Nach seiner Landung auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo ist der Politblogger Alexei Nawalny am Sonntagabend nach der Passkontrolle festgenommen worden. Der 44-Jährige war nach einem fast fünfmonatigen Deutschland-Aufenthalt nach Russland zurückgekehrt.
Nach Angaben des Föderalen Strafvollzugsdienstes Russlands erfolgte die Festnahme auf Grundlage eines Erlasses vom 29. Dezember 2020, "wonach der Verurteilte wegen systematischer Verstöße gegen die Bewährungsauflagen auf die Fahndungsliste gesetzt wurde, mit der Anweisung, Maßnahmen zu seiner Festnahme zu ergreifen, sobald sein Aufenthaltsort ausfindig gemacht wurde". Weiter heißt es in einer Mitteilung der Behörde:
"Das weitere Strafmaß für Alexei Anatoljewitsch Nawalny wird durch das Gericht bestimmt werden. Bis zur Entscheidung des Gerichts wird er in Haft bleiben."
Aus Deutschland kamen inzwischen zahlreiche Reaktionen auf die Festnahme. Vizekanzler Olaf Scholz bezeichnete sie als "rechtswidrig". So sagte der SPD-Politiker am Sonntagabend in der Sendung Bild-Talk "Die richtigen Fragen":
"Diesem Mann ist Unrecht geschehen. Es ist ein Mordanschlag auf ihn verübt worden, und er müsste vom Staat beschützt und nicht verhaftet werden."
Es stehe ihm zu, "sich als freier Mann in Russland zu bewegen und sich um politische Mandate zu bewerben", so der Finanzminister weiter. Das dürfe nicht dazu führen, "dass die Staatsgewalt alles gegen ihn unternimmt". Herr Nawalny sei "wirklich ein mutiger Mann", so Scholz weiter. Er habe sich "in den Machtbereich des russischen Staates begeben, sein Risiko kennend".
"Wir haben ihm Schutz in Deutschland geboten. Das war unsere Möglichkeit. Und wir haben dafür gesorgt, dass er gesundet von diesem schrecklichen und lebensbedrohlichen Anschlag. Und jetzt wird es darauf ankommen, dass wir unsere Haltung weiter beharrlich vertreten und klarmachen, dass wir das so sehen."
Bundesaußenminister Heiko Maas forderte die sofortige Freilassung des 44-jährigen Oppositionellen. So sagte Maas am Montagmorgen:
"Alexei Nawalny ist nach seiner Genesung aus eigenen Stücken und bewusst zurückgekehrt nach Russland, weil er dort seine persönliche und politische Heimat sieht. Dass er von den russischen Behörden sofort nach Ankunft verhaftet wurde, ist völlig unverständlich.
Russland ist durch seine eigene Verfassung und durch internationale Verpflichtungen an das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und an den Schutz der Bürgerrechte gebunden. Diese Prinzipien müssen selbstverständlich auch gegenüber Alexei Nawalny zur Anwendung kommen. Er sollte unverzüglich freigelassen werden."
Nawalny sei Opfer eines schweren Giftanschlags auf russischem Boden geworden, sagte Maas weiter. "Wir erwarten weiterhin, dass Russland alles tut, um diesen Anschlag vollumfänglich aufzuklären und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen."
Der Politblogger war am 20. August auf einem Inlandflug in Russland zusammengebrochen und ins Koma gefallen. Zunächst wurde er in einem Krankenhaus in Omsk behandelt. Die Ärzte stellten bei ihm eine Stoffwechselstörung fest und konnten keine Giftsubstanzen in seinem Körper nachweisen. Anschließend wurde Nawalny auf Drängen seiner Familie und Anhänger in die Berliner Universitätsklinik Charité verlegt.
Ein Speziallabor der Bundeswehr stellte anschließend bei einer toxikologischen Untersuchung von Nawalnys Proben einen Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe fest. Dieses Ergebnis wurde von zwei weiteren Speziallaboren in Frankreich und Schweden angeblich bestätigt. Allerdings liegen von allen drei Laboren keine veröffentlichten Ergebnisse vor, die es ermöglichen würden, die Befunde zu verifizieren.
Der 44-Jährige beschuldigt den russischen Präsidenten Wladimir Putin persönlich, seine Vergiftung angeordnet zu haben. Die russische Regierung weist die Vorwürfe zurück.
Kritik an der Festnahme von Nawalny kam auch von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Deren Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt schrieb auf Twitter:
"Der Kreml zeigt wieder eindeutig, wie er mit Oppositionellen umgeht und KritikerInnen mit allen Mitteln einschüchtern will."
Manuel Sarrazin, Sprecher für Osteuropapolitik, erklärte: "Der Kreml und Wladimir Putin wollen Alexei Nawalny in diesem Duma-Wahljahr um jeden Preis aus dem Verkehr ziehen."
In Russland wird das neue Parlament im September gewählt werden.
Auch Vertreter der EU äußerten sich inzwischen zur Festnahme. "Die russischen Behörden müssen Alexei Nawalnys Rechte akzeptieren und ihn umgehend freilassen", forderte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Als unrechtmäßig kritisierte EU-Ratschef Charles Michel die Inhaftierung des oppositionellen Bloggers. Auch die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen forderten die sofortige Freilassung Nawalnys. Die Festnahme sei "völlig inakzeptabel", hieß es in einer Erklärung der drei an Russland grenzenden EU- und NATO-Länder.
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