Abstimmung über Verfassungsänderungen in Russland: Vorläufige Bilanz

Am 1. Juli fand in Russland die Abstimmung über eine Verfassungsreform statt. Die Wähler stimmten über ein Paket von Änderungen in mehreren Bereichen wie Russlands Souveränität, Staatssystem, Sozialschutz, Familienrecht, Umweltschutz, Bildung, Sprache und Kultur ab.

Rund 74 Prozent der wahlberechtigten Bürger Russlands stimmten nach Angaben der Zentralen Wahlkommission für das neue Grundgesetz. 26 Prozent lehnten demnach die Verfassung ab. Das war der Stand nach Auszählung von 30 Prozent der Stimmzettel am Mittwoch. Die Wahlbeteiligung wurde mit 64,99 Prozent angegeben. Die letzten Wahllokale schlossen am Abend um 20.00 Uhr (MESZ) in der Ostseeexklave Kaliningrad.

Ursprünglich war die Abstimmung für den 22. April angesetzt gewesen. Sie wurde wegen der Pandemie verschoben. Ein besonderer Schwerpunkt dabei ist die Gesundheitsvorsorge der Bürger. Um dies zu gewährleisten, zog sich die Abstimmung über eine Woche hin. Es wurden zudem alternative Möglichkeiten für die Stimmabgabe angeboten, etwa die Distanzwahl oder eine elektronische Stimmabgabe. Alle Mitarbeiter der Wahllokale sowie alle Wahlteilnehmer wurden bei der Abstimmung mit Schutzmitteln versorgt.

Die vorgeschlagenen Änderungen lassen sich in mehrere Bereiche wie Russlands Souveränität, Staatssystem, Sozialschutz, Familienrecht, Medizin, Umweltschutz, Bildung, Sprache und Kultur gruppieren. Es gibt sowohl Befürworter als auch Gegner der Verfassungsreform. In einer Umfrage vor Wahllokalen in Moskau sagten einige Wähler, dass sie die Änderungen für aktuell und angemessen halten und dafür stimmen wollen. Andere meinten, dass Präsident Wladimir Putin dadurch mehr Befugnisse bekommt, weshalb sie dagegen stimmen.

Russische Bürger konnten auch im Ausland abstimmen. In 144 Ländern der Welt hatten rund 250 Wahllokale geöffnet. Am 1. Juli, dem letzten Tag der Abstimmung, bildete sich vor der Russischen Botschaft in Berlin sogar eine Menschenschlange. Zwei befragte Teilnehmer betonten, wie wichtig es sei, dass jeder seine Haltung zur Verfassungsreform äußern könne.

Die Gegner der Verfassungsreform gingen in mehreren Städten auf die Straße, um ihre Unzufriedenheit mit den Änderungen des Grundgesetzes zum Ausdruck zu bringen. So haben sich die Protestierenden zu nicht genehmigten Demos in Sankt Petersburg und in Moskau versammelt. Die Polizei der russischen Hauptstadt rief die Teilnehmer auf, die soziale Distanzierung zu halten, und verteilte Mundschutzmasken.

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