Die Ankündigung der Registrierung eines russischen Impfstoffs gegen die durch den SARS-Cov-2-Erreger ausgelöste Lungenkrankheit COVID-19 schlug im August hohe Wellen. Westliche Experten zweifelten die Wirkung und Sicherheit des als "Sputnik V" bekannten Präparats an, das durch zwei Injektionen verabreicht wird.
Am Freitag wurden nun die vorläufigen Ergebnisse im medizinischen Fachblatt The Lancet publiziert. Sie decken sich mit früheren Angaben russischer Wissenschaftler und Politiker. Demnach habe der Impfstoff bei allen 76 Probanden eine Immunantwort ausgelöst, so dass in der Testphase I/II Antikörper gegen das Virus nachgewiesen wurden. Zugleich habe es keine schwerwiegenden Nebenwirkungen gegeben, schrieben die russischen Forscher.
Bislang konnte der russische Wirkstoff unabhängig noch nicht bewertet werden, weil keine wissenschaftlichen Studien dazu publiziert wurden. Die Forscher schrieben in dem Fachblatt, dass nun umfangreiche Langzeitstudien und eine weitere Überwachung erforderlich seien, um "die langfristige Sicherheit und Wirksamkeit" festzustellen.
Die Tests in Phase III haben mittlerweile begonnen. Dem Institut zufolge sollen sie mindestens sechs Monate dauern. Die ersten Freiwilligen in der Hauptstadt Moskau sollen ab nächster Woche geimpft werden, wie Bürgermeister Sergei Sobjanin der Agentur Interfax zufolge sagte. Er selbst habe sich impfen lassen – "sonst wäre es schwer, für einen russischen Impfstoff zu werben", sagte er.
Auch eine Tochter von Präsident Wladimir Putin habe sich nach dessen Angaben bereits impfen lassen, wie nun auch Verteidigungsmister Sergei Schoigu. Sein Ministerium veröffentlichte dazu ein Video. Parallel zu den Tests sollen Ärzte und Lehrer auf freiwilliger Basis eine Impfung gegen das Coronavirus erhalten.
Die Veröffentlichung in The Lancet sorgt auch für eine gewisse Genugtuung bei den Verantwortlichen für die Entwicklung des Vakzine, nachdem sie zuvor stark kritisiert wurden. Kirill Dmitriew, Direktor des russischen Staatsfonds, der die Forschung finanziert hatte, sagte gegenüber Reuters:
Damit (mit der Publikation) beantworten wir alle Fragen des Westens, die in den vergangenen drei Wochen eifrig gestellt wurden und ehrlich gesagt mit der klaren Absicht die russische Vakzine zu trüben. (...) Jetzt werden wir anfangen, Fragen über einige der westlichen Vakzine zu stellen.
Laut Dmitriew haben sich bereits 3.000 Freiwillige gemeldet, die sich für die großangelegte Phase III zur Verfügung gestellt haben. Mit ersten Prüfungsergebnissen wird frühestens im Oktober/November gerechnet.
Nebst dem Entwickler des russische Impfstoffs Gamaleja-Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau führen auch andere Pharmaunternehmen wie Moderna, AstraZeneca oder Biontech im Rennen um ein Milliardengeschäft großangelegte Phase III-Studien durch.
Von der guten Stimmung in Moskau nach der Veröffentlichung im The Lancet wollte sich Dr. Naor Bar-Zeev vom International Vaccine Access Center der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health nicht anstecken lassen. Die Untersuchungen seien zwar "vielsprechend, aber klein", meinte er. Zwar hat er an der Untersuchung nicht teilgenommen, aber die "klinische Effizienz von irgendeiner COVID-19-Vakzine wurde bis jetzt noch nicht erbracht", so Bar-Zeev.
Doch davon ließ sich Denis Logunow, stellvertretender Untersuchungsleiter am Gamaleja-Institut, nicht entmutigen. Der Vektorimpfstoff, der als Grundlage von Sputnik V dient, sei "seit 1953 in mehr als 250 klinischen Versuchen weltweit durchgeführt" worden, und in "mehr als 75 internationalen Publikationen wurde die Sicherheit der Vakzine und Medikamente auf dieser Plattform basierend bestätigt", erklärte Logunow der russischen Nachrichtenagentur Sputnik.
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(rt/dpa/reuters)