Eine Analyse von Susan Bonath
Erleichterungen für Großkonzerne mit CDU und CSU
Mehr Wettbewerb, mehr Konkurrenz, den "Markt entfesseln": Damit will die Unionsfraktion aus CDU und CSU die Wirtschaft auch nach Corona managen. Sie plant steuerliche und bürokratische Erleichterungen für Großkonzerne; dem Klimaschutz stehe das nicht im Wege. In ihrem 139-seitigen Wahlprogramm heißt es beispielsweise: "Wir wollen die Steuerlast für Gewinne, die im Unternehmen verbleiben, perspektivisch auf 25 Prozent deckeln." Dies schaffe "Investitions- und Innovationskraft für die anstehenden Herausforderungen" und sei das beste Mittel gegen Niedriglöhne.
Kurzum: Die Union will weiter machen wie bisher mit Mitteln, die in den vergangenen Jahren ihrer Regentschaft den Niedriglohnsektor nicht beseitigten, sondern vergrößerten. Ähnlich verhält es sich mit der steigenden Altersarmut dank sinkender Renten. Das Konzept der CDU und CSU geht zwar seit Jahrzehnten nicht auf, dennoch baut sie weiter auf ihr nicht bewährtes Konzept: Sie will die private Altersvorsorge staatlich fördern. Und sie erneuert ihr bisher recht leeres Versprechen: Bauprogramme gegen Wohnraummangel. Dazu gehört auch mehr Familienförderung für Eigenheime – ein klassisches Angebot an die Mittelschicht. Nur: Wer gehört eigentlich noch dazu?
Für Arbeitslose hat sie wenig übrig. CDU-Mann Friedrich Merz, Ex-BlackRock-Manager und Vizepräsident des CDU-Wirtschaftsrats, plädierte jüngst dafür, Betroffene für ihr mageres Hartz-IV-Budget in den Vollzeit-Arbeitsdienst zu schicken. Das ist nicht der erste Vorschlag aus den Reihen der Union in dieser Art, auch nicht von Friedrich Merz. Vor 13 Jahren verkündete der Mann, 132 Euro monatlich seien genug für Hartz-IV-Betroffene.
Das Sanktionsregime, mit dem Erwerbslose seit dem Jahr 2005 in den angeblich von der Union bekämpften Niedriglohnsektor genötigt werden, wollen CDU und CSU somit auch beibehalten. Ihr Programm für diese Zielgruppe erschöpft sich schließlich in einer angepeilten "Offensive in der beruflichen Aus- und Weiterbildung".
Umbenennen und Schönfärben mit der SPD
"Gute Arbeit und Gerechtigkeit" – mit diesen Schlagworten setzt die SPD programmatisch ihren sozialen Schwerpunkt. Den Mindestlohn will sie von 9,50 auf zwölf Euro pro Stunde anheben. Dies propagieren die Sozialdemokraten seit Langem.
Durchsetzen konnten sie es mit den Unionsparteien bisher ebenso wenig wie Verbesserungen für nicht kranken- und rentenversicherte Minijobber. Ihnen verspricht sie: "Unser Ziel ist es, alle Beschäftigungsverhältnisse in die soziale Sicherung einzubeziehen." Auch Altenpflegekräfte will sie künftig nach Tarif bezahlen. Corona habe "ein Schlaglicht darauf geworfen, wie groß bei manchen Berufsgruppen die Lücke zwischen Wert und Lohn ist", so die SPD.
Hartz IV, das im Jahr 2003 unter Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) beschlossen und 2005 eingeführt wurde, hängt der Partei noch immer wie ein Klotz am Bein. Zusammen mit den Unionsparteien wird sie es nicht los. Sie will es "vereinfachen", was bei ihr in der Vergangenheit stets nach hinten losging, und diesmal nun auch umbenennen in "Bürgergeld" – das klingt wohl angenehmer. Auf eine schöne Hülle setzte die Partei schon in den letzten Jahren. Ein Beispiel ist ihr "Starke-Familien-Gesetz", das Mitte 2019 in Kraft trat. Eine Studie darüber, ob damit versprochene Verbesserungen heute existieren, gibt es leider nicht.
