnant Alexander Kalaschnikow ist laut einem Erlass von Präsident Wladimir Putin von seinem Posten als Leiter der russischen Strafverfolgungsbehörde (FSIN) enthoben worden. Der stellvertretende Innenminister Arkadi Gostew wurde zum neuen Leiter der Behörde ernannt.
Experten berichteten, dass die Ernennung Gostews zum Leiter der Strafverfolgungsbehörde bedeuten könnte, dass die faktische Kontrolle über den Strafvollzug in Russland vom FSB auf das Innenministerium übergeht. Kalaschnikow war seit Oktober 2019 Leiter der FSIN. Zuvor war er beim sowjetischen und später russischen Staatssicherheitsdienst tätig, unter anderem als Leiter der FSB-Direktionen für die Gebiete Komi und Krasnojarsk.
Im Jahr 2018 hatte die Staats- und Rechtsabteilung der Präsidialverwaltung einen Entwurf für eine Reform der Strafverfolgungsbehörde erörtert, der eine Aufteilung in zwei Behörden – zivile und Sicherheitsdienste – vorsah. Es war demnach geplant, die Umerziehung, Resozialisierung und Wirtschaft der Gefangenen einer dem Justizministerium unterstellten föderalen Agentur zu überlassen, während die Gefängniswärter zusammen mit den Spezialeinheiten der Strafverfolgungsbehörde der Nationalgarde zugewiesen werden sollten. Die FSIN als Behörde für operative und investigative Aktivitäten, mitsamt den Abteilungen, die mit der Rekrutierung von Agenten, Abhörmaßnahmen und der Suche nach entflohenen Häftlingen befasst sind, sollte wiederum dem Innenministerium übertragen werden.
Im Oktober 2021 hatten die Menschenrechtsaktivisten von Gulagu.net berichtet, dass sie ein Archiv von 40 Gigabyte an Foltervideos erhalten hätten. Die ersten Videos wurden Anfang Oktober veröffentlicht. Das Archiv war von dem ehemaligen Häftling Sergei Saweljew zusammengetrage worden, der eine Haftstrafe wegen Drogenhandels verbüßte. Er sagte, dass er während seiner Haftzeit auf Foltervideos gestoßen sei, die er archiviert und versteckt habe. Nach seiner Freilassung übergab Saweljew die Videos an Gulagu.net.
Ende Oktober berichtete die Anwältin Sneschana Muntjan, dass sich mehr als 400 Insassen der Kolonie Nr. 13 in Saratow über Gewalt, Missbrauch und Folter beschwert hätten.
Am 10. November kündigte die russische Strafverfolgungsbehörde dann die Entlassung von 18 Beamten aus dem Büro in Saratow an. Auslöser für die Entscheidung waren die von Gulagu.net veröffentlichten Videos. Die Aufnahmen zeigen Folter und Misshandlung von Häftlingen im Tuberkulosekrankenhaus des Gefängnisses in Saratow.
Die Menschenrechtsaktivisten schrieben, dass die Folterung von Gefangenen durch andere Häftlinge auf Geheiß der FSIN und der Sicherheitsdienste durchgeführt worden seien, wobei die Opfer dieser Folter diejenigen waren, die nicht mit der Verwaltung zusammenarbeiten wollten.
Das Ermittlungskomitee, die Generalstaatsanwaltschaft und die FSIN begannen schließlich, die Foltervorwürfe zu untersuchen. Kalaschnikow entließ später Pawel Gazenko von seinem Posten als Leiter des Tuberkulosekrankenhauses des Gefängnisses in Saratow, ebenso wie mehrere weitere Mitarbeiter der medizinischen Einrichtung.
Der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, erklärte daraufhin, dass die Strafverfolgungsbehörden das Videomaterial untersuchen würden.
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