Dann schmeichelt die SPD der Zielgruppe der aus dem Arbeitsmarkt Gefallenen, sofern sie sich gut fügt: Jobcenter sollen in den ersten zwei Jahren nach der Antragstellung die Kosten für die Wohnung und das Vermögen nicht mehr prüfen. Betroffene sollen ihre zu teure Bleibe also nicht gleich verlieren. Die Sanktionen gegen Ungehorsame will sie dennoch beibehalten. Außerdem spricht sich die SPD für mehr Kindergartenplätze und Ganztagsbetreuung in Schulen und Jugendeinrichtungen aus. Doch Theorie und Praxis sind bekanntlich nicht nur bei den Sozialdemokraten zweierlei.
Umweltfreundlicher Hightech-Kapitalismus mit den Grünen
Die Grünen wollen nach Jahren der Opposition nun endlich wieder mitregieren – ob mit Schwarz, Gelb oder Rot, ist einerlei. Dieses Bestreben stellte zum Beispiel die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock bei Wahlkampfauftritten mehrfach klar. Das Programm der Grünen gleicht ein wenig der Vision von einem klima- und umweltfreundlichen Hightech-Kapitalismus mit ein paar sozialen Ausgleichsvorschlägen. Beispielsweise sollen Geringverdiener mit einer reduzierten EEG-Umlage und einem "Energiegeld" entlastet werden, um den Kohleausstieg auf das Jahr 2030 vorziehen zu können.
Ein paar Ideen haben sich die Grünen offenbar von der SPD abgeschaut. Für jene, "die den Umbruch am stärksten spüren werden", will die Partei "Sicherheit schaffen im Übergang" in die neue Welt, die ihnen vorschwebt. "Dafür setzen wir auf die Garantiesicherung und gute Arbeit, zum Beispiel durch einen höheren Mindestlohn von zwölf Euro", schreiben sie in ihrem Programm. Wie die Linken planen sie, Hartz-IV-Sanktionen abzuschaffen und eine Kindergrundsicherung einzuführen – ein paar Meinungsverschiedenheiten gibt es im Detail.
Auf ihrem Programm stehen ferner "bezahlbarer Wohnraum", "Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern", bessere Bezahlung von Pflegekräften und "gute Bildung von Anfang an". Insbesondere kleine Bauern und Landwirte gelte es zu fördern, schreiben sie im klassisch grünen Stil. Investieren möchte man in "lebenswerte Dörfer und Städte" – klingt gut, könnte aber auch nur für COVID-19-Geimpfte gelten.
Kampf gegen Parallelgesellschaften der Reichen mit der Linkspartei
"Alle Erwerbstätigen sollen von ihrer Arbeit gut und sicher leben können", meint die Partei Die Linke in ihrem Wahlprogramm. Die Arbeitsbedingungen müssten sich an den Bedürfnissen der Familien orientieren, Profitinteressen seien hinten anzustellen. "Die Unternehmerverbände nutzen die gegenwärtige Krise, um Rechte von Beschäftigten einzuschränken, Löhne weiter zu drücken und Überstunden durchzusetzen", mahnt die Partei. Wie sie das im gegenwärtigen Spätkapitalismus, geprägt von einer autoritären Corona-Politik, umsetzen wollen, bleibt ihr Geheimnis.
Die Linke verspricht darüber hinaus, "Arbeitsplätze und Tarifverträge zu verteidigen" und will "die Tarifbindung ausbauen". Sie möchte auch "das Hartz-IV-System als Druckinstrument auf Löhne abschaffen, Entlassungen stoppen und die Arbeitswelt vom Kopf auf die Füße stellen", wozu sie etwa Mitbestimmungsrechte von Beschäftigten ausweiten und Leiharbeit abschaffen will.
Ferner will sie die Einkommen von Managern und Vorständen von Unternehmen auf maximal das Zwanzigfache des niedrigsten Lohnes im Betrieb deckeln, eine Vermögenssteuer für Reiche und eine repressionsfreie Grundsicherung für Arme einführen. Die Gewerkschaften will sie stärken und ein Recht auf Wohnraum für alle etablieren, was einen strengen Mietendeckel, Überführung von 50 Prozent der Wohnungen in Gemeineigentum und Bauprogramme für Sozialwohnungen beinhaltet. So wolle man auch, so heißt es, "Parallelgesellschaften der Reichen in Innenstädten und Villenvierteln stoppen".
"Märkte entfesseln" und Sozialausgaben deckeln mit der FDP
Der FDP schwebt bereits ein Boom der Wirtschaft nach der "Corona-Krise" vor. Wie die Unionsparteien wollen die Freien Demokraten die "Märkte entfesseln", um neues Wachstum zu generieren, und setzen auf Steuererleichterungen und Bürokratieabbau vor allem für Unternehmen und Großkonzerne. Als eine von wenigen Parteien kritisiert sie in ihrem Programm die Corona-Politik explizit und fordert "klare Öffnungsstrategien" und den "Schutz von Grundrechten".
Corona hin oder her: Ein leeres Bankkonto stünde einer Teilhabe an der Freiheit à la FDP wohl weiterhin entgegen. Denn zum Thema Soziales hat sie wenig zu sagen. In ihrer Vision vom "unkomplizierten Staat" soll es zwar "Chancen für Aufstieg und Selbstbestimmung", etwa in Sachen Bildung, geben. Einlösen will sie es etwa mit einem sogenannten "Kinderchancengeld" aus Grundbetrag, flexiblem Betrag und einem "nichtmateriellen Chancenpaket". Allerdings will sie zugleich die Sozialausgaben deckeln, und zwar auf höchstens 50 Prozent des Bundeshaushaltes. So möchte die FDP die Schuldenquote Deutschlands wieder unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts drücken.
Reichensteuern abschaffen und Arbeitslose "aktivieren" mit der AfD
Die AfD fordert ein vollständiges Ende der Corona-Maßnahmen. Zugleich will sie die Einwanderung verhindern, indem sie etwa Deutschland einzäunt mit "physischen Barrieren". Sie ruft nach Abschiebeprogrammen für im Land lebende Geflüchtete. Für deutsche Erwerbslose wünscht sich die AfD eine "aktivierende Grundsicherung als Alternative zum Arbeitslosengeld II" (im Volksmund Hartz IV). Die Krux: Im Gesetzestext und Politjargon wird Hartz IV seit Langem als "aktivierende Grundsicherung" benannt, aktiviert werden die Betroffenen mit Sanktionen. Daran will die AfD nichts ändern.
Sie hat auch weitere Vorschläge, etwa: "Das erzielte Einkommen soll nicht wie bisher vollständig mit dem Unterstützungsbetrag verrechnet werden." Das entspricht nicht ganz der Wahrheit. Hartz-IV-Beziehern wird bereits ein Freibetrag auf Erwerbseinkommen gewährt. So werden die ersten 100 Euro des Lohns nicht auf den Hartz-IV-Betrag angerechnet. Vom weiteren Einkommen bis 1.000 Euro bleiben 20 Prozent anrechnungsfrei, auf jeden weiteren Euro gibt es zehn Prozent Freibetrag. Wer etwa 900 Euro monatlich verdient und mit Hartz IV aufstockt, hat 260 Euro mehr, als wenn er zu Hause bliebe. Damit ist der nächste Wunsch im Wahlprogramm der Partei längst Realität: "Wer arbeitet, wird auf jeden Fall mehr Geld zur Verfügung haben als derjenige, der nicht arbeitet, aber arbeitsfähig ist."
Die AfD will ferner Schwarzarbeit noch effektiver bekämpfen, Obdach- und Wohnungslose statistisch erfassen lassen, den Mindestlohn, derzeit 9,50 Euro, beibehalten und Boni an Unternehmen zahlen, wenn sie behinderte Menschen beschäftigen. Die Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld I soll davon abhängen, wie lange ein Betroffener zuvor abhängig beschäftigt war. Für reiche Unternehmenserben soll nach ihrem Willen die Erbschaftssteuer abgeschafft werden. Auch eine Vermögenssteuer sowie alle weiteren Steuern, außer der Mehrwert- und der Einkommenssteuer, möchte die AfD abschaffen.
Existenz-Maximum und "ausgestreckter Mittelfinger" mit der PARTEI
Die Spaßpartei Die PARTEI mit immerhin gut 50.000 Mitgliedern, damit weit vor der AfD (rund 32.000 Mitglieder), macht ihrem bisherigen Habitus alle Ehre. Ihre soziale Ader zeigt sie unter anderem mit ihrer Forderung eines "Existenz-Maximums" von zehn Millionen Euro. Jeden Euro darüber will sie "systematisch kappen" und nach unten "umverteilen". Dazu schreibt sie: "Wer mit 10 Millionen keinen Spaß am Leben hat, der hat das Leben nicht verdient."
Die 53 Milliarden Euro, die für die Bundeswehr eingeplant sind, wolle man "nicht in Stahlhelme (oder wie die Grünen in umweltfreundliche Killerdrohnen) stecken, sondern in die Köpfe junger Menschen". Schwarzfahren im öffentlichen Nah- und Fernverkehr will die PARTEI von einer Straftat zur Ordnungswidrigkeit deklassieren und ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) einführen. Dazu schreibt sie: "Zwei Abgeordnete der PARTEI in Bundestag und EU-Parlament testen seit Jahren ein BGE in erheblicher Höhe – und konnten bisher keinen einzigen Nachteil entdecken."
Wohnungen seien zum Wohnen da, so die PARTEI weiter, "und nicht, um Dividenden für ominöse Vermögensverwalter auf den Caymans zu generieren". Deshalb sollen Immobilienkonzerne wie Deutsche Wohnen und Vonovia enteignet werden. Artikel 15 im Grundgesetz verlange eine angemessene Entschädigung, heißt es dazu. Man wolle den Unternehmen daher "eine Packung Merci, einen ausgestreckten Mittelfinger und einen kurzen, ehrlichen Applaus ihrer vormaligen Mieter" spendieren.
Das klingt schon fast ein wenig revolutionär. Nur eins sucht man vergeblich: eine Analyse zur gegenwärtigen Wirtschaftskrise und Corona-Politik. Möglicherweise wünscht sich der eine oder andere ein wenig mehr "Mittelfinger" auch in diese Richtung.
Ende der Corona-Maßnahmen und mehr Gemeinwohl mit der Basis
Mit ihrem Wachstum macht die neue Partei die Basis (Basisdemokratische Partei Deutschland) schon stramm der AfD Konkurrenz. Nach eigenen Angaben hat sie inzwischen gut 27.000 Mitglieder, nur etwa 5.000 weniger als letztere. Entstanden im vergangenen Jahr, wehrt sie sich gegen die staatlich verordneten Corona-Maßnahmen. In ihrem Rahmenprogramm heißt es zur sozialen Frage etwa: "Wir setzen uns für die Gleichbehandlung der Menschen ein und stellen uns entschieden gegen jede Form der Diskriminierung."
Grundlegende Menschenrechte und Frieden seien für alle zu wahren, schreibt die Basis. Es gehöre zu einem würdigen Dasein, "dass jeder Mensch seine materiellen Bedürfnisse ausreichend befriedigen kann, ohne dabei wirtschaftlichem oder staatlichem Zwang zu unterliegen." Die Partei strebt dabei eine "ausreichende finanzielle Grundsicherung für jeden Menschen" an. Großkonzerne will sie stärker besteuern und kontrollieren und die öffentliche Infrastruktur in die Hand der Allgemeinheit überführen.
Die Partei erklärt in ihrem "vier Säulen" umfassenden Rahmenprogramm: "Wir sehen ein grundlegendes Problem der gegenwärtigen Menschheitskrise darin, dass immer mehr Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wirtschaftlichen Maximen der Gewinnmaximierung und/oder dem politischen Machtgewinn und -erhalt untergeordnet werden." Dies wolle man künftig unterbinden.
Mehr Reichensteuern, soziale Sicherheit und impfen mit der ÖDP
Mit gut 8.000 Mitgliedern ist die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) die zehntgrößte Partei in Deutschland, sofern man CDU und CSU einzeln betrachtet. Neben einer "gerechten Umwelt- und Klimapolitik" fordert sie in ihrem Programm "dringend notwendige Maßnahmen zur Reform unseres sozialen Sicherungssystems". Dieses will sie künftig über Steuern finanzieren und jedem Bedürftigen einen Grundbetrag gewähren, unabhängig davon, mit wem er in einem Haushalt lebt. Dazu gehöre auch ein Recht auf soziale Teilhabe und finanzielle Entlohnung für Familien- und Erziehungsarbeit als Beitrag für die Gesellschaft.
Die ÖDP plädiert wie Die Linke für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Sie fordert eine neue Spekulationssteuer und weitere diverse Umwelt- und Ressourcensteuern. Das Gesundheitswesen dürfe keinen Profit erwirtschaften, müsse mehr Pflegekräfte einstellen, diese besser bezahlen und gehöre in die Hand von Kommunen oder gemeinnütziger Träger. Nur so könne die Bevölkerung flächendeckend gut versorgt werden. Die Corona-Politik stellt sie jedoch nicht in Frage. Sie wünscht sich eine "möglichst hohe Impfrate" und postuliert: "Impfen ist solidarisch." Eine Impfpflicht lehnt sie aber ab.
